"Die Reisen sind an keinem Orte im ganzen russischen Reiche so sehr beschwerlich und gefährlich, als auf Kamtschatka. Die beste Zeit ist im März und April, als denn ist der Schnee so feste, dass man überall darüber hinfahren kann. So haben als denn auch die Sturmwinde ein Ende."
So beschrieb der deutsche Wissenschaftler Georg Steller, Schiffsarzt unter dem Kommando Vitus Berings, die sibirische Halbinsel Kamtschatka. Kein Forscher vor ihnen hatte jemals diese weite Polarlandschaft zu Gesicht bekommen. Doch Vitus Bering, 1681 in Jütland geboren, war abenteuerlustig und wollte Karriere machen. Der dänische Seeleutnant, den man auch den Kolumbus des Zaren nannte, war 1703 in den Dienst Peters I. getreten. Männer wie ihn suchte der Zar, so der Nordeuropahistoriker Michael Engelbrecht:
"Peter der Große wollte sein Reich im Ostseeraum und im Norden zur ersten Macht machen. Er hat sich Fachleute aus West-Europa geholt, Wissenschaftler, Seefahrer. Er wollte nämlich sein Reich genau kennen. Und dazu gehört auch, dass man die Grenzen kennt."
Sibirien war zu großen Teilen noch unerschlossen
Die waren aber noch auf keiner Landkarte verzeichnet. Das russische Reich erstreckte sich über Sibirien, das zu großen Teilen noch unerschlossen war, bis nach Alaska. Der Zar wollte wissen, welche Bodenschätze es dort gab, welche Ureinwohner dort lebten und wo sich Handelswege nach Nordamerika eröffnen könnten. Antworten auf diese Fragen zu finden, wurde zu Vitus Berings Lebensaufgabe. 1725 leitete er als Pionier eine erste Entdeckungsreise nach Kamtschatka. Er erkundete die Nordküste Sibiriens und durchquerte die Meerenge zwischen Nordasien und Alaska, die heutige Beringstraße.
"Man kann auf jeden Fall sagen, dass er der Entdecker Ostsibiriens ist als einer sogar bewohnbaren Region, und von Russisch-Amerika. Denn damit wurde der Osten für Russland plötzlich interessant."
Peters Nachfolgerin, die Zarin Anna Ivanowna, wollte mehr Ergebnisse. So startete Bering 1733 in Petersburg zu seiner zweiten nordischen Expedition, diesmal begleitet von einer internationalen Forschergruppe. Etwa 3.000 Menschen begaben sich mit Wagen und Schlitten auf den über 5.000 Kilometer langen Landweg zum Pazifischen Ozean.
"Oben um Russland rumzusegeln, das wagte man nicht, denn die ganze Passage war ja größtenteils voller Eis. Das war ja wie ein militärischer Feldzug. Ein riesiger Tross, die ganzen Familien, auch Berings Frau war mit, die hat auch ihr Klavier mitgebracht. Das Problem einer solchen Expedition: Ich muss eine Unmenge von Menschen organisieren. Und das in einer Gegend, die ich nicht kenne, unter äußerst widrigen Umständen."
Bering ließ Ureinwohner als Expeditionshelfer zwangsverpflichten
Proviant, empfindliche Messinstrumente, Kanonen, Taue, Segel und Papiervorräte für zehn Jahre wurden mitgeführt. Da man die Weite Sibiriens unterschätzt hatte, funktionierte der Kurierdienst in die Hauptstadt nur schlecht. Die Nahrung wurde knapp, so mussten Dorfbewohner auf der Strecke ihre Lebensmittelvorräte abgeben.
Bering ließ Baumaterialien beschlagnahmen und Ureinwohner als Expeditionshelfer zwangsverpflichten. In Ochotsk, einer Siedlung an der sibirischen Ostküste, stellte man zwei Schiffe fertig. 1740 nahm Bering mit einem der Zweimaster Kurs auf Kamtschatka und segelte von da aus wochenlang Richtung Osten. Vor der Kayak-Insel im Golf von Alaska kam es zu einer Auseinandersetzung mit Georg Steller, der unbedingt an Land wollte:
"Bering will ja nur schnell Wasser aufnehmen und schnell weiter, weil er auch sieht, dass der Winter kommt. Aber der Wissenschaftler ist derartig getrieben, dass er Bering erpresst. Er sagt, wenn wir hier nicht Zeit bekommen zur weiteren Forschung, dann melden wir das … an die Zarin."
Bering gewährte Steller einen Tag. Er war inzwischen 60 Jahre alt, krank und zu müde für Auseinandersetzungen. Auf dem Rückweg nach Kamtschatka verlor er bei schwerem Sturm sein Schiff und die Seeleute mussten in einem notdürftig gezimmerten Winterquartier auf einer unbewohnten Insel, die heute Bering-Insel heißt, auf den Frühling warten.
Vitus Bering überlebte den Polarwinter nicht. Er starb am 19. Dezember 1741. Steller notierte:
"Er starb eher an Hunger, Kälte, Durst und Gram als an Skorbut oder einer anderen Krankheit. Von Läusen zerfressen, ging er auf jämmerliche Weise zugrunde."