Der 22. August 1992 ist ein warmer Sommersamstag mitten in Mecklenburg-Vorpommerns Ferienzeit. Doch im Rostocker Stadtteil Lichtenhagen ist die Stimmung alles andere als entspannt.
"Ich bin nicht ausländerfeindlich. Aber wie die sich hier bewegen, das geht doch gegen jede deutsche Norm. Das sind wir Deutschen ganz anders. Für Sauberkeit und für Ehrlichkeit."
"Die" - das sind vor allem Tausende Sinti und Roma aus Rumänien und Polen, die seit Mitte 1991 in Lichtenhagen ankommen, um in der einzigen Zentralen Aufnahmestelle des Landes ihren Erstantrag auf Asyl zu stellen. Die ZASt ist in dem zehngeschossigen Neubaublock mit dem riesigen Sonnenblumenmosaik am Giebel untergebracht.
Hier versammeln sich nun immer mehr Anwohner zum Protest, denn die 320 Plätze im Asylbewerberheim sind längst überbelegt. Seit Wochen schon kampieren Hunderte Menschen im Freien - ohne Verpflegung, Waschgelegenheit, Toiletten. Es stinkt, es ist laut, viele Leute haben Angst, aber:
"Keiner hilft uns. Wir haben in Hausversammlungen gefordert, dass die Verantwortlichen mal herkommen. Kein Mensch hilft uns. Schlimm, dass wir diesen Bürgern, die heute hier randal..., äh, die heute ihren Protest zeigen, recht geben müssen. Ist schlimm!"
Sie rufen: "Ausländer raus!"
Es beginnt mit ausländerfeindlichen Parolen. Dann brechen 12-, 13-, 14-Jährige Steine aus Gehwegen und Gleisbetten und schleudern sie gegen Fenster sowie Polizisten. Gegen 21 Uhr mischt sich Wolfgang Zöllick unter die Anwohner auf der Straße. Er ist Vize-Oberbürgermeister und wohnt selbst in Lichtenhagen.
Ein NDR-Fernsehteam beobachtet, was sich vor dem "Sonnenblumenhaus" abspielt.
"Für uns im Block sind das auf Deutsch gesagt Dreckschweine. Die scheißen und pissen um unseren Block. Die liegen in jeder Ecke ..."
"Und bumsen ..."
"... und bumsen uff der Wiese. Man kann hier nachts überhaupt nicht mehr das Fenster aufmachen. Das stinkt hier an allen Ecken und Enden."
"Aber das sind doch Menschen, die hier sind."
"Raus mit dem Scheiß!"
"Wie auch immer sie sich verhalten - es bleiben doch Menschen."
"Das sind doch keine Menschen!" - "Die sollen ihren Scheiß wegräumen!" - "Blutsauger sind das." - "Das sind Diebe!"
"Wenn Sie mich fragen, sind sie ... Nach den gegenwärtigen gesetzlichen Bestimmungen ist jeder ausländische Bürger, der Deutschland betritt, berechtigt ..."
"Sie haben doch keine Ahnung, Mann! Raus mit dem Scheißdreck, Mann!"
"Ja, dazu müssen wir die Gesetze ändern ..."
"Wenn man die Bilder sieht, wenn man die Filme sieht - unter dem Beifall von Leuten, die sich das angeguckt haben. Tja, schlimm. Schlimm. Es ist wirklich schlimm gewesen. Nicht jeder hat zu Steinen gegriffen, aber genügende haben dazu gegriffen."
Die Gewalt setzt sich in den nächsten Tagen fort - mit Brandflaschen, Steinen und Feuerwerkskörpern. Am dritten Abend brennen nicht mehr nur Funkstreifenwagen und Privat-Pkw, sondern auch Wohnungen. Da hat sich der inzwischen von angereisten Neonazis aus dem Westen gesteuerte Mob auf den Nachbaraufgang im "Sonnenblumenhaus" verlegt.
Dort wohnen rund 300 Vietnamesen, die in den 80er-Jahren als Gastarbeiter auf dem Rostocker Seehafen beschäftigt waren und sich nach der Wende vor allem als Händler durchschlagen. Viele sind mit Polizeischutz bereits in Notunterkünfte gebracht worden. Doch 22 Vietnamesen harren in dem Glauben aus, dass die Deutschen sie auch weiterhin nicht mit den osteuropäischen Asylbewerbern verwechseln werden. Son Hyunh denkt zurück:
"Also damals hat er nur vom Fenster gesehen, eine Masse Leute unten. Sie haben auch gesagt, sie sind nicht gegen Vietnamesen, aber sie sind gegen die Asylbewerber."
Der heute 59-Jährige ergänzt, "die Asylbewerber von nebenan" seien tatsächlich "sehr unordentlich" gewesen. Als sich später die von inzwischen zugereisten Neonazis koordinierten Angriffe auch gegen die Vietnamesen richteten, "waren wir alle geschockt", so Herr Hyunh.
Wie die meisten der rund 300 Vietnamesen aus dem Sonnenblumenhaus lebt Herr Hyunh heute im Nachbarbezirk Lütten Klein - mit seiner Frau und den drei in Rostock geborenen Söhnen. Auch Martin, der Älteste, möchte in Rostock bleiben, Maschinenbau studieren. Dabei spürt er die Auswirkungen von Lichtenhagen 92 täglich:
"Ich darf jetzt wegen dem Vorfall auch nicht wirklich lange draußen bleiben. Das heißt, ich kann abends bis 18 Uhr spätestens, und andere Freunde können bis 20 Uhr oder länger draußen bleiben. Ich muss eben bis 18 Uhr wegen dem Vorfall. Ich werde dieses Jahr 19."
"Dann kannst du ja selber entscheiden."
"Genau, aber trotzdem. Die machen sich zu doll Sorgen, und ich komme auch immer pünktlich nach Hause."
Er werde auch grundsätzlich von Freunden nach Hause begleitet. Was genau seine Eltern vor 25 Jahren im Sonnenblumenhaus erlebt haben, weiß Martin allerdings nicht.
"In der Familie wird es gar nicht angesprochen. In der Schule haben wir es mal gehört ab der sechsten Klasse und dann wollte ich mal nachfragen. Aber es wurde verschwiegen. Nie eine Antwort."
Auskunft geben könnte auch die Reportage jenes ZDF-Teams, das am Abend des 24. August 1992 mit den Vietnamesen und dem Rostocker Ausländerbeauftragten Wolfgang Richter in den oberen Etagen Schutz vor dem Feuer sucht:
"Wir schauen mit den Vietnamesen hinunter und erblicken blanken Hass und blinde Wut. Zunächst noch gegen die Polizisten, die ziehen sich aber zurück. Das ist die Chance für die Schlägertrupps. Sie stürmen gegen das Ausländerheim. Wir selbst sind die Belagerten geworden."
"Ich alleine und meine Landsleute hier im Haus sind total am Ende. Wir können gar nicht begreifen, warum mit solchen Ausmaßen gegen Ausländer. Und damit sind wir Vietnamesen auch gemeint."
"Von der Polizei immer noch keine Spur. Und wir sitzen in der Falle."
"Eine organisierte Unverantwortlichkeit"
Kein Wunder, denn an diesem Abend müssen sich die Polizisten zurückziehen. Darunter Michael Ebert, heute Chef der Polizeidirektion Rostock, damals Gruppenführer einer Ausbildungshundertschaft:
"Es war erschreckend. Das ist natürlich nicht unser Selbstverständnis, dass Häuser brennen, Menschen in Not geraten, während wir in der Nachbarschaft in Bereitschaft sitzen. Ich weiß nicht, ob das jemals genau aufgeklärt werden kann, wer damals wann welche Weisung gegeben hat. Es haben sich Untersuchungsausschüsse damit beschäftigt. Eine - ja, ich möchte sagen organisierte Unverantwortlichkeit."
Tatsächlich ergibt die spätere Befragung durch den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss im Schweriner Landtag ein widersprüchliches Bild. Der Einsatzleiter erklärt, sein Rückzugsbefehl an jenem Abend vom Sonnenblumenhaus habe nur den aus Hamburg hinzugeeilten Einheiten gegolten, die vom Hamburger Senat dringend zurückgefordert worden waren. Dass letztlich niemand mehr vor dem Sonnenblumenhaus stand - wohl ein Missverständnis. Unstreitig hingegen ist: Der Bund hatte seine Zusage, eine große Zahl an Bundesgrenzschützern zur Hilfe zu schicken, nie eingehalten.
(*Anmerkung der Redaktion: An dieser Stelle wurde zwei Sätze entfernt, deren chronologischer Bezug faktisch falsch war.) In Rostock-Lichtenhagen kommt wie durch ein Wunder kein Mensch ums Leben. Dennoch sprechen viele von einem Pogrom. Zu Recht, sagt Gudrun Heinrich von der Universität Rostock. Sie forscht unter anderem über Rechtsextremismus und hat eine Vorlesungsreihe zu Rostock-Lichtenhagen 1992 erstellt:
"Der Begriff 'Pogrom' geht davon aus, dass es eben eine breitere Tätergruppe ist, die - in der Gesellschaft verankert - über mehrere Tage hinweg sich gegen eine Minderheit richtet, und es auch kein staatliches Einschreiten dagegen im schnelleren Sinne gibt. Wir haben mehrere Tausend Schaulustige, die die Ausschreitungen auch unterstützt haben. Die Umstehenden haben die Jugendlichen angespornt, doch Molotowcocktails zu werfen, sie teilweise auch damit versorgt. Und vor allen Dingen die konkrete Situation, als es in dem Haus der vietnamesischen Vertragsarbeitnehmer gebrannt hat, kam die Feuerwehr nicht an das Haus, weil Schaulustige das verhindert haben. Das ist schon ein ganz besonderer Charakter, der meiner Ansicht nach auch den Pogrom-Begriff nahelegt."
Doch wie kommt es zu diesem Pogrom, mit dem bis heute nicht nur der Stadtteil Lichtenhagen, sondern ganz Rostock identifiziert wird? Eine Hanse- und Hafenstadt, in der schon zu DDR-Zeiten vergleichsweise viele Ausländer lebten und wo Fremdenhass bis dahin unbekannt war?
Asylaufnahmestelle im sozialen Brennpunkt
Rückblende 1990. Auch das neue Bundesland Mecklenburg-Vorpommern muss bis zum 1. Dezember des Jahres eine Einrichtung zur Aufnahme von Asylbewerbern schaffen. Eine Arbeitsgruppe entscheidet sich für einen leerstehenden Aufgang im "Sonnenblumenhaus" von Rostock-Lichtenhagen, also mitten in einer dicht besiedelten Plattenbaugegend. Die Lichtenhäger Bevölkerung sei es gewohnt, dass dort Ausländer leben, meint man. Schließlich hatte der Seehafen Rostock hier seit Anfang der 80er-Jahre seine Vertragsarbeiter auf Nordafrika und Vietnam untergebracht.
Was Ende 1990 niemand ahnt, so Wolfgang Zöllick: Wie sehr der gigantische Nachwende-Umbruch gerade auch vielen Lichtenhägern zusetzen würde, und wie schwierig der Aufbau funktionstüchtiger Verwaltungsstrukturen ist - erst recht in dem bis dahin im Osten unbekannten Bereich Asyl.
"Da gab es weder Erfahrungswerte von denen, die schon immer hier gelebt haben, wozu ich ja auch zähle, noch von denen, die im Zuge der Hilfe für die Verwaltung aus dem Westen kamen. Und jetzt war platziert worden die Zentrale Aufnahmestelle des Landes mitten in einem Stadtteil, der zu dem damaligen Zeitpunkt viele soziale Brennpunkte hatte. Wenn ich nur an den Schiffbau denke, an die Zulieferindustrie dort, dann waren das nicht 20, 30 Leute, die Arbeit verloren hatten, sondern ganze Familien, in denen der Vater, der Sohn und so weiter keine Arbeit mehr hatten. Die Arbeitslosigkeit war sprunghaft angestiegen. Auf der anderen Seite waren Konsummöglichkeiten da in ungeahntem Ausmaß."
Konfliktpotenzial ist also jede Menge vorhanden, als ab Mitte 1991 nicht mehr die üblichen 60, 70 Antragsteller pro Monat in die ZASt nach Rostock-Lichtenhagen kommen, sondern fünfhundert. Es sind überwiegend Sinti und Roma aus Rumänien und Polen. Weil bei ihnen keine politische Verfolgung vorliegt, werden ihre Asylanträge durchweg abgelehnt. Dennoch kommen immer mehr nach Deutschland. Ihnen - wie auch vielen anderen aussichtslosen Asylbewerbern - reicht offenkundig schon das Aufenthaltsrecht samt damit verbundenen Sozialleistungen, das automatisch beim Betreten deutschen Bodens wirkt.
CDU für Änderung des Grundgesetzes
Am 12. September 1991 schreibt CDU-Generalsekretär Volker Rühe einen Brief an sämtliche Parteifunktionäre von Gemeinderat bis Bundestagsfraktion. Es geht um die seiner Meinung nach "besorgniserregende Entwicklung bei den Asylbewerberzahlen in Deutschland" nach dem Zerfall des Ostblocks und angesichts des Jugoslawienkrieges.
"Der weitaus größte Teil der Asylbewerber kommt aus Staaten, in denen es politische Verfolgung nicht oder inzwischen nicht mehr gibt. Wirtschaftliche Motive sind häufig der Grund, einen Asylantrag zu stellen und so zumindest ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht zu erwirken."
Weiter schreibt Volker Rühe, die Politik müsse sich auf eine Änderung des Grundgesetzartikels 16 verständigen.
"Die CDU hat immer die Auffassung vertreten, dass das Asylrecht nicht das geeignete Instrument zur Linderung der wirtschaftlichen Not in anderen Ländern der Welt sein kann. Um das Recht auf Asyl auch für die Zukunft zu sichern, muss sein Missbrauch mit allen rechtsstaatlichen Mitteln verhindert werden."
Der politische Widerstand ist groß, auch bei der SPD, deren Stimmen für eine Grundgesetzänderung nötig sind. Nichts passiert.
Hilferufe des Bürgermeisters
Derweil treffen ab Januar 1992 im "Sonnenblumenhaus" von Lichtenhagen monatlich bis zu 900 Asylbewerber ein. Im Juli sind es sogar 70 pro Tag. Hunderte kampieren nun mitten im Wohngebiet im Freien. Die Zustände werden für alle Beteiligten unerträglich, weiß Wolfgang Zöllick, damals Bürgermeister.
"Wir haben uns täglich an das Land Mecklenburg-Vorpommern gewandt und darum gebeten, die ZASt entweder komplett zu verlegen oder eine zweite Anlaufstelle an einem anderen Ort zu schaffen. Weil hier die Möglichkeiten nicht gegeben waren, diejenigen, die dort ankamen, entsprechend zu betreuen und das so zu bearbeiten, dass sie weitergeschickt wurden. Es war aber in der Tat, dass der Zustrom von Flüchtlingen vor allem aus Südosteuropa, der war enorm groß. Die Schlepper hatten Konjunktur und man konnte das beobachten. Es sind jeden Abend Lkws vorgefahren. Die haben ihre Ladeklappe runtergemacht, und dann stand so eine Lkw-Ladung von Flüchtlingen da, die dann Einlass begehrten haben in der zentralen Anlaufstelle."
Zu Besuch bei Wolfgang Isbarn in Schwerin. Er leitet das heutige Landesamt für Migration und Flüchtlinge, das dem Innenministerium Mecklenburg-Vorpommern untersteht. 1992 ist Wolfgang Isbarn als Personalrat auch zuständig für die Belange der knapp 20 ZASt-Kolleginnen und Kollegen in Rostock-Lichtenhagen. Auch für die waren die Zustände längst unerträglich geworden, sagt der Beamte und sucht in seinem schwarzen, ledergebundenen Jahreskalender 1992 nach Einträgen mit dem Kürzel "ZASt".
"Also ich kann in meinen Kalender gucken. Der erste Tag war gewesen am 30. Juni, wo bei mir ein Termin '14 Uhr ZASt' eingetragen ist. Und wenn ich meine Skizzen daneben lege, waren da Kollegen wohl bei mir im Büro im Ministerium in Schwerin, und wir haben die Probleme, die es da gab, erörtert. Und da spielte, wenn ich mich recht erinnere, auch schon die enorme Belastung durch den Zustrom der Flüchtlinge mit eine Rolle."
Tatsächlich vereinbaren die Hansestadt Rostock und das Innenministerium bereits Anfang Mai, dass die Asylbewerber künftig auf dem Gelände der ehemaligen NVA-Kaserne Rostock-Hinrichshagen untergebracht werden sollen. Doch davon bekommen die Lichtenhäger nichts mit.
Aus einer Menschenmenge wurde ein rassistischer Gewaltmob
Anfang August berichten die "Norddeutschen Neuesten Nachrichten" von einem anonymen Anrufer. Der habe erklärt, eine Bürgerinitiative werde "die Sache in die eigene Hand nehmen" und "aufräumen". Am Freitag, dem 21. August 1992 schreibt die "Ostseezeitung", dass Bürgerwehren am nächsten Tag eine Demonstration vor der Zentralen Aufnahmestelle abhalten wollen. Die Zeitung zitiert junge Rostocker im Alter von 22 bis 24 Jahren:
"Die drei wollen wissen, dass die rumänischen Roma 'aufgeklatscht´ werden sollen. 'Die Rechten haben die Schnauze voll! Wir werden dabei sein", sagt Thomas, "und du wirst sehen, die Leute, die hier wohnen, werden aus den Fenstern schauen und Beifall klatschen.' Die drei unterscheiden zwischen Asylbewerbern und Zigeunern. 'Mit den Fidschis können wir gut leben', beteuern sie."
Am Samstag sind die Asylbewerber anderenorts untergebracht. Dennoch wird auch der Schweriner NDR-Fernsehreporter Jörg-Michael Schmidt Zeuge, wie sich innerhalb weniger Stunden aus einer Menschenmenge ein rassistischer Gewaltmob entwickelt. Der Sonntag wird noch brutaler. Diesmal stehen rund 3.000 Schaulustige dabei und befeuern die rund eintausend Gewalttäter, darunter wieder Kinder.
"Ich wage mal die Behauptung, in den ersten ein, zwei Tagen war das eine Sache von Rostockern. Ich stand ja nun mitten unter denen. Warmes Wetter, die Leute kamen auch von einer Party. Ich habe noch Bilder in Erinnerung: Familie mit einer Tochter, die Eltern in einer Hand eine Sektflasche. Und dann so nach dem Motto 'Töchterchen, pass mal schön auf, dass dir nichts passiert, wenn du da mit deinem Stein wirfst.' Also das waren vor allem Rostockerinnen und Rostocker."
"Ich sag Ihnen so, wie es ist. Angst? Ich war mit bei! Ich hab zu einem Polizisten gesagt: 'Mein 14-jähriger Sohn hat auch da gestanden. Sie können machen, was Sie wollen. Wenn mein Sohn jetzt 'nen Stein nimmt und schmeißt, und der trifft jetzt meinetwegen keinen Polizisten, aber einen von den Asylanten - ich würde noch mithelfen!"
"Ich habe das nicht für möglich gehalten, dass eine größere Menschenmenge innerhalb von kurzer Zeit - das waren vielleicht zwei, drei Stunden - zu einem niederträchtigen, gewaltbereiten Mob geworden ist."
Auf einmal ging die Grundgesetzänderung ganz schnell
Aus der Ferne empören sich viele Politiker über die rassistische Gewalt in Rostock. Am 25. August verkündet Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth (CDU) zugleich, es hätten sich "in der Frage der Gestaltung des Asylrechts und der Aufnahmepraxis bei den im Bundestag vertretenen Parteien inhaltliche Annäherungen ergeben".
Tatsächlich wird es nun schnell gehen mit der Grundgesetzänderung. Am 6. Dezember 1992 einigen sich die Bonner Regierungsparteien CDU, CSU und FDP mit der SPD auf den sogenannten Asylkompromiss. Das macht auch den damaligen Rostocker CDU-Bürgermeister Wolfgang Zöllick nachdenklich. Denn nicht nur er, auch die Polizei hatte im Vorfeld der Exzesse politische wie praktische Hilfe vom Bund vermisst.
"Man musste schon den Eindruck gewinnen, hier hat man - fernab von Bonn - ein Exempel statuieren wollen, um dem Ganzen Nachdruck zu verleihen. Ob man diese Eskalation eingeplant hatte? Das ist nicht belegbar und das glaube ich auch nicht. Aber man wollte so ein bisschen den Kessel unter Dampf setzen, dass die Leute sagen: 'Nee, da müssen wir wirklich was tun. ' Aber leider ist das dann hier eskaliert."