"Wie ich mich … in den … Augen weidete! Wie die lebendigen Lippen und die frischen muntern Wangen meine ganze Seele anzogen!" Maximiliane Euphrosyne von La Roche hieß das rheinische Mädchen, von dem Johann Wolfgang von Goethe auch im hohen Alter noch sehnsuchtsvoll schwärmen konnte.
Im Sommer 1772 war es, als sich der Dichter und die dunkeläugige Schönheit kennen lernten. Da war er 22, sie 16. Maximiliane oder Max, wie Goethe sie nannte, war die Tochter der damals berühmtesten Schriftstellerin deutscher Sprache Sophie von La Roche.
Die Familie lebte in Koblenz und führte ein gastfreies Haus für Künstler und Intellektuelle. Unter ihnen war auch der junge Rechtsanwalt und Dichter Goethe. Gekommen, um sich bei Mutter Sophie über den Schmerz wegen einer gerade gescheiterten Beziehung hinwegzutrösten, verliebte sich Goethe sofort in ihre Tochter.
Ob sie Goethes Gefühle erwiderte, ist unbekannt
"… eher klein als groß von Gestalt, niedlich gebaut; eine freie anmutige Bildung, die schwärzesten Augen und eine Gesichtsfarbe, die nicht reiner und blühender gedacht werden konnte."
Ob Maximiliane die Gefühle erwiderte und ob Goethe ihr gleich einen Heiratsantrag gemacht hat, wissen wir nicht. Sicher ist, dass die Begegnung der beiden die schönsten Folgen für die deutsche Literaturgeschichte hatte. Das lag zunächst einmal daran, dass die Mutter La Roche etwaigen Heiratsabsichten Maximilianes zuvorkam und für ihre Tochter einen anderen Mann aussuchte, einen vierzigjährigen italienischen Witwer, Pietro Antonio Brentano, seines Zeichens Inhaber eines Großhandels für Lebensmittel und Gebrauchsgüter aller Art in Frankfurt.
Ein Freund Goethes beschrieb Maximilianes neue Lebensumstände: "Mich berührt es … immer unangenehm, wenn ich zwischen Heringstonnen und Käse herumgehen muss, um sie zu besuchen." Goethe, der natürlich nicht glauben mochte, dass seine Angebetete unter solch krämerischen Umständen glücklich sein könnte, ließ nicht locker und ging eine Zeit lang bei der Familie Brentano ziemlich ungeniert ein und aus. Die Eifersucht des Italieners scheint er sogar ein bisschen genossen zu haben.
"Max hab ich … gesprochen, den Mann auch, er hatte all seine Freundlichkeit zwischen die spizze Nase und den spizzen Kiefer zusammengepackt." Irgendwann muss es zum Knall gekommen sein zwischen Goethe und den Brentanos.
Verarbeitet in "Leiden des jungen Werthers"
Der Dichter wandte sich plötzlich ab - und verarbeitete im Frühjahr 1774 diese und andere Liebesnöte zu dem größten literarischen Erfolg seiner gesamten Laufbahn: In den "Leiden des jungen Werthers" verschmolz er Maximiliane mit einer anderen frühen Geliebten zur dunkeläugigen, kinderlieben und charakterschönen "Lotte".
Die echte Maximiliane führte nach der Goethe-Affäre als Frau Brentano das Leben einer herzlich guten Hausfrau und Mutter. Fünf Kinder hatte ihr Mann aus erster Ehe, zwölf weitere brachte Maximiliane zur Welt.
Eines von ihnen war besonders empfindsam und schwierig: Clemens Brentano, der bis heute berühmte romantische Dichter, der seiner geliebten Mutter ein poetisches Denkmal setzte: "… die bunte Decke war mein Frühlingsgarten, der Mutter Pflege war mir Frühlingswonne. Ich konnte oft den Abend nicht erwarten, wenn sie die Wundermärchen uns gesungen…"
Auch Bettine Brentano, eine von Maximilianes Töchtern, machte als Dichterin Karriere. Und war überdies eine ziemlich extravagante Frau. Von sich selbst erzählte sie, dem reifen Goethe gehörig den Kopf verdreht zu haben. Maximiliane Brentano hat die Erfolge und Capricen ihrer Kinder nicht mehr erlebt.
Am 19. November 1793, zwei Monate nach der Geburt ihres jüngsten Kindes, starb sie im Alter von nur 37 Jahren in Frankfurt.
Dass auch ihr Mann sie sehr geliebt haben muss, zeigen uns einige Zeilen, in denen Bettine später schilderte, wie sie als Kind ihren Vater beim Tod der Mutter zu trösten versuchte: "Im dunklen Zimmer … vor dem Bilde der Mutter, … hängt sich das Kind an seinen Hals und hält ihm die Hände vor den Mund, er soll nicht so laut, so jammervoll klagen! - Werde doch auch so gut wie Deine Mutter, sagte in gebrochenem Deutsch der italienische Vater."