"Ich habe nun mein Leben in beneidenswerter Weise eingerichtet. Ich antichambriere überhaupt nicht mehr. Wer etwas will, muss mich aufsuchen. Ich mache mich rar, und wenn es nicht eine ranghohe Persönlichkeit ist oder ein Auftrag von einem Freund, arbeite ich für niemanden."
Aus den Zeilen, die Francisco de Goya einem Jugendfreund schrieb, klingt Stolz. Jahrelang hatte der Maler hart gearbeitet, sich Bildungsreisen nach Italien finanziert, Modelle für die Königliche Teppichweberei entworfen, um nach mehreren Anläufen endlich in die Königliche Akademie und damit in den erlauchten Kreis der Adelsporträtisten aufgenommen zu werden.
Aus den Zeilen, die Francisco de Goya einem Jugendfreund schrieb, klingt Stolz. Jahrelang hatte der Maler hart gearbeitet, sich Bildungsreisen nach Italien finanziert, Modelle für die Königliche Teppichweberei entworfen, um nach mehreren Anläufen endlich in die Königliche Akademie und damit in den erlauchten Kreis der Adelsporträtisten aufgenommen zu werden.
Goya und sein realistischer Blick
Sechs Jahre danach wurde der am 30. März 1746 als Sohn eines Vergolders und einer verarmten Landadeligen geborene Künstler zum Hofmaler ernannt. Vier aufeinanderfolgende Monarchen standen ihm Modell. Die "Familie Karl des IV." zeigt die Herrscher so, wie sie die Welt noch nicht gesehen hatte. "In "Spanien und die Spanier" schreibt Juan Goytisolo:
"Velázquez verklärte und idealisierte mit Hilfe der Farbe die Monarchen und Prinzen des habsburgischen Königshauses. Der Pinsel Goyas dagegen ist grausam. Der Betrachter ist bestürzt angesichts der Rücksichtslosigkeit, mit welcher der Maler die Gesichtszüge des Königs und der Königin Maria Luisa festgehalten hat, und man fragt sich, wie die Herrscher eine solche Schmähung zulassen konnten. Die einleuchtendste Erklärung: Die Wirklichkeit übertraf das Kunstwerk."
In Folge von Aufklärung und französischer Revolution hatten sich auch in Spanien die Machtverhältnisse verschoben. Goyas realistischer Blick ist darauf eine Antwort.
In Folge von Aufklärung und französischer Revolution hatten sich auch in Spanien die Machtverhältnisse verschoben. Goyas realistischer Blick ist darauf eine Antwort.
Erster Frauenakt der europäischen Kunstgeschichte
1799 erscheint die Druckgrafik-Serie "Los Caprichos". Auf den 80 satirischen Sittenbildern finden sich neben ätzender Kritik an Standesdünkel und Korruption auch rätselhafte Traumbilder: Auf dem Titelblatt "Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer" steigt hinter einem schlafenden Mann ein Schwarm bizarrer Nachtgeschöpfe auf. Mit solch tiefen Blicken ins Unterbewusste war Goya, so Goytisolo, seiner Zeit fast 200 Jahre voraus:
"Es war Goyas Absicht, die Spanier einer Psychoanalyse zu unterziehen. Statt die ‚Realität‘ zu verfolgen, um sie zu kopieren, lebt seine Kunst aus der kühnen Erforschung des Unterbewussten, aus der im Traum offenbarten Wahrheit."
Die Serie brachte Goya Ärger mit der Inquisition ein. Auch wegen des Bilds, das er für das Venuskabinett des einflussreichen Premier Manuel Godoy malte, geriet der Hofmaler in Konflikt mit den strengen Glaubensrichtern. Auf dem ersten Frauenakt der europäischen Kunstgeschichte räkelt sich die "nackte Maja" selbstbewusst auf einer Liege und blickt den Betrachter herausfordernd an: ein ungeheuerlicher Skandal.
Eine Welt aus den Fugen
Eine schwere Krankheit ließ Goya auf dem Höhepunkt seiner Karriere langsam ertauben. Damit verdüsterte sich zunehmend auch sein Blick auf die Welt. Mit dem Madrider Aufstand 1808 und dem Kampf gegen Napoleon wird das Grauen des Krieges zu Goyas bestimmendem Thema. Wirft sich im Monumentalgemälde "Der dritte Mai 1808" einer der Aufständischen im weißen Hemd und mit auseinandergerissenen Armen den Kugeln der Henker entgegen, fehlt in den Blättern "Die Schrecken des Krieges" jede heroische Geste. Da werden Leichen geschändet, Körper zerhackt: Die Welt ist aus den Fugen.
"Wenn Hieronymus Bosch die Menschen in sein Höllenuniversum einführte, so führt Goya das Höllische im menschlichen Universum ein", schreibt André Malraux. Sein gnadenloser Blick, der radikale Pinselstrich machen Francisco Goya zum Urvater der Moderne: Die "Caprichos" faszinierten die Maler der "Schwarzen Romantik" ebenso wie die Surrealisten. Und Pablo Picasso fand in den "Schrecken des Krieges" Inspiration für sein Anti-Kriegs-Gemälde Guernica.
Als Ferdinand VII. ab 1814 die absolutistische Monarchie wiedereinführte, sank Goyas Einfluss am Hof. Verbittert zog er sich aufs Land zurück, arbeitete dort an den "Pinturas Negras": düsteren Wandmalereien mit grotesk verzerrten Figuren. 1823 verließ Francisco de Goya Spanien und starb fünf Jahre später, hochbetagt im Alter von 82 Jahren im französischen Exil.