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30 Jahre Mauerfall
"Gefühl der Ungerechtigkeit ist Spaltpilz der Gesellschaft"

An der friedlichen Revolution in der DDR hatten evangelische Christen großen Anteil. Der Evangelische Kirchentag in Dortmund greift die Frage nach der Gerechtigkeit zwischen Ost und West heute auf. Empfindungen dazu dürften nicht einfach weggebügelt werden, sagte der Theologe Frank Richter im Dlf.

Kirsten Dietrich im Gespräch mit Christiane Florin |
Einen Tag nach der Grenzöffnung in Berlin feiern tausende Menschen auf, vor und hinter der Berliner Mauer am Brandenburger Tor, aufgenommen am 10. November 1989 auf West-Berliner Seite. Die innerdeutsche Grenze, die das Land seit 1961 geteilt hat, hört praktisch auf zu existieren. Es wird allerdings noch mehrere Wochen dauern, bis auch am Brandenburger Tor, dem Berliner Wahrzeichen, die Mauer für einen Grenzübergang geöffnet wird. | Verwendung weltweit
30 Jahre nach dem Mauerfall ist die Spaltung zwischen Ost und West noch immer spürbar (picture alliance / Peter Zimmermann)
Die Frage nach Gerechtigkeit kann auf sozialen Frieden zielen, aber auch auf soziale Spaltung. Eine Erzählung, die von der Neuen Rechten bedient wird, lautet: Für die anderen ist Geld da, aber für uns, für die gern beschworenen einfachen Leute, wird nicht gerecht ausgeteilt. Gerade im Osten Deutschland verfängt die Rede von den "Abgehängten" und "Ungehörten".
"30 Jahre Mauerfall - wie gerecht geht es zu in der Republik?"
37. Evangelischer Kirchentag, Freitag, 11 Uhr. Westfalenhallen, Halle 2.
Der Theologe, Politiker und DDR-Bürgerrechtler Frank Richter diskutiert darüber auf dem Kirchentag. Er warnt davor, diese Erzählungen zu ignorieren: "Das schnell wegzubügeln und zu sagen, das sei doch nicht relevant, dieses Empfinden, weil doch alles rechtens sei, das halte ich für gefährlich. Das dauerhaft, nachhaltig, tiefgreifende Gefühl, dass es in Gesellschaft ungerecht zugeht, ist Spaltpilz der Gesellschaft."
Frank Richter, ehemaliges Mitglied der "Gruppe der 20", am 08.08.2012 in Dresden.
Der Theologe Frank Richter (picture alliance / Arno Burgi)
Die Theologie könne zur Entgifung des Diskurses beitragen, so Richter: "Theologisch muss man das immer als Verschenkungsgeschichte beschreiben: Gott schenkt Gerechtigkeit, macht uns gut, weil wir seine Geschöpfe sind. Er versetzt uns in die Lage, gut zu sein. Umgekehrt heißt das, dass der so ausgestattete Mensch in der Lage ist, für eine gute und gerechte Gesellschaft zu sorgen und diese Verantwortung dann auch hat. Das ist die Verantwortung, die aus christlichem Glauben erwächst."