Wenn in diesen Tagen schon der erste Schnee in Österreichs Nationalpark Hohe Tauern liegt, dann stehen die Chancen gut, dass auch in diesem Jahr die Besucherzahl wieder auf zwei Millionen steigt. Österreichs größter Nationalpark zwischen Großvenediger und Großglockner ist heute ein Erfolgsmodell. Anfangs sah es ganz anders aus:
"Also, die Stimmung war eine sehr zwiespältige. Damals waren die Vorstellungen von einem Nationalpark derart kontrovers, dass man sagen musste, jeden Nationalpark können wir nicht vertreten."
Wasserkraft und Arbeitsplätze - oder der Nationalpark
Vor 25 Jahren blickte Grundstückseigner Friedl Schneeberger, damals Obmann der Grundbesitzer-Interessensgemeinschaft, noch skeptisch den Naturschutz-Plänen der drei Landeshauptmänner von Salzburg, Tirol und Kärnten entgegen. Die Kontroverse damals: Entweder es entstehen riesige Wasserkraftwerke mit vielen Arbeitsplätzen oder ein Nationalpark für sanften Tourismus. Eine Entscheidung gegen den Nationalpark hätte bedeutet:
"Dass dann die Gletscherbäche im gesamten hinteren Osttirol von der Schwarzach bis zur Zwiesel und hin zum Webernbach alles zum Stausee eingeleitet worden wären, in Matrei hätten wir den halben Talkessel als riesiges Ausgleichsbecken."
Den Erfolg gäbe es nur, weil man die einheimische Bevölkerung von Anfang an mit eingebunden habe, sagt Hermann Stotter, der Nationalparkdirektor von Tirol, mit Blick auf die Diskussion um einen dritten Nationalpark in Bayern. Heute würde er sich nicht mehr trauen, einen neuen Nationalpark zu gründen: Der hohe Siedlungsdruck, die veränderte Freizeitgestaltung der Touristen, die nicht mehr nur wandern, sondern mountainbiken, paragliden, schneeschuhwandern oder auf Skitour gehen wollen.
Schützen und nutzen
Derzeit versuche man mit einem speziellen Almzertifikat, den Schutz, aber auch die zurückgehende Beweidung der Kernzon-Almen miteinander zu vereinbaren:
"Um etwas zu schützen, muss man gewisse Bereiche nutzen. Dieses Modell zeigt deutlich auf, dass wir durch die Nutzung, weil wir ihnen Flächen zurückgeben, durch die Wiederherstellung von wertvollen Lebensräumen, die auch almwirtschaftlich genutzt werden sollen, auch einen ökologischen Nutzen daraus ziehen, weil diese Flächen wieder hergestellt werden entsprechend den Zielsetzungen, die von Natura 2000 vorgegeben werden, diese Lebensräume zu erhalten. Das versuchen wir mit diesem Modell."
Vor neuen Herausforderungen stehen die Hohen Tauern derzeit aufgrund einer wachsenden Zahl an durchziehenden Großraubtieren wie Luchs, Bär und Wolf. Während im benachbarten Südtirol ernsthaft Wölfe abgeschossen werden sollen, kann man auch in den Hohen Tauern das Schutzbedürfnis der Viehhalter verstehen, die aufgrund alter Weiderechte auf 20 Prozent der Kernzone ihre Tiere halten dürfen.
Geldzahlungen beruhigen die Gemüter
Ohne die hohen Entschädigungszahlungen von rund 400.000 Euro pro Jahr von Bund und Land würden auch heute noch keine Kompromisse zwischen Naturschützern und Einheimischen möglich sein, bestätigt Peter Rupitsch, Nationalparkdirektor auf Kärntner Seite:
"Wenn man es so haben will, ist es eine Art Freikauf, wobei es nur bedingt gelingen wird ... Zum Beispiel gibt es nach österreichscher Gesetzgebung ja die Wegefreiheit und es gibt nur Ausnahmebestimmungen, wo man Gebiete sperren kann, das heißt, die Menschen werden die Gebiete immer nutzen. Aber die Nutzungsauseinandersetzung, vor allem mit der Freizeitnutzung, werden einfach immer größer. Es gibt immer neue Entwicklungen, Stichwort E-Bikes oder Drohnen - Dinge, die man vor zehn, zwanzig Jahren nicht kannte."
Massive Proteste gegen die neue Wildniszone
Wie kontrovers neue Maßnahmen im Nationalpark auch 25 Jahre später noch immer gesehen werden, zeigt der massive Protest in diesem Jahr gegen die Einrichtung der neuen Wildniszone. Jäger protestierten lautstark, Wanderer befürchteten ein vollständiges Zutrittsverbot. Da das Wildnisgebiet aber überwiegend unzugängliches Hochgebirgsgelände ist, ebbten die Proteste bald ab. Trotzdem: Auch 25 Jahre nach Gründung des Nationalparks muss ständig um eine Akzeptanz der Schutzbestimmungen durch Jäger, Waldbesitzer und Bauern gerungen werden, betont Kärntens Nationalparkdirektor Rupitsch:
"Das ist ein Irrglaube, ein Nationalpark ist nie fertig, das ist eine tägliche Auseinandersetzung mit täglichen neuen Herausforderungen und es ist mindestens gleich spannend wie am ersten Tag."