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21 Quadratmeter im Wachturm

Eine Klingel hat das kleine Fachwerkhäuschen nicht - bei Juliane Ketzer klopfen Besucher an die Tür. Wer drinnen steht, staunt. Niedrige Decken und winzige Räume. Bewohnerin Juliane Ketzer lebt auf nur 20 Quadratmetern, dafür aber verteilt auf drei Etagen. Die 25-jährige studiert Landschaftsarchitektur an der Fachhochschule Osnabrück und wohnt seit gut anderthalb Jahren in dem wohl kleinsten Studentenwohnheim Deutschlands. Für Juliane Ketzer war es ein Traum:

Von Kerstin Staben |
    "Ich hatte es mir viel kleiner vorgestellt. Jetzt mit dem Platz komme ich super aus. Es war früher mal ein Gartenhäuschen, also ganz früher war es ein Wachturm. Dann war es ein Gartenhäuschen. Dann hat hier mal ein Maler drin gewohnt, also der hatte hier sein Atelier drin und dann ist es abgebrannt und dann hat es das Studentenwerk gekauft."

    Für die Hausführung hat Juliane Ketzer nur wenig Zeit, sie lernt gerade für ihr Vordiplom. Zwar kurz, aber stolz zeigt sie ihr Zuhause in dem ehemaligen Wehrturm. Er ist Teil der mittelalterlichen Stadtmauer aus dem Jahre 1280: Besonders freut sich die Studentin über ihr Badezimmer im Erdgeschoss. Gar nicht mal so klein und mit sichtbarer Geschichte:

    "Es ist halt so, dass ein Stück von der Abwehrmauer mit eingebaut worden ist und die Fliesen, die unten sind oder die Steine, die sollen aus so einem französischen Bauernhaus sein. Das passt sich halt ganz gut dieser Stadtmauer an und wirkt also auch sehr natürlich."

    Ein Wendeltreppe führt weiter durch`s Haus. Auf der zweiten Ebene schläft Juliane Ketzer. Das Bett wurde eigens angefertigt. Die Schränke der Studentin passten anfangs nicht wie geplant in den kleinen Raum. Jetzt findet sie nach dem ganzen Lernstress ihre Ruhe in dem urgemütlichen Schlafzimmer:

    "Die Kleiderschränke sind halt alle unterschiedlich hoch. Das waren alles Einzelteile und wir haben sie dann hier auf sagen wir mal 80 Zentimeter Breite aufgebaut und da die Balken unterschiedlich hoch sind, mussten wir dann auch von den Schränken teilweise was absägen, damit sie dann hier überhaupt drunter gepasst haben. Und man fühlt sich halt wie in so einer kleinen Koje, weil es relativ dunkel ist. Ja, wie in so einer Bootskoje im Prinzip."

    Von der gemütlichen Koje führt die Treppe in die dritte Etage. Dort steht eines der wichtigsten Möbelstücke der Studentin - ihr Schreibtisch. Durch die großen Fenster fällt viel Licht. 205 Euro Monatsmiete zahlt die 25-jährige Studentin für das eigene Häuschen und darum wird sie oft beneidet. Denn nicht nur Besucher klopfen an ihre Tür - auch Spaziergänger, die gerne dort einziehen würden:

    "Die hier geklopft haben waren drei schon, die haben gefragt. Dann sage ich natürlich, wie lange ich noch mit dem Studium hab und dann ist es eigentlich erledigt."

    Das Studium dauert noch. Zum Leidwesen der Interessenten. Ursula Rosenstock vom Osnabrücker Studentenwerk bezeichnet den historischen Turm gerne als Aushängeschild. Und dafür wurde einiges investiert:

    "Wir haben einen feinfühligen Architekten gehabt, der das zusammen mit dem Amt für Denkmalpflege genauso aufgebaut hat, wie es historisch wohl mal war. Das heißt also, das Fachwerk ist gefüllt worden mit so einer Lehm, Strohgemisch. So ein Geflecht. Also, wir haben alles daran getan, dass es halt eben wieder so erwacht, wie es einmal war und dass es auch für unsere Zwecke nutzbar war."

    Nur eine Person kann in dem Schmuckstück des Studentenwerks wohnen. Eine Warteliste für Nachmieter gibt es nicht, so Ursula Rosenstock- ein bisschen Geduld und Glück gehören dazu. Aber es sei längst nicht die einzige individuelle Wohnmöglichkeit der Stadt:

    "Wir haben nicht nur dieses besondere Projekt, sondern bei uns lebt man zum Beispiel auch auf einem Bauernhof ziemlich nah der Innenstadt. Studierende können in Osnabrück in einem ehemaligen Wasserwerk wohnen . Und wir haben auch eine ehemalige Gaszählerfabrik als Studentendorf ausgebaut. Also, es ist nicht so wie man sich das vielleicht vorstellt, dass Studentenwohnanlagen immer hoch und viereckig sein müssen. Also, in Osnabrück ist das eigentlich überhaupt nicht so."