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250. Todestag
Telemann - mehr als Blockflöte

Georg Philipp Telemann war mehr als der Barockkomponist von Blockflötenstücken: Er war experimentierfreudig, ein genialer Unternehmer und hatte Sinn für Humor. Zahlreiche Veranstaltungen in Hamburg anlässlich seines Todestages zeigen die vielen Facetten Telemanns.

Von Elisabeth Richter |
    Der Komponist Georg Philipp Telemann
    Der deutsche Komponist Georg Philipp Telemann wurde am 14. März 1681 in Magdeburg geboren und ist am 25. Juni 1767 in Hamburg gestorben. (picture alliance / Foto: dpa)
    "Wichtig ist schon auch, dass eigentlich bei allem, was er anpackte, innovativ war. Dieses Innovative bei ihm ist eigentlich fast ein Wesenszug", sagt Jürgen Neubacher, Musikwissenschaftler an der Staatsbibliothek Hamburg.
    Im Finalsatz dieser Ouvertüre in e-Moll moduliert Telemann ziemlich kühn von G-Dur über g-Moll nach B-Dur, um von dort dann einfach nach Fis-Dur und h-Moll zu springen.
    Telemanns Werke für Tasteninstrumente, in diesem Fall die sechs "Ouvertüren nebst zween Folgesätzen" sind wenig bekannt. Hier erklingen sie auf einem originalen Cembalo, das Christian Zell 1728 in Hamburg baute, also zu Telemanns Zeit in der Hansestadt. Es steht heute im Museum für Kunst und Gewerbe. Gut möglich, dass Telemann selbst auf dem Instrument gespielt hat. Die Cembalistin und Vorsitzende der Hamburger Telemann-Gesellschaft Anke Dennert hat die sechs Ouvertüren kürzlich auf dem Zell-Instrument eingespielt.
    Telemann - der Experimentierfreudige
    "Telemann ist meiner Meinung nach jemand, der gerne experimentierte, er hat schon eine knappe Form vorweggenommen, wie man sie im Sonatenschaffen ab der Mitte des 18. Jahrhunderts bei allen möglichen Komponisten auch findet."
    Telemanns formale und besonders seine harmonische Experimentierfreudigkeit waren auch Thema bei der vom "Musikwissenschaftlichen Institut Hamburg" durchgeführten Tagung anlässlich Telemanns 250. Todestages. Wolfgang Hirschmann aus Halle führte in seinem aufschlussreichen Vortrag "Erkundungen an den Grenzen der Klänge – Telemanns harmonische Innovationen" nicht nur die kühnen Takte aus der e-Moll-Cembalo-Ouvertüre an, sondern viele weitere Beispiele.
    "In den Köpfen ist noch immer das Klischee von einem relativ langweiligen Telemann, der vor allem für Blockflöte komponiert hat, obwohl, das will ich auch sagen, das grandiose Werke sind, das ist so mehr oder weniger der Blockflöten Schulkomponist, der wahnsinnig viel geschrieben hat. Uns geht es darum zu zeigen, wie sehr Telemann im 18. Jahrhundert am Puls der Zeit war, und eben in ganz unterschiedlicher Hinsicht."
    Telemann - der geniale Unternehmer
    Ivana Rentsch vom Institut für Historische Musikwissenschaft Hamburg, hat gemeinsam mit Bernhard Jahn vom Institut für Germanistik die Tagung mit dem Titel "Extravaganz und Geschäftssinn – Telemanns Hamburger Innovationen" durchgeführt. Extravagant waren etwa Telemanns harmonische Überraschungen, die man gelegentlich auch bei Zeitgenossen finden kann. Ungewöhnlich in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts war tatsächlich, dass ein Komponist auch wirtschaftlich erfolgreich agierte. Dass er seine Werke im Selbstverlag herausbrachte, ist nur ein Beispiel. Er sei wirklich ein "genialer Unternehmer" und geschickter Netzwerker gewesen, sagt Germanist und Musikwissenschaftler Bernhard Jahn.
    "Er wusste, was er wert war, das ist richtig. Aber, wenn man seine Briefe liest, er war ein sehr begnadeter Briefschreiber, dann sieht man, wie elegant er formulieren konnte, wie höflich er formulieren konnte. Das sind immer sehr witzige Briefe, wo er die Partner für seine Anliegen gewinnt, ohne dass da Rücksichtslosigkeit oder negative Eigenschaften zum Ausdruck kämen. Er war wohl ein sehr sozialer Mensch, er konnte gut wohl seine Interessen auf eine charmante Art und Weise durchsetzen."
    Das Oratorium "Gelobt sei der Herr" erklang bei einem Festkonzert am Vorabend von Telemanns Todestag in der Hauptkirche St. Michaelis – also einer von Telemanns Wirkungsstätten zum ersten Mal wieder in Hamburg seit der Uraufführung 1731. Es dirigierte der heutige St. Michaelis-Kantor Christoph Schoener. Das Werk gehört zum sogenannten oratorischen Jahrgang, in dem handelnde Personen und allegorische, reflektierende Figuren vorkommen. Der damals 30-jährige Textdichter Albrecht Jacob Zell hat sicher auf Anregung des 50-jährigen Telemann sein Libretto dramatisch gestaltet, um Grundlage für eine farbige, affekthaltige Komposition zu liefern.
    Telemann - der Dichter-Komponist
    "Er hatte ein unglaubliches Gespür für die literarischen Strömungen seiner Zeit, das zeichnet ihn aus gegenüber anderen Komponisten, wenn man etwa an Bach denkt, Telemann hat sich für die neuesten literarischen Entwicklungen interessiert, und dabei die jungen, zum Teil ja sehr jungen Autoren unterstützt, indem er sie aufgefordert hat, Texte für ihn zu schreiben, die er dann vertont hat. So als Promotion."
    Bernhard Jahn, Hamburger Professor für Germanistik und Telemann-Experte verweist außerdem darauf, dass Telemann für manche Opern und Oratorien auch selbst Texte verfasste.
    "Bei dieser Kombination Dichter-Komponist sollte man nicht immer nur an Wagner denken, da darf man auch an Telemann denken."
    Telemann - der Humorvolle
    Telemanns Beziehung zu Hamburger Dichtern ist auch ein Bereich einer kleinen Ausstellung in der Staatsbibliothek Hamburg mit "Schlüsseldokumenten seines Wirkens in der Elbmetropole" gewidmet. Der Musikwissenschaftler Jürgen Neubacher, Autor eines umfangreichen Buches zu Telemanns Hamburger Kirchenmusik und ihren Aufführungsbedingungen – hat sie konzipiert. Es geht um Telemanns Aufgaben als Hamburger Kirchenmusik-Direktor, seine Kantaten und Oratorien, die zahlreichen Fest- und Gedenkmusiken, um Telemanns Wirken als Operndirektor, als Konzertveranstalter und Verleger.
    Ein Beispiel für Telemanns Humor sind etwa zwei Einladungskarten an den Hamburger Bürgermeister und seinen Sohn, die Telemann auf der Rückseite von französischen Spielkarten selbst verfasste. Besonders stolz ist Jürgen Neubacher auf einen vollständigen Stimmensatz der Lukas-Passion von 1744, aus denen Telemanns Musiker spielten.
    "Das sieht man zum Beispiel an der Violoncello-Stimme, auf der das Monogramm CH zu finden ist, das für den Hamburger Ratsmusikanten Christian Hase steht, der bekanntermaßen in Telemanns Orchester Kontrabass gespielt hat, und hier als Kontrabassist aus der Cellostimme mitgespielt hat."