Der Herzschlag der ungeborenen Tochter von Carsten Nicolai. Ein japanisches Haiku. Ein gender- und diversitätsgerechtes Stimmwirrwarr der irdischen Zweibeiner. Keine Frage: Die Musik, die in 12,5 Lichtjahren den Exoplaneten "GJ 273 b" alias "Luyten b" erreicht, hat eine Botschaft: "Hallo, hier spricht die Erde."
Oder vielleicht doch eher: "Hallo, hier spricht Sónar 2018." Das Festival für "Advanced Music", für "fortschrittliche Musik", das sich seit jeher einen grenzenlosen Fortschrittsglauben auf die Fahne geschrieben hat. Enric Palau, einer der drei Direktoren des Festivals:
"Wir haben beim Sónar schon immer gerne ausprobiert und geforscht. Als wir begannen, haben wir mit etwas experimentiert, was Internet hieß und über eine rudimentäre Technologie wie dem RSDI-Netz an drei Orten gleichzeitig Konzerte gegeben. Uns interessieren Künstler, die einen Schritt weiter gehen, die so die Musik - und die Menschheit weiter bringen."
Ein Projekt mit Anspruch
Nur keine falsche Bescheidenheit. Die 33 Tracks für E.T. und Co sind kein netter Gag zum Jubiläum, sondern ein Projekt mit Anspruch. Mitentwickelt hat es Ignasi Ribas vom katalanischen Weltraumforschungsinstitut IEEC:
"Die Wahrscheinlichkeit, dass die Sendung tatsächlich von jemandem oder etwas empfangen, interpretiert und beantwortet wird, ist natürlich extrem gering. Interessant ist das Projekt trotzdem: Es mischt Wissenschaft, Technologie und Kunst und weckt so bei einem neuen Publikum Interesse für wissenschaftliche Fragen. Wir kennen Orte, an denen es Leben geben kann und können Signale übermitteln. Fragen wir uns also, was das bedeutet."
Ribas und seine Kollegen haben die zehnsekündigen Mini-Stücke der 38 Künstler in binäre Codes umgewandelt: in Nullen und Einsen, die in langen Impulsen über ein Weltraumteleskop im norwegischen Tromsö verschickt werden. Davor gibt es ein digitales Hallo aus Primzahlen - als Hinweis darauf, dass die Signale nicht natürlichen Ursprungs sind - und ein binäres Bild: eine Art Mini-Wikipedia der Menschheit, ähnlich der Datenplatten mit den eingravierten Bildern von Menschen und Raumschiffen, die auf den Voyager-Sonden durch All schweben.
Insektenähnliche Wesen
Ja, natürlich müssten die Außerirdischen erst eine Weile grübeln, bevor sie in den Genuss der Musik kämen, sagt Ribas. Aber gegrübelt haben die Künstler schließlich auch - nicht nur über ihre Tracks. Künstler stellten sich mehr Fragen als der Durchschnitt, sagt Ribas. Mit vielen hat er über die Form des möglichen außerirdischen Lebens philosophiert - auch wenn die Vorstellungen der Künstler sehr viel konkreter seien als seine vagen wissenschaftlichen. Der Japaner Daito Manabe etwa vermutet jenseits unseres Sonnensystems hochbegabte insektenähnliche Wesen. Die Österreicherin Zora Jones tippt auf körperlose Energie.
Und Cora Novoa, eine DJ aus Barcelona, stellt sich die Außerirdischen ganz klassisch mit riesigen Köpfen vor. Wegen ihrer großen Gehirne. Gerade deshalb, sagt Novoa, sei es besser, wenn keine Antwort von "Luyten b" käme: "Wir sind eigentlich noch sehr primitive Wesen und nicht bereit, wirklich mit anderen in Kontakt zu treten. Wir Menschen wiederholen wie in einem Loop immer wieder die gleichen Fehler und zerstören die Erde. Warum sollten die Außerirdische mit solchen Wesen in Kontakt treten wollen?"
Immerhin: Bis zu einer möglichen Antwort hat die Menschheit noch 25 Jahre Zeit. Erst dann erreicht das Signal von "GJ 273 b" wieder die Erde. Pünktlich zum 50. Geburtstag des Sónar-Festivals.