Die Sportredaktion des Deutschlandfunks hat intensiv wie keine andere über den Sport in der DDR berichtet. So gelang es etwa dem langjährigen Dlf-Sportredakteur Herbert Fischer-Solms bereits vier Monate nach der Öffnung der innerdeutschen Grenze, ein Interview mit Manfred Ewald zu führen.
Ewald war über Jahrzehnte Chef des Deutschen Turn- und Sportbundes (DTSB), dem Dachverband des DDR-Sports. Der führende Sportfunktionär war auch Mitglied des Zentralkomitees der SED und baute 1973 seinen Einfluss weiter aus: Er wurde auch Präsident des Nationalen Olympischen Komitees der DDR und damit der mächtigste Mann im ostdeutschen Sport.
DDR-Sportfunktionär Manfred Ewald: "Auch ich habe Fehler gemacht"
Kurz vor Ausstrahlung des Interviews im Deutschlandfunk am 11. März 1990 war Manfred Ewald aus dem Bundesvorstand des DTSB ausgeschlossen worden. Auf die Frage, ob er Fehler gemacht habe, antwortete er vier Monate nach dem Mauerfall: "Auch ich habe Fehler gemacht".
Im Gespräch negierte er allerdings auch den Auftrag, die Erfolge des Leistungssports für die internationale Anerkennung der DDR einzusetzen: "Das hat sich einfach ergeben", erklärte Ewald. Zum flächendeckenden systematischen Doping in der DDR fiel in dem zeithistorischen Audiodokument noch kein Wort. Erst nach und nach kam das ganze Ausmaß an die Öffentlichkeit.
Neun Jahre nach dem Mauerfall erhob die Staatsanwaltschaft Anklage gegen Manfred Ewald und den früheren stellvertretenden Leiter des Sportmedizinischen Dienstes der DDR, Manfred Höppner. Der Vorwurf: Mitverantwortung für das Doping minderjähriger Athleten größtenteils ohne deren Wissen. Am 18. Juli 2000 fiel das Urteil vor dem Berliner Landgericht: 22 Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung für Ewald, 18 Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung für Höppner.
Opfer leiden zum Teil bis heute
Manfred Ewald starb am 21. Oktober 2002 an einer Lugenentzündung. Viele Opfer seines Dopingprogramms sind heute schwer krank, leiden unter massiven körperlichen und seelischen Folgen des staatlich verordneten Dopings mit Anabolika. So auch die an Krebs erkrankte Heike Knechtel.
"Wieviele Beweise braucht man noch, dass die DDR ein Unrechtsstaat war?", fragte Knechtel in einem Beitrag von Dlf-Autor Thomas Purschke. "Unwissende Kinder in einer Phase der weiblichen Entwicklung mit leistungssteigernden testosteronhaltigen Mitteln zu verseuchen, ist ein Menschheitsvergehen. Also - ich finde gar keine Worte."
Nur zwei Jahre lang - in der siebten und achten Klasse - war Heike Knechtel auf der Kinder- und Jugendsportschule, dann wurde die Mittelstreckenläuferin aussortiert. Deshalb glaubte sie, dass sie keine Dopingmittel bekommen hatte. Erst durch eine Fernsehdokumentation, 25 Jahre nach dem Mauerfall, wuchs bei ihr die Erkenntnis: Auch sie ist ein Opfer des DDR-Zwangsdopingsystems.
Durch das Dopingopferhilfegesetz des Jahres 2002 bekamen Geschädigte des DDR-Dopings bei entsprechendem Nachweis finanzielle Hilfe.
Rübergemacht: DDR-Fußballnationalspieler Lutz Eigendorf
Leistungssportler waren in der DDR privilegiert. Unter anderem, weil sie zu Wettkämpfen ins Ausland reisen durften. Einige nutzten diese Aufenthalte, um sich in den Westen abzusetzen.
So auch der Fußballnationalspieler Lutz Eigendorf vom Stasi-Club Dynamo Berlin. Im Frühjahr 1979 kehrte er von einem Freundschaftsspiel in Kaiserslautern nicht mehr in die DDR zurück.
Nach einjähriger Sperre hatte Eigendorf im April 1980 seinen ersten Einsatz in der Bundesliga - für den 1. FC Kaiserslautern. Kurz danach gab er Herbert Fischer-Solms und Ernst Dieter Schmickler ein Interview für den Deutschlandfunk.
Knapp drei Jahre nach diesem Interview war Lutz Eigendorf tot. Er hatte sich bei einem schweren Autounfall tödliche Verletzungen zugezogen. Der Unfall war und ist Anlass für Spekulationen. Spätere Aktenfunde belegen: Die DDR Staatssicherheit hatte zahlreiche Spitzel auf den Republikflüchtling und in Stasi-Augen "Verräter" angesetzt. Einer dieser Stasi-Spitzel, die auf Lutz Eigendorf angesetzt waren, war der Sportjournalist Klaus Thiemann. Nach dem Mauerfall arbeitete er für den Springer-Verlag.
Vom eigenen Ehemann bespitzelt: Ellen Thiemann
Thiemann bespitzelte auch seine Frau Ellen und verriet die Fluchtpläne der Familie. Die Folge: Ellen Thiemann kam ins Stasi-Gefängnis nach Berlin Hohenschönhausen. Danach saß sie zweieinhalb Jahre im berüchtigten Frauengefängnis Hoheneck.
Dass ihr Mann ein hochkarätiger Stasi-Spitzel war, erfuhr Ellen Thiemann erst nach dem Mauerfall - aus Stasiakten, die nach und nach auftauchten.
Die Erkenntnisse aus der Einsicht in diese Unterlagen fasste die Journalistin und Autorin in mehreren Büchern zusammen. Im Deutschlandfunk-Gespräch mit Herbert Fischer-Solms am 17. Januar 2011 erklärte Ellen Thiemann über ihren Ex-Mann, den Stasi-Spitzel "IM Mathias": "Die Akten beweisen, er hat engste Freunde verraten, er hat Kollegen beschnüffelt, ist in deren Schränke eingebrochen. Und er hat im Westen wie im Osten Sportreporter, Trainer und Fußballmannschaften bespitzelt."
Ellen Thiemann verstarb 2018 im Alter von 81 Jahren.