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250 Jahre Anhaltische Philharmonie
Traditionsensemble aus Dessau

Einer der wichtigsten Klangkörper in Sachsen-Anhalt feiert in dieser Spielzeit sein 250-jähriges Bestehen: die Anhaltisch Philharmonie Dessau. Bei den Festreden gab es viel Lob und Anerkennung für das Orchester. Doch eitel Sonnenschein herrscht nicht, denn das Geld ist knapp, die Knebelverträge der alten Landesregierung nagen an der Substanz des Orchesters.

Von Ullrich Bohn |
    Der Klangkörper der anhaltischen Philharmonie im Konzertsaal in Dessau.
    Die Anhaltische Philharmonie Dessau feiert in dieser Spielzeit ihr 250-jähriges Bestehen. (© Claudia Heysel)
    Musik: Wagner, Ouvertüre "Die Meistersinger von Nürnberg"
    Der wohl wichtigste Aspekt der Orchestergeschichte der Anhaltischen Philharmonie Dessau fällt einem sofort ins Auge. Das Prädikat, das "Bayreuth des Nordens" zu sein. Denn nur sieben Monate nach der Münchner Uraufführung und als dritte Bühne weltweit spielte man einst in Dessau die "Meistersinger". Im Spätherbst 1872 kam Richard Wagner höchst selbst in die Stadt, um hier wie anderenorts auch für sein Festspielvorhaben zu werben. 13 Musiker waren schließlich bei den ersten Bayreuther Festspielen dabei, der Dessauer Hornist Julius Demnitz blies als erster den "Siegfried-Ruf" und auch die damals neuen Maschinenpauken wurden von hier ausgeliehen. Und Jahre später kam sogar Cosima Wagner nach Dessau, aber nicht nur, um sich die Werke ihres Mannes anzuschauen, wie der langjährige Orchesterdramaturg Roland Müller zu erzählen weiß:
    "Und sie hat ja bei dieser Gelegenheit auch die Dessauer Erstaufführung von "Hänsel und Gretel" inszeniert. Vorstellbar ist das heute zwar nicht, denn sie hatte nur wenige Tage Zeit für die Proben. Aber man hat wohl sehr viel vorher korrespondiert, denn es gibt einen Briefwechsel zwischen ihr und Humperdinck und zwischen ihr und dem Hofkapellmeister August Klughardt. Und in diesem Kreis ist dann auch der Gedanke geboren worden, den Schluss von "Hänsel und Gretel" umzuändern, indem man den "Dessauer Marsch" noch einfügte. Der zwar von Humperdinck veröffentlicht wurde, der aber nur für Dessau gedacht war und ist."
    Jubiläum mit Hofkapellmeistern
    Friedrich Wilhelm Rust, der nach der Gründung der Hofkapelle 1766 das junge Orchester auf den Weg brachte, war auch kompositorisch tätig. Das gleiche gilt auch für Friedrich Schneider, der 1821 sein Amt antrat und dem die bis heute existierenden "Elbmusikfeste" zu verdanken sind. Und fehlen darf in dieser Riege keineswegs August Klughardt, der 1882 die Orchesterleitung übernahm, und dessen Werke bereits in einer CD-Einspielung mit der Anhaltischen Philharmonie Dessau vorliegen. Etwa eine Festouvertüre in Es-Dur:
    Musik: Klughardt, Festouvertüre Es-Dur
    Markus L. Frank, der neue Chefdirigent der Anhaltischen Philharmonie, hat aus dieser jahrzehntelangen Tradition der komponierenden Hofkapellmeister und Musikdirektoren einen programmatischen roten Faden durch die Jubiläumsspielzeit gelegt:
    "Dass wir in jedem der Sinfoniekonzerte ein Werk nehmen, das von diesen Hofkapellmeistern komponiert wurde, einfach um zu zeigen, was die Tradition auch hörbar macht. Und so haben wir Stücke rausgesucht: August Klughardt, Friedrich Schneider von den Bekanntesten. Es gibt auch etwas von Heinz Röttger, der in den 50er Jahren gewirkt hat, auch er hat komponiert. So haben wir einiges wieder ausgegraben, von Werken, die jetzt erst wieder aufgelegt werden. Wir haben nur Partituren im Archiv gefunden, lassen das Orchestermaterial extra anfertigen. Das ist wirklich eine ganz großartige Sache."
    Musik: Klughardt, Festouvertüre Es-Dur
    Finanzielle Sorgen
    Doch so engagiert die Musiker auch sind, das musikalische Niveau in den letzten Jahren stets gebührende Anerkennung fand, erwähnt seien die jährlichen Konzerte im Rahmen des Kurt-Weill-Festes oder auch die zyklischen Aufführungen von Wagners "Ring des Nibelungen" im Frühjahr 2015, die Sorgen und Nöte sind genauso präsent. Denn die massiven Etat-Kürzungen, mit denen die Theater- und Orchesterlandschaft in Sachsen-Anhalt in jüngster Zeit überzogen worden ist, haben auch in Dessau deutliche Spuren hinterlassen, so dass Orchestervorstand Ekkehard Neumann die Arbeitsfähigkeit der Anhaltischen Philharmonie infrage gestellt sieht:
    "Wir haben ein großes Orchester, können es aber leider nicht so nutzen, wir es wollen. Hier gibt es so unglaublich viel Potential, auch von allen Mitarbeitern des Hauses. Wir wollen alle mehr und können es nicht verwirklichen, weil wir immer wieder an die Grenze des Machbaren stoßen. Es geht manchmal gar nicht mehr um Kunst, sondern es geht zuweilen nur noch darum, wo können wir den Lichtschalter 10 Minuten eher ausmachen, um noch ein paar Cent zu sparen. Das ist wirklich eine sehr belastende Situation."
    Zwar zeigt sich, ersten Einschätzungen zufolge, die neue schwarz-rot-grüne Landesregierung offen für neue Gespräche in Sachen Theaterfinanzierung. Fakt ist aber, dass die geschlossenen Verträge noch bis 2019 Gültigkeit besitzen. Der neue GMD Markus L. Frank sich also vorerst wird gedulden müssen:
    "Der reduzierte Etat ist natürlich spürbar, daran besteht kein Zweifel. Es gibt Einschränkungen an jeder Ecke. Überall wo man zusätzliche Kräfte braucht, muss man mit spitzer Feder rechnen. Wie oft ich in den letzten beiden Wochen gehört habe, dafür haben wir kein Geld, das ist schon echt bitter. Und da muss man unglaublich kreativ sein, um mit den Kräften, die da sind und gut sind, wirklich optimal arbeiten zu können. Die Verträge schreiben allerdings auch eine Verringerung der Zahl der Orchestermitglieder vor. Da sind leider Zahlen auf dem Tisch, die wir mit einer sinnvollen Struktur fast nicht erfüllen können."
    Musik: Klughardt, Festouvertüre Es-Dur
    Großer Rückhalt
    Dennoch, die Stimmung bleibt positiv. Kann sie auch sein, denn die Resonanz auf die Sinfoniekonzerte hat sich auf hohem Niveau stabilisiert, der Rückhalt in der Stadt ist gegeben. Auch bei den Förderern, etwa der Ostdeutschen Sparkassenstiftung, die seit 2003 den sogenannten "Rust-Preis" maßgeblich unterstützt, für Roland Müller ein wichtiger Baustein der Nachwuchsförderung:
    "Dieser Wettbewerb richtet sich an junge Geiger aus den ostdeutschen Bundesländern, und das Besondere an diesem Wettbewerb ist, dass als Preise Geigen winken, die ostdeutsche Geigenbauer hergestellt haben. Es gibt einen Pool von 15 Instrumenten bei der Ostdeutschen Sparkassenstiftung, und der erste Preisträger kann sich ein Instrument seiner Wahl daraus aussuchen und dies dann auch beim nächsten Wettbewerb verteidigen."
    Verteidigen, das scheint ein gutes Stichwort zu sein für die nächsten Jahre bei der Anhaltischen Philharmonie Dessau. Gilt es doch, das künstlerische Erbe zu bewahren und das musikalische Niveau trotz schwieriger Rahmenbedingungen zu halten. In der Hoffnung, dass die nächsten Verhandlungen um den Finanzbedarf des Orchesters mit mehr Sachverstand geführt werden.