"Wilhelm von Humboldt war ja mit seiner Idee der Reform Preußens, und dafür auch Universität als Kosmos zu nutzen, visionär."
Ausgerechnet als Preußen am Boden lag, schlug die Stunde des Bildungstheoretikers Wilhelm von Humboldt. Von Napoleon besiegt, wollte das aufstrebende Bürgertum den verstaubten Staat modernisieren. Humboldt war gerade Gesandter in Rom, als er 1808 zum Sektionschef für Kultus und Unterricht im Innenministerium berufen wurde. Nun hatte er freie Hand für seine Idee von Bildung. Sie sollte nicht von der Herkunft abhängen und keine reine Ausbildung sein. Der Staat hatte sich rauszuhalten.
Der Autonome Weltbürger
Ziel war der autonome Weltbürger, der vernünftig ist und selbstständig denken kann. In nur 16 Monaten führte Humboldt ein dreigliedriges Unterrichtssystem aus Volksschule, Gymnasium und Universität ein. Die Krönung: 1810 wurde er Mitbegründer der Universität zu Berlin, der heutigen Humboldt-Universität, die sich - ganz in Humboldts Sinn - die akademische Freiheit und die Einheit von Forschung und Lehre auf die Fahne schrieb.
"Humboldt liebte die Totalität und das Ganze und stellte sich vor, dass die Bildung irgendwie etwas Rundes schafft."
Begeisterung für die Antike
Wilhelm von Humboldt, am 22. Juni 1767 in Potsdam geboren, sah selbst keine Schule von innen. Sein Vater, ein preußischer Offizier, ließ ihn und Bruder Alexander zu Hause von ausgesuchten Aufklärern unterrichten. Zur Uni ging Wilhelm nur vier Semester. Er schwärmte fürs antike Griechenland und schloss Freundschaft mit Goethe und Schiller.
Nach seiner Zeit als Bildungsreformer wurde er Gesandter in Wien, das wichtigste außenpolitische Amt, das Preußen zu bieten hatte. Ab 1819 aber drehte der Wind in den deutschen Staaten. Mit der freiheitsfeindlichen und nationalen Reaktion begann der politische Abstieg Humboldts. Er zog sich als Privatgelehrter nach Tegel bei Berlin zurück und verfasste bis zu seinem Tod 1835 Beiträge zur Sprachwissenschaft, die später viel Beachtung fanden.