Nach Angaben von Greenpeace fließen jedes Jahr 8.500 Tonnen Öl in die Nordsee. Sie werden als Abfallprodukt von den rund 700 Ölbohr-Plattformen entsorgt. Die meisten dieser Anlagen stehen oder schwimmen in der britischen und der norwegischen See, erklärt Jörg Feddern von der Umweltschutzorganisation Greenpeace, vor sich ein Luftbild einer Plattform, von der aus gut sichtbar das Öl ins Meer fließt:
"Jedes Mal, wenn wir rüber geflogen sind, und das sehen Sie auf diesem Bild, sehen Sie große Ölschlieren um diese Plattform herum. Und das sind diese berühmten - nicht die 8.500 Tonnen - aber das ist ein Teil dieser 8.500 Tonnen. Und das summiert sich über das Jahr auf ungefähr 8.500 Tonnen. Und das sehen wir als das größte Problem der Ölindustrie an. In der Nordsee."
Problem Produktionswasser
25 Jahre nachdem Greenpeace gegen die Versenkung der Ölbohr-Plattform Brent Spar protestierte, fassen die Umweltschützer auf 70 Seiten zusammen, wo es Fortschritte bei der Ausbeutung der unterseeischen Ölvorkommen gegeben hat und wo nach wie vor Handlungsbedarf besteht.
"Das größte Problem ist das sogenannte Produktionswasser. Das ist das Wasser, was bei der Förderung anfällt. Es wird vom Öl getrennt und dann in den allermisten Fällen in die Nordsee injiziert. Und in diesem Produktionswasser sind halt Ölrückstände, die sich aufsummieren.
Man muss aber einräumen, dass in den letzten 20 Jahren die Belastungen zurückgegangen sind."
Tatsächlich liest sich die neue Greenpeace-Studie wie eine Erfolgsgeschichte des Umweltschutzes. Die Grenzwertverstöße haben sich in den letzten 20 Jahren deutlich verringert. Die in die Nordsee entsorgten Ölmengen wurden fast halbiert. Die meisten der besonders gefährlichen Chemikalien, die bei der Förderung zum Einsatz kamen, wurden verboten und durch umweltverträglichere Stoffe ersetzt. Kontrolliert wird die Verschmutzung durch Offshore-Plattformen von der OSPAR-Kommission. Sie hatte Ende der 90er-Jahre ein Versenkungsverbot für ausgediente Ölplattformen durchgesetzt. Allerdings, so Jörg Feddern von Greenpeace, würden die Plattform-Emissionen heute, bei sinkenden Fördermengen, überproportional groß sein:
"Der Aufwand, das Öl zu fördern, nimmt immens zu. Und wenn man das umrechnet auf jede geförderte Tonne Öl, dann ist es sowohl beim Öl als auch beim Einsatz von Chemikalien auch bei der Entlassung von CO2 und NOX in die Luft eine deutliche Zunahme pro geförderter Tonne festzustellen. Das heißt: Die Förderung wird dreckiger."
Positivbeispiel für den Umweltschutz
20 bis 40 Jahre lang, so schätzt Feddern, wird die Ausbeutung des Nordsee-Untergrunds noch dauern. Greenpeace fordert deshalb, mehr zu tun, um das von der OSPAR gesteckte Ziel - den völligen Verzicht auf Einleitung der Umweltgifte ab 2020 - zu erreichen. Als Positivbeispiel könne Mittelplate, die einzige Ölplattform in der deutschen Nordsee dienen. Betrieben von der deutschen DEA mitten im Naturschutzgebiet Wattenmeer. DEA-Sprecher Derek Mösche erklärt das Konzept von Mittelplate so:
"Wenn Sie sich Mittelplate vor Augen führen, ist das hufeisenförmig angelegt und in der Mitte befindet sich ein Hafenbecken. Und da können die Schiffe dann reinfahren. Und dann wird aus Sicherheitsgründen das Hubtor runtergelassen, sodass selbst wenn etwas über Bord gehen würde, alles im Insel-Inneren verbleibt und dort abgeschöpft werden könnte. Wir sind hermetisch abgeriegelt von der Umwelt und schützen auf diese Art und Weise das Wattenmeer optimal."
Aber diese Bohrinselarchitektur ist erstens teuer und zweitens wegen zu großer Wassertiefen nicht überall einsetzbar. Drittens sind die meisten Öl- und Gasvorkommen in der Nordsee heute schon ausgebeutet. Die Förderung der restlichen Menge ist komplizierter und teurer geworden, zusätzliche Mittel in den Umweltschutz zu investieren, lehnen die Förderfirmen ab.
Eine auffällige Parallele zieht die Greenpeace-Studie auch zur vehement bekämpften Atomkraft: In der gesamten Nordsee wird die Verschrottung der Plattformen, der Abbau von 10.000 Kilometer Pipelines und die Schließung von 5.000 Bohrlöchern nach Angaben von Greenpeace 66 Milliarden Euro kosten. Zu hoffen bleibt, dass die Ölindustrie - anders als die Atomwirtschaft - ausreichend hohe Rücklagen angespart hat.