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25 Jahre Computerspiel "Civilization"
Der Reiz, eine Zivilisation zu erschaffen

Civilization - unter Kennern kurz "Civ" genannt − ist das globale Strategiespiel überhaupt, ein Name, der jedem Gamer sofort einen versonnen Glanz in die Augen zaubert. Seit 25 Jahren erleben und gestalten die Spielerinnen und Spieler der Computerspielreihe nun schon die Geschichte diverser Zivilisationen neu, von der Bronzezeit bis in die Ära der Raumfahrt.

Von Tobias Nowak |
    Junge spielt Computerspiel
    "Civ" kann bei Spielerinnen und Spielern das Interesse für historische Themen wecken. (dpa / Maximilian Schönherr)
    "4000 Jahre vor Christus. Das Volk der Inka gründet unter meiner glorreichen Führung seine erste Stadt. Das Umland: Fluss, Hügel, Wald."
    Seit 25 Jahren hat sich eines nicht verändert: In der Computerspielreihe Civilization schauen die Spielerinnen und Spieler aus einer Gott-Perspektive auf die Welt hinab und leiten die Geschicke "ihres" Volkes, indem sie Siedler neue Siedlungen gründen oder Straßen bauen lassen, Militäreinheiten zur Sicherung anheuern, die Verwaltung der Städte steuern und - ganz zentral - Technik und Kulturleistungen erforschen.
    "Als nächstes muss ich den Kontinent erkunden und neue Kolonien gründen. Dafür steuere ich per Maus einen Siedlertreck durch die noch unentdeckte Wildnis."
    Jedes Spiel beginnt im Jahr 4000 vor Christus und hört auf, wenn - ja wann? Das ist unvorhersehbar und spannend, denn den Sieg kann der Spieler theoretisch jederzeit und auf vielfache Weise erringen: Beispielsweise durch aggressive und erfolgreiche Eroberungspolitik. Oder durch eine attraktive Kultur, die mit erhebenden Weltwundern ihr Ansehen steigert.
    Spiel geht übers Kämpfen und Siegen hinaus
    "Also es läuft nicht unbedingt immer nur aufs Kämpfen und Siegen hinaus, im Sinne von den Gegner militärisch niederzurringen, sondern man konnte und kann eben auch friedlich, weitgehend friedlich, zum Erfolg kommen. Zum Beispiel, indem man mit Wirtschaft, Handel reüssiert. Oder mit Kunst und Kultur und Wissenschaft."
    Angela Schwarz, Professorin für Geschichte an der Universität in Siegen:
    "Interessanterweise gibt es in Civilization 6 auch Tourismus als Siegbedingung für eine Zivilisation. Also derjenige, dem es gelingt, die meisten Touristen und Touristinnen in sein Land zu locken und dadurch der Wirtschaft einen Schub zu verleihen, der hat dann gewonnen."
    Gesellschaftlich zivilisierte Methoden werden adaptiert
    Das war nicht immer so, denn die erste Edition entstand noch in der Endphase des Kalten Krieges und präsentierte eine klar westliche Sicht. Eine kriegerische, imperiale Dominanz führte zum Sieg, Stalin war der Repräsentant der russischen Zivilisation. Und überhaupt: Fast alle Anführer waren Männer. Aber Civilization entwickelte sich so wie die reale Welt auch: Im Laufe der Jahre wurden zunehmend Völker der sogenannten Dritten Welt integriert und immer mehr Frauen führen die vom Spiel angebotenen Zivilisationen. Auch Kultur und Religion spielen mittlerweile eine immer stärkere Rolle.
    "Nach den ersten tausend Jahren könnte ich mir langsam ein Weltwunder leisten. Die Pyramiden vielleicht? Die beeinflussen Landschaftsausbauten. Oder doch lieber Stonhenge? Macht uns Inkas kulturell attraktiver?"
    Das Spiel Civilization zeigt damit auch, dass sich die Welt, das Leben nicht mehr nur durch martialische, sondern auch durch gesellschaftlich zivilisierte Methoden gewinnen lässt, kurz: soft power.
    Allmähliche Entwicklung der Natur- und Geisteswissenschaften
    Was bei Civilisation über alle Spielausgaben unverändert bleibt, ist die zentrale Rolle des menschlichen Forschergeistes: Um die eigene Zivilisation voranzubringen, müssen die Spielerinnen und Spieler ihre Wissenschaftler anweisen, im weitverzweigten "Technologiebaum" zu forschen. Das Ergebnis entspricht der allmählichen Entwicklung der Natur- und Geisteswissenschaften durch den Menschen. In Civilisation erwirbt die menschliche Gesellschaft über die Spiel-Jahrtausende hinweg - manchmal früher, manchmal später, je nachdem, in welchem Gebiet der Spieler oder die Spielerin Forschungen forciert - Fähigkeiten beispielsweise zur landwirtschaftlichen Bewässerung, zum Töpfern, zur Eisenverarbeitung, zum Buchdruck, zur Kernspaltung.
    Civilization ist ein Spiel der kulturhistorischen Erinnerungen, voller historischer Persönlichkeiten, epochemachender Erfindungen und herausragender Kulturleistungen. Die Frage, ob man durch dieses Spiel auch Geschichte lernen kann, liegt nahe. Aber selbst die Spielerinnen und Spieler geben sich da keinen Illusionen hin, wie in Internetforen zu lesen ist:
    "Civ1 hat mich überhaupt erst dazu gebracht, Geschichte zu studieren. Aber habe ich aus dem Spiel was gelernt? Natürlich nicht. Es ist ungenauer als Wikipedia. Das Spiel wurde von Spielentwicklern geschrieben, die es verkaufen wollten."
    "Ein Gewinn, wenn die Spiele mit Geschichte neugierig machen"
    Professor Angela Schwarz hat sich mit der Frage beschäftigt, ob und wie Computerspiele Geschichte vermitteln können.
    "Wenn man nochmal darauf schaut, was an Informationen, historischen Informationen, enthalten ist, muss man schon sagen, dass trotz der früh eingeführten sogenannten Zivilopädie, die historischen Wissensbestände im Spiel - mal vorsichtig ausgedrückt - als rudimentär zu bezeichnen sind."
    Gleichzeitig räumt die Geschichtswissenschaftlerin ein:
    "Als Historikerin erscheint es mir schon als ein Gewinn, wenn die Spiele mit Geschichte neugierig machen und Fragen an die Geschichte aufwerfen."