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25.2.1304 - Vor 700 Jahren

Im Jahre 1325 brach der junge Marokkaner Muhammad Ibn Battuta zur Pilgerfahrt nach Mekka auf – und kehrte erst dreißig Jahre später zurück. Mit der Reise nach Arabien erfüllte er eine religiöse Pflicht. Aber von Neugier getrieben, und weil der Koran die Gläubigen auffordert, fremde Völker kennen zu lernen, fuhr er weiter bis ans Ende der islamischen Welt, die bis zu den Küsten Chinas reichte. Als er mit fünfzig Jahren zurückkehrte, war er einer der größten Entdeckungsreisenden geworden.

    Am 25. Februar 1304 in Tanger geboren, stammte Ibn Battuta aus einer Familie, die mehrere Qadis – Richter des islamischen Rechts – hervorgebracht hatte. Auch er sollte später als Qadi tätig werden – sogar während seiner Reisen. Aber zunächst wollte er die islamische Welt kennen lernen, und das hieß für ihn: das Leben der Menschen. Noch vor Mekka kam er nach Damaskus. Berühmt wurde hier seine Schilderung eines Streites zwischen den Gelehrten zweier islamischer Rechtsschulen:

    Einer der berühmtesten Gelehrten der hanbalitischen Rechtsschule war Ibn Taymíya. In einer seiner Freitagspredigten hörte ich ihn sagen: "Wahrlich, Gott steigt vom Himmel herab in der gleichen Weise, wie ich jetzt herabsteige", und er setzte seinen Fuß eine Stufe tiefer. Ein Gelehrter der malikitischen Rechtsschule widersprach ihm wegen dieses ungehörigen Vergleichs. Aber da erhoben sich die einfachen Leute gegen diesen Malikiten und schlugen ihn mit Händen und Schuhen, bis sein Turban herab fiel und ein seidenes Käppchen zum Vorschein kam, obwohl Muslime doch keine Seide tragen dürfen. Als die Leute das sahen, empörten sie sich noch mehr und zerrten ihn vor den Qadi, der ihn einsperren ließ. Aber auch Ibn Taymiya wurde wegen ketzerischer Äußerungen in die Zitadelle geworfen, wo er bis zu seinem Tode bleiben musste.

    Ibn Battuta fuhr weiter durch die arabische Welt, die Türkei und Persien, Indien und Indonesien bis nach China. Viele Ereignisse der islamischen Welt im Spätmittelalter wären uns unbekannt geblieben, hätte er nicht über sie berichtet oder die vorhandenen spärlichen Berichte mit Leben erfüllt. So verdanken wir ihm die beste Schilderung der Verhältnisse am Hofe des Sultans von Delhi, wo sich Ibn Battuta sieben Jahre aufhielt und auch als Qadi wirkte. Den berühmt-berüchtigten Sultan (oder König) Muhammad Ibn Tughlaq beschrieb er so:

    Unter allen Menschen ist dieser König der einzige, der zwei Dinge am liebsten macht: Geschenke verteilen – und Blut vergießen. An den Toren seines Palastes trifft man immer arme Leute, die er reich machen, und lebendige Menschen, die er hinrichten lassen will. Und im Volk erzählt man sich viele Geschichten von seiner Großzügigkeit und seinem Mut – und von seiner Grausamkeit und Erbarmungs-losigkeit gegenüber Missetätern.

    Am Ende seiner langen Reise fuhr Ibn Battuta tief in die Sahara. Dort besuchte er berühmte Zentren des afrikanischen Islam wie Djenné in Mali. Aber ihm blieb auch nicht das freizügige Liebesleben der (muslimischen!) Afrikaner verborgen, bei denen es als normal galt, dass sich verheiratete Frauen wie Männer "Gefährten" und "Gefährtinnen" hielten, was Ibn Battuta als sittenstrenger Muslim und ehemaliger Qadi mit einer Mischung aus Amüsiertheit und erhobenem Zeigefinger beschrieben hat:

    Eines Tages kam ich in das Haus des Qadi und fand ihn mit einer jungen Frau von bemerkenswerter Schönheit. Als ich sie sah, erschrak ich und wandte mich zum Gehen. Aber anstatt vor Scham zu versinken, lachte sie über mich, und der Qadi sagte: "Warum willst du weggehen? Sie ist meine Gefährtin." Ich war entsetzt über ihr Benehmen, denn schließlich war er Theologe, ja sogar Mekkapilger. Er hatte den Sultan um Erlaubnis gebeten, die Pilgerfahrt in diesem Jahr mit seiner "Gefährtin" machen zu dürfen – ob mit dieser hier oder mit einer anderen, kann ich nicht sagen –, aber der Sultan wird es ihm bestimmt nicht gestatten!

    Nach seiner Rückkehr diktierte Ibn Battuta seine Reiseberichte und wirkte noch einige Jahre als Qadi in der Nähe von Tanger. Im Alter von 64 Jahren ist er gestorben und wurde in seiner Heimatstadt begraben. Wer aber heute sein Grab sucht, wird es nicht mehr finden. Mit dem großen Mystiker Rumi, den er sehr verehrte, würde Ibn Battuta sagen: "Wenn wir tot sind, sucht nicht unser Grab in der Erde, sondern findet es in den Herzen der Menschen."