Dass er in Buenos Aires und bei Morgengrauen sterben würde, hatte der Komponist und Bandoneon-Künstler Astor Piazzolla in seiner "Ballade für meinen Tod" – "Balada para mi muerte" – vorausgesagt. 71 Jahre alt wurde der Argentinier, der wie kein anderer die Musik seiner Heimat, den Tango, erneuert hatte.
"Piazzolla war für die einen der Retter der Tango-Musik – und für die anderen ihr Verhängnis", erklärt Diego Fischerman, einer seiner Biografen.
Manche Traditionalisten waren der Meinung, dass Piazzolla mit seinen modernen Kompositionen Verrat am argentinischen National-Genre beging. Der Musiker äußerte sich zu den Anfeindungen 1984 in einem Interview:
"Ich bin nicht gegen den klassischen Tango – ich will einfach anderen Tango machen. Das Problem ist: Man kann in Argentinien alles verändern, nur nicht den Tango. Als ich damit angefangen habe, war das eine Art Revolution."
Piazzollas Vater vermittelte ihm die Liebe zum Tango
Astor Piazzolla wurde 1921 in der argentinischen Küstenstadt Mar del Plata geboren. Als er vier war, zogen seine italienischstämmigen Eltern mit ihm nach New York. Früh erkannten sie Astors musikalisches Talent, der Junge lernte Klavier und Bandoneon. Es war Piazzollas Vater, der ihm die Liebe zum Tango vermittelte. Zugleich sog Astor andere musikalische Einflüsse in sich auf – vor allem Jazz, aber auch Klassik. 1938, mit 17, ließ Piazzolla sich in Buenos Aires nieder. Im darauffolgenden Jahr gelang es ihm, Bandoneonist in einem der damals wichtigsten Tango-Orchester zu werden: dem von Aníbal Troilo. Bald übernahm er auch dessen Arrangements. Mitte der 1940er-Jahre gründete Piazzolla selbst ein Orchester und komponierte mit El Desbande seinen ersten eigenen Tango.
Noch klang das eher traditionell, doch das sollte sich ab Beginn der 1950-Jahre ändern. Astor Piazzolla schuf den Tango Nuevo: Werke in einem ganz neuen Stil, der sich klar abhob von den vertrauten Tango-Melodien. Entschlossen, das stagnierende Genre weiterzuentwickeln, veränderte Piazzolla Rhythmen, Harmonien und Tempi. Er verwendete den Kontrapunkt und die Fugenform, entliehen aus der Barockmusik, genauso wie Jazz-Elemente.
"Für ein bestimmtes Publikum, das eher vom Jazz kam als vom Tango, verkörperte Piazzolla eine große Hoffnung. Er war es, der die volkstümliche Musik Argentiniens in die Moderne führte.”
Unermüdlicher Komponist
Nach einem Aufenthalt in Paris, wo Piazzolla Unterricht bei der Komponistin und Pianistin Nadia Boulanger nahm, trat er immer öfter als Solo-Bandoneonist in Erscheinung. 1959 komponierte er zu Ehren seines verstorbenen Vaters "Adios Nonino" – eines der schönsten Werke der zeitgenössischen Musik überhaupt.
"Es besitzt eine fantastische Kraft. Und es vereint die Elemente, die in den meisten Werken Piazzollas enthalten sind: Energie und Gefühl.”
Astor Piazzolla war ein unermüdlicher Komponist, gab Konzerte in vielen Ländern und schuf die Musik für fast 40 Filme. Als er am 4. Juli 1992 den Folgen eines Schlaganfalls erlag, war er weltberühmt und hatte in seiner Heimat eine große Fangemeinde.