So fingen vor rund 200 Jahren Schmöker an: "In jenem lieblichen District des fröhlichen Englands, welcher von dem Flusse Don bewässert wird, befand sich in alten Zeiten ein großer Wald … Hier hauste … der fabelhafte Drache von Wantley; hier wurden mehrere von den blutigsten Schlachten während der Bürgerkriege der Rosen gefochten …"
England im 12. Jahrhundert. König Richard Löwenherz ist aus dem Heiligen Land zurückgekehrt und sieht sich konfrontiert mit mächtigen Gegnern, die die inzwischen an sich gerissene Macht zu verteidigen suchen. Vor diesem Hintergrund entfaltete Walter Scott die auch durch die Politik bedrohte Liebesgeschichte von Richards‘ treuem Ritter Ivanhoe und erzählte sie gemäß einer Einsicht, die ihm die Lektüre der Weltliteratur beigebracht hatte:
"Ich habe genug Bücher gelesen, um zu wissen, dass die tiefsten Aussprüche von den Lippen armer und ungebildeter Frauen und Männer kommen. Da kamen oft Dinge zutage, die erhabener und ergreifender vielleicht nur noch in der Bibel gefunden werden. Auch der Dichter wird seinen wahren Beruf nur erfüllen, wenn er alles als eitel und wertlos erkennt, was nicht wahre innere Herzensbildung ist."
Vor Lord Byron kapitulierte Scott als Lyriker
Seine eigene innere Herzensbildung hatte der am 15. August 1771 als Sohn eines Anwalts in Edinburgh geborene Walter Scott zunächst in Gedichten erprobt – Franz Schuberts Lied "Ave Maria" ist die Vertonung eines dieser Gedichte. Den lyrischen Impuls ließ Scott jedoch in sich versickern, da er anerkennen musste, mit der Lyrik seines Zeitgenossen Lord Byron nicht konkurrieren zu können. Da fiel ihm ein angefangenes und seinerzeit liegengelassenes, weil als missraten empfundenes Prosastück wieder in die Hände, das er nun doch halbwegs gut fand. Er schrieb den Text zu Ende, nannte ihn "Waverley" und veröffentlichte ihn 1814, anonym. Es war die Geburtsstunde einer neuen Form des historischen Romans.
Topseller wie die "Bride of Lammermoor"
Denn nicht die üblichen öffentlich handelnden Figuren standen im Vordergrund, sondern Geschichte wurde – sehr realistisch – erzählt aus der Perspektive der Mittel- und Unterschicht. Der Erfolg bei einem großen Lesepublikum war überwältigend. Scott, im bürgerlichen Beruf wie sein Vater Jurist, zog sich mehr und mehr auf seinen Landsitz zurück. Hier, in dem am Fluss Tweed gelegenen Schloss Abbotsford, schrieb er einen Roman nach dem anderen, "Rob Roy", "Bride of Lammermoor" oder "Kenilworth" und verriet darin seinen Blick auf das Leben und die Welt:
"Die Ohren der Könige gleichen dem Gaumen verwöhnter Kranker, welche unfähig sind, die Bitterkeit der Kräuter zu ertragen, die zu ihrer Heilung notwendig sind - Krieg ist das einzige Spiel, wo beide Parteien verlieren."
Durch Übersetzungen war Scotts britischer Insel-Ruhm bald nach ganz Europa, sogar in die Neue Welt getragen worden. Der Autor, der seine Bücher weiterhin anonym, mit dem Verweis "Vom Verfasser des Waverley" veröffentlicht hatte, freute sich natürlich in seinem Versteck über den Erfolg – bis durch einen Zufall doch herauskam, dass er, Walter Scott, der Verfasser sei. Die Ehrungen in Schottland nahmen nun kein Ende mehr. Der Toast, den Lord Meadowbank 1827 bei einem zu Ehren Scotts veranstalteten Festessen aussprach, besitzt in Schottland bis in die heutigen Tage Gültigkeit:
"(Die) Schönheiten unseres Vaterlandes … und der Ruhm unserer Vorfahren ist von ihm über die Gestade dieser Insel hinausgetragen worden, bis an die Grenzen der Welt. Er hat … den Namen Schottland unsterblich gemacht …"
Das Leben des 1820 zum Baron geadelten Erfolgsschriftstellers verdüsterte sich, als sein Verlag, mit dem er auch als stiller Teilhaber verbunden war, fallieren musste. Obwohl für die horrenden Schulden nicht verantwortlich, verpflichtete sich Scott, sie abzutragen – und schrieb deshalb noch mehr und schneller als früher, bis zum gesundheitlichen Zusammenbruch. Eine Italienreise sollte 1831 neue Kraft geben. Doch so erschöpft wie vorher kehrte er nach Schottland zurück und starb kurz darauf, im September 1832, in seinem Schloss Abbotsford.