Himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt! Der Weltklimarat (IPCC) ist jetzt im besten Alter von 30 - und hat beides schon hinter sich:
"Der Friedensnobelpreis 2007 geht an den Zwischenstaatlichen Ausschuss für Klimaänderungen."
2007 ist aber auch das Jahr, in dem der IPCC seinen 4. Weltklimareport veröffentlicht. Und der enthält einige Fehler, wie sich später zeigt. Sie werden wochenlang in der Öffentlichkeit ausgebreitet:
"Die ursprüngliche Überhöhung der Klimaforschung, die sich ausgedrückt hat in dem Nobelpreis für den IPCC, schlägt jetzt in das Gegenteil um."
Der IPCC taumelt in eine Vertrauenskrise, wie Hans von Storch beobachtet, Professor für Meteorologie an der Universität Hamburg. Der kapitalste Fehler: Die Arbeitsgruppe II schreibt im Band über die Folgen der globalen Erwärmung: Die Gletscher im Himalaja könnten schon 2035 verschwunden sein, was natürlich Unfug ist.
"So 'was sollte man sich eigentlich nicht leisten!"
"Prozess der Begutachtung verbessern"
Peter Lemke vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung. Das Problem damals: Arbeitsgruppe I - die eigentlichen Klimaforscher, zu denen auch Lemke zählt - hat Band II nicht gegengelesen. Zusätzliche Kritik ruft das Krisenmanagement des IPCC hervor:
"Das hat zu lange gedauert, bis dieser Fehler akzeptiert wurde."
Später reagiert der IPCC aber doch. Auf einer Plenarsitzung beschließt man Reformen für den kommenden 5. Weltklimabericht. Anwesend damals auch Jean-Pascal van Ypersele, stellvertretender Leiter des IPCC:
"Wir werden den Prozess der Begutachtung verbessern. Und sicherstellen, dass die Arbeitsgruppen künftig stärker zusammenarbeiten. Bedenken Sie aber bitte! Ein Fehler auf einer einzigen von rund tausend Seiten in Teil II bedeutet nicht, dass der ganze Bericht keine solide Wissenschaft mehr darstellt!"
2013 und 2014 erscheint dann der nächste und bisher jüngste Bericht des IPCC, diesmal ohne Turbulenzen. Mehr als 5.000 Seiten hat der Wälzer. Über 3.800 Autoren und externe Gutachter haben daran mitgewirkt - erneut auch Peter Lemke:
"So etwas gibt es nirgendwo sonst. In keinem Bereich der Gesellschaft gibt es solch einen Bericht. Die beste Zusammenstellung des Wissens über das Klimasystem, das wir gegenwärtig haben. Und das galt auch für jeden Bericht davor."
"Wissenschaftlich fundierte und politisch neutrale Grundlagen"
Genau das ist Sinn und Zweck des IPCC seit seiner Gründung vor 30 Jahren: Er soll fortlaufend den wissenschaftlichen Kenntnisstand zum Klimawandel darlegen. Wie stark die Erwärmung fortschreitet, welche Folgen das hat und wie mögliche Gegenmaßnahmen aussehen könnten. Diesen offiziellen Auftrag hat der IPCC seit einer Uno-Vollversammlung Ende 1988. Zu der Zeit leitet der schwedische Meteorologe Bert Bolin den noch jungen Klimarat:
"Der IPCC liefert wissenschaftlich fundierte und politisch neutrale Grundlagen für die Klimaschutzverhandlungen."
Einige der zentralen Aussagen des IPCC sind berühmt geworden. Etwa:
"Die Erwärmung des Klimasystems ist inzwischen unzweideutig."
Oder auch:
"Es gibt einen erkennbaren menschlichen Einfluss auf das globale Klima."
Von Anfang an hat der IPCC das Bewusstsein dafür geschärft, wie groß das Problem ist. Und damit sicher den Abschluss internationaler Verträge befördert wie der Klima-Rahmenkonvention von 1992 oder des Kyoto-Protokolls fünf Jahre später.
Doch eine Kernbotschaft der Klimaforscher ist bis heute nicht richtig angekommen. Bert Bolin formulierte sie schon am Rande des ersten Weltklima-Gipfels in Berlin 1995:
"Ich kann nur empfehlen, dass wir alle möglichst schnell zu Potte kommen! Wenn wir die Emissionen auf einem noch relativ niedrigen Niveau stoppen wollen, dann müssen wirklich alle Länder innerhalb des nächsten Jahrzehnts etwas tun."
Gemeint waren damit die Jahre bis 2010. Doch noch immer geht der globale Ausstoß von CO2 und anderen Treibhausgasen nicht zurück.
Insofern ist die Bilanz nach 30 Jahren Weltklimarat zwiespältig. Ja, der IPCC versorgt die Regierungen der Erde bis heute wie gewünscht mit allen nötigen Fakten über den Klimawandel! Doch die Politik folgt der Wissenschaft nach wie vor zu zögerlich.