Jede Bewegung hat ihre Anführer: Der 21-jährige Wu’er Kaixi steht in einem olivgrünen Hemd vor tausenden Studenten in Peking. Das Megaphon schwenkt er mit der rechten Hand auf und ab. Es ist der 20. April 1989. Wu’er Kaixi gehört zu den wichtigsten Wortführern der pro-demokratischen Studentenbewegung in China. Heute, 30 Jahre später, lebt er in Taiwan. In einem Café an der National-Universität in Taipeh guckt er die Szenen von damals auf einem Tabletcomputer.
"Das war ganz am Anfang der Studentenproteste, wir hatten es mit der Brutalität der Polizei zu tun. Deshalb waren wir wütend. Und das rufe ich hier auch durch das Megaphon. Das führte dann zu der Forderung der Studenten, dass die Regierung die Polizei für ihre Brutalität bestrafen müsse. Damals habe ich noch nicht geahnt, dass das im Vergleich zu dem, was später passierte, nichts war."
"Das war ganz am Anfang der Studentenproteste, wir hatten es mit der Brutalität der Polizei zu tun. Deshalb waren wir wütend. Und das rufe ich hier auch durch das Megaphon. Das führte dann zu der Forderung der Studenten, dass die Regierung die Polizei für ihre Brutalität bestrafen müsse. Damals habe ich noch nicht geahnt, dass das im Vergleich zu dem, was später passierte, nichts war."
Genaue Opferzahl ist weiter unklar
Nur wenige Wochen später, in der Nacht vom 3. auf den 4. Juni 1989, schlägt das chinesische Militär die prodemokratischen Proteste in Peking brutal und blutig nieder. Rund um den Platz des Himmlischen Friedens töten Soldaten der chinesischen Volksbefreiungsarmee mit Maschinengewehren und Panzern mehrere hundert, vermutlich sogar tausende Menschen. Die genaue Zahl der Opfer ist bis heute unklar.
"Wir dachten, dass sie mit einem Polizeiknüppel kommen würden, dass sie uns niederknüppeln würden. Dass sie uns ins Gefängnis werfen. Dass es Verletzte gibt, vielleicht Tote. Das haben wir diskutiert. Aber dann ein Massaker an hunderten, wenn nicht tausenden Leuten ist etwas, dass sich niemand in China damals hätte vorstellen können."
"Wir dachten, dass sie mit einem Polizeiknüppel kommen würden, dass sie uns niederknüppeln würden. Dass sie uns ins Gefängnis werfen. Dass es Verletzte gibt, vielleicht Tote. Das haben wir diskutiert. Aber dann ein Massaker an hunderten, wenn nicht tausenden Leuten ist etwas, dass sich niemand in China damals hätte vorstellen können."
Demonstrationen und Hungerstreik brachten nichts
Die Ereignisse prägen das Leben des damaligen Studentenführers Wu’er Kaixi. "Wir sind Überlebende eines Massakers. Und wenn Du etwas in dieser Dimension seit 30 Jahren reflektierst, kannst Du das nicht tun, ohne dabei auch Deine eigene Rolle zu bewerten. Du kannst nicht ausschließen, dass es Studenten gab, die zum Platz des Himmlischen Friedens oder auf die Chang’an Avenue kamen, die protestierten und dann getötet wurden, weil sie zuvor Deine Rede gehört hatten. Meine Rolle in der Studentenbewegung könnte im direkten Zusammenhang mit ihrem Tod stehen."
Hunderttausende Demonstranten ziehen 1989, im Frühling der Demokratie, wochenlang durch Peking und andere Städte in China: Studenten, Arbeiter, Staatsangestellte. Wu’er Kaixi verhandelt als Vertreter der Protestbewegung am 18. Mai 1989 mit dem damaligen chinesischen Premierminister Li Peng. "Wir treffen den Premier, das ist der Kopf der Regierung, endlich! Wir hatten die Hoffnung, dass wir etwas erreichen nach den Massendemonstrationen, Massenbelagerungen und dem Hungerstreik der Massen."
Hunderttausende Demonstranten ziehen 1989, im Frühling der Demokratie, wochenlang durch Peking und andere Städte in China: Studenten, Arbeiter, Staatsangestellte. Wu’er Kaixi verhandelt als Vertreter der Protestbewegung am 18. Mai 1989 mit dem damaligen chinesischen Premierminister Li Peng. "Wir treffen den Premier, das ist der Kopf der Regierung, endlich! Wir hatten die Hoffnung, dass wir etwas erreichen nach den Massendemonstrationen, Massenbelagerungen und dem Hungerstreik der Massen."
In Peking werden zu dieser Zeit über 2.400 Hungerstreikende in Krankenhäusern behandelt, auch der 21-jährige Wu‘er Kaixi. Zum Treffen mit Chinas Regierungschef erscheint er im Krankenhaus-Anzug. Aber trotz Massendemonstrationen und Hungerstreik: Die politische Führung in Peking zeigt sich kompromisslos. "Das Treffen endete völlig anders, als wir uns erhofft hatten. Leider war das der Moment der Studentenbewegung von 1989, an dem wir einem Erfolg am nächsten waren. Von da an ging es in die andere Richtung. Direkt im Anschluss daran verhängte die chinesische Regierung das Kriegsrecht. Peking war im Ausnahmezustand."
Nach der blutigen Eskalation am 4. Juni wird im chinesischen Staatsfernsehen die Fahndungsliste der meist gesuchten Personen verlesen. Wu’er Kaixi steht an zweiter Stelle. Er muss China verlassen und flieht über Paris und Hongkong in die USA. Dort studiert er an der Harvard Universität und zieht später nach Taiwan. Im Exil heiratet er und gründet eine Familie. Für die Volksrepublik China bleibt er Staatsfeind und Persona non grata. Er darf das Land bis heute nicht betreten.
"Ich habe meine Eltern seit 30 Jahren nicht gesehen. Ich kann nicht nach China einreisen, und auch meinen Eltern wird die Ausreise verweigert, obwohl sie nichts getan haben. Das ist die Realität, mit der ich mich auseinandersetzen muss. Und es ist es hart, damit zu leben. Man muss es irgendwie benennen. Ich nenne es Heimweh."
Wu’er Kaixi hat jetzt länger in der demokratischen Inselrepublik Taiwan gelebt als seine ersten 21 Lebensjahre in der Volksrepublik. Er arbeitet in Taiwans Hauptstadt Taipeh als politischer Kommentator, Filmemacher und Dozent und hat auch schon als Abgeordneter kandidiert.
In China ist das Massaker von 1989 weiterhin tabu. Keine Zeitung greift es auf, niemand redet darüber, an den Universitäten und in den Schulbüchern finden die Ereignisse nicht statt. Im Internet sind sämtliche Suchbegriffe dazu blockiert, auch der Name Wu’er Kaixi.
"Wenn man nach meinem Namen sucht, zum Beispiel in der Suchmaschine Baidu, der chinesischen Version von Google, dann existiere ich nicht. Die chinesische Regierung hat entschieden, mein Gesicht aus der Geschichte zu tilgen. Aber wenn sie so sicher sind, dass sie auf der richtigen Seite der Geschichte stehen, warum sagen sie das nicht? Stattdessen herrscht das große Schweigen. Sie verbieten den Menschen, darüber zu nachzudenken, zu reden, sogar sich daran zu erinnern."
"Wohlstand statt Freiheit"
Die Kommunistische Partei Chinas hat das große Vergessen verordnet. Sie will die pro-demokratische Protestbewegung und das Massaker von 1989 aus der kollektiven Erinnerung streichen. Für Wu’er Kaixi dagegen bleibt der 4. Juni 1989 auch 30 Jahre später ein Auftrag, weiterzumachen.
"Wenn man alles durchdenkt, kommt zunächst das Schuldgefühl, ein Überlebender zu sein. Das wird man nicht so einfach los. Aber ich habe einen Weg gefunden, damit zu leben, indem ich versuche, die Träume der Opfer von 1989 wahr werden zu lassen. Um dann, wenn ich sie irgendwann im Himmel treffen sollte, zu sagen: Ich habe nie aufgehört, Verantwortung zu übernehmen. Ich habe die unvollendete Sache, die wir gemeinsam begonnen haben, nie aufgegeben."
Der Einsatz für Demokratie und Bürgerrechte, das Engagement für die Zivilgesellschaft – für den ehemaligen Studentenführer Wu’er Kaixi bleibt das die Konsequenz aus der chinesischen Geschichte von 1989.
"Wenn man alles durchdenkt, kommt zunächst das Schuldgefühl, ein Überlebender zu sein. Das wird man nicht so einfach los. Aber ich habe einen Weg gefunden, damit zu leben, indem ich versuche, die Träume der Opfer von 1989 wahr werden zu lassen. Um dann, wenn ich sie irgendwann im Himmel treffen sollte, zu sagen: Ich habe nie aufgehört, Verantwortung zu übernehmen. Ich habe die unvollendete Sache, die wir gemeinsam begonnen haben, nie aufgegeben."
Der Einsatz für Demokratie und Bürgerrechte, das Engagement für die Zivilgesellschaft – für den ehemaligen Studentenführer Wu’er Kaixi bleibt das die Konsequenz aus der chinesischen Geschichte von 1989.
"Das, was die Studenten 1989 angefangen haben, hatte großartige Resultate in anderen Teilen der Welt. Allen voran in Deutschland: der Fall der Berliner Mauer, die Wiedervereinigung. China aber hat nach dem Massaker von 1989 eine drastische Kehrtwende in seiner Entwicklung eingeschlagen. Deng Xiaoping kam und hat eine Art Vertrag mit der Bevölkerung geschlossen. Für die bedingungslose Kooperation mit der Regierung bekamen die Menschen im Gegenzug wirtschaftlich Freiheit."
Die Formel "Wohlstand statt Freiheit". Darauf setzt die kommunistische Führung nach 1989. Und wenn sie heute auf die Demokratie- und Protestbewegung angesprochen werden, antworten Chinas Parteikader stets ausweichend. So wie hier Hua Chunying, Sprecherin des chinesischen Außenministeriums: "Die chinesische Regierung hat den "politischen Sturm", der sich Ende der 1980er-Jahre in China ereignet hat, bereits abschließend bewertet. Ebenso alle damit zusammenhängenden Probleme."
"Politischer Sturm" oder "Zwischenfall". Das sind gängige Formulierungen, die Chinas Staats- und Parteiführung verwendet, wenn sie über die gewaltsame Niederschlagung der Demokratiebewegung spricht. Auf die Toten und Verletzten und die Forderungen der Demonstranten von damals geht sie nicht ein. Eine offene Aufarbeitung findet nicht statt. Die Kommunistische Partei Chinas spricht lieber über die wirtschaftlichen Erfolge der vergangenen Jahrzehnte, statt über ihre Verantwortung für das, was im Juni 1989 in ihrem Namen in Peking geschah. "In den vergangenen 30 Jahren, seit Beginn der Öffnungs- und Reformpolitik, hat China beachtliche wirtschaftliche und soziale Erfolge erzielt. Diese werden weltweit anerkannt. Das beweist, dass der von uns eingeschlagene Weg des "Sozialismus mit chinesischen Merkmalen" gut passt zu unseren nationalen Gegebenheiten. Und es beweist auch, dass dieser Weg dem Wunsch aller Chinesen entspricht."
Vom Demonstranten zum Firmenchef
Nicht alle Studenten-Aktivisten von damals haben China nach dem 4. Juni 1989 verlassen. Einer von ihnen lebt heute in der chinesischen Provinz Innere Mongolei. Er hat von der Formel "Wohlstand statt Freiheit" profitiert.
Zhang Wei ist ein erfolgreicher Geschäftsmann. Er hat einiges erreicht in den vergangenen Jahrzehnten. Sein mittelständisches Handels-Unternehmen beschäftigt mehr als 100 Menschen. Sein Alter sieht man dem 50-jährigen Geschäftsmann nicht an. Er ist schlank, gut in Form und sportlich-elegant gekleidet. Zhang Weis Firma residiert in einem weitläufigen Bürogebäude in einer kleinen Stadt in der chinesischen Provinz Innere Mongolei. Beim Gang durch sein Büro zeigt er stolz ein Regal, in dem er einige Preise und Trophäen aufgereiht hat, die sein Unternehmen in den vergangenen Jahren bekommen hat.
Zhang Wei ist ein erfolgreicher Geschäftsmann. Er hat einiges erreicht in den vergangenen Jahrzehnten. Sein mittelständisches Handels-Unternehmen beschäftigt mehr als 100 Menschen. Sein Alter sieht man dem 50-jährigen Geschäftsmann nicht an. Er ist schlank, gut in Form und sportlich-elegant gekleidet. Zhang Weis Firma residiert in einem weitläufigen Bürogebäude in einer kleinen Stadt in der chinesischen Provinz Innere Mongolei. Beim Gang durch sein Büro zeigt er stolz ein Regal, in dem er einige Preise und Trophäen aufgereiht hat, die sein Unternehmen in den vergangenen Jahren bekommen hat.
"Das hier ist eine Auszeichnung, die wir von einem japanischen Mode-Konzern bekommen haben, für herausragende Verkaufszahlen in der Provinz Innere Mongolei." Zhang Wei heißt in Wirklichkeit anders. Seinen echten Namen im Radio zu nennen könnte gefährlich sein für ihn. Denn das Thema, über das er sprechen möchte, ist heikel. Obwohl inzwischen 30 Jahre vergangenen sind seit der gewaltsame Niederschlagung der chinesischen Demokratiebewegung.
Zhang Weis Biografie ist ein Beleg dafür, dass die chinesische Demokratiebewegung Ende der 80er-Jahre nicht nur in Peking aktiv war. Auch, wenn Chinas Führung diese Tatsache heute mehr denn je versucht zu verschleiern. Die Demonstrationen, Streiks und Protestaktionen von vor 30 Jahren waren eine landesweite Massenbewegung. Millionen von Menschen gingen damals auf die Straßen, in ganz China und über Wochen hinweg. Zhang Wei, der Geschäftsführer aus der Inneren Mongolei, war damals einer der Demonstranten. Er erinnert sich noch gut daran, wie es damals losging, im Frühjahr 1989. Er war zu dieser Zeit Sportstudent.
"Ich weiß noch, wir waren gerade beim Volleyball-Training und wir hörten plötzlich eine Menge Lärm von draußen, vom Campusgelände. Nach dem Training sah ich sie dann: Studenten, die Reden hielten und die sich zum Beispiel über das schlechte Kantinen-Essen beschwerten."
Doch beim Ruf nach besserer Verpflegung an der Uni blieb es nicht. So wie in anderen Städten auch forderten Zhang Wei und seine Kommilitonen schon bald mehr: eine Bestrafung korrupter Parteikader etwa. Und vor allem: mehr Mitbestimmung und echte Demokratie in China. "Ich war damals der Fahnen-Träger bei den Uni-Sportveranstaltungen. Und so war ich dann auch bei unserem Protest-Marsch ins Stadtzentrum derjenige, der mit der Fahne vorneweg lief. Wir waren nicht nur Studenten, viele Menschen schlossen sich uns an. Und als wir zurück auf den Campus kamen, hatten die Professoren uns Essen vorbereitet. Richtig viele ganz normale Bürger unterstützten uns. Sie sahen sich unsere Reden an und sie machten uns Studenten Mut. Sie applaudierten und griffen unsere Slogans auf."
Abreise kurz vor Massaker
30 Jahre nach den Geschehnissen von damals sitzt der frühere Student und heutige Firmenchef Zhang Wei an einem Konferenztisch in seinem Büro und erzählt: ruhig, fast abgeklärt, aber dennoch emotional. Letzteres vor allem dann, wenn er davon berichtet, wie er und einige Freunde sich im April aufmachten nach Peking. Dort campierten auf dem zentralen Tiananmen-Platz, dem "Platz am Tor des Himmlischen Friedens", bereits zigtausende Demonstranten in Zelten und unter freiem Himmel.
"Irgendwann bekamen wir tatsächlich Fahrkarten für den Nachtzug nach Peking. Und ich weiß noch: Als wir einstiegen, räumte ein Mann freiwillig sein Schlafwagen-Abteil für uns. Er arbeitete bei irgendeiner Behörde und er sagte uns: Hier, bitteschön, nehmt mein Abteil, und hier habt Ihr auch noch zwei Packungen Zigaretten. Geht auf den Tiananmen-Platz in Peking und skandiert bitte ein paar Slogans für mich mit. Der Mann war nämlich selbst auch sehr unzufrieden."
Einige Wochen lang campierten auch Zhang Wei und seine Mitstreiter auf dem Tiananmen-Platz. Am 2. Juni - also zwei Tage, bevor Chinas Staats- und Parteiführung Panzer und Soldaten auf die Protestierenden losschickte - fuhr er zurück in seine Heimat. Dass Zhang damals nach Hause fuhr, statt auf dem Platz zu bleiben, das hat ihm möglicherweise das Leben gerettet. Doch zurück an seiner Uni engagierte er sich weiter politisch, sehr zum Argwohn seines Vaters, wie er sich erinnert.
"Er wollte nicht, dass ich dort mitmache. Aber als ich darauf bestand, sagte er mir, dass er mich verstehe, weil er ja auch einmal jung gewesen sei. Er warnte mich aber vor möglichen Konsequenzen. Vor allem nach dem 4. Juni, nach der blutigen Niederschlagung in Peking, sagte er mir: Junge, zieh‘ Deine guten Sportschuhe an, damit Du schnell weglaufen kannst, wenn sie Dich verhaften wollen."
"Er wollte nicht, dass ich dort mitmache. Aber als ich darauf bestand, sagte er mir, dass er mich verstehe, weil er ja auch einmal jung gewesen sei. Er warnte mich aber vor möglichen Konsequenzen. Vor allem nach dem 4. Juni, nach der blutigen Niederschlagung in Peking, sagte er mir: Junge, zieh‘ Deine guten Sportschuhe an, damit Du schnell weglaufen kannst, wenn sie Dich verhaften wollen."
Von Politik profitiert
Zhang Wei wurde nicht verhaftet. Heute ist der nordchinesische Geschäftsmann sichtlich stolz auf sein politisches Engagement von damals. Einerseits. Andererseits betont er auch:
"Damals war ich 20, heute bin ich 50. Ich bin weiser geworden mit den Jahren und habe viel nachgedacht und viel gelesen. Was mir dabei klar wurde: Meine Generation hat wie keine zweite von der Politik der chinesischen Staats- und Parteiführung profitiert. Dafür bin ich zutiefst dankbar."
Im Gespräch mit Zhang Wei wird deutlich: Er versucht nachzuvollziehen, warum Chinas Staats- und Parteiführung die Proteste damals gewaltsam und blutig beendete. "Ja, die Studentenproteste haben der Regierung eine Menge Scherereien bereitet. Sie wusste damals nicht, wie sie damit umgehen soll. Aber: Die Führung hätte anders handeln können. Nichts rechtfertigt den Einsatz von Panzern in den Straßen Pekings. Das werden wir niemals verzeihen."
Der frühere Studenten-Aktivist und heutige Geschäftsmann Zhang ist hin- und hergerissen. Einerseits verdanke er seine Karriere der Wirtschaftspolitik der Staatsführung, wie er sagt. Andererseits wünscht er sich Aufklärung über das, was vor 30 Jahren in der chinesischen Hautstadt passierte und so viele Menschen das Leben kostete.
"Überall werden Fehler gemacht. Parteien und Regierungen sind keine Ausnahmen. Es tut weder unserem Land, noch der Regierung, noch der Gesellschaft oder sonst wem gut, dass das alles bisher nicht aufgearbeitet wurde. Es wäre ein Zeichen der Stärke, wenn die chinesische Regierung ihre Fehler zugäbe."
"Damals war ich 20, heute bin ich 50. Ich bin weiser geworden mit den Jahren und habe viel nachgedacht und viel gelesen. Was mir dabei klar wurde: Meine Generation hat wie keine zweite von der Politik der chinesischen Staats- und Parteiführung profitiert. Dafür bin ich zutiefst dankbar."
Im Gespräch mit Zhang Wei wird deutlich: Er versucht nachzuvollziehen, warum Chinas Staats- und Parteiführung die Proteste damals gewaltsam und blutig beendete. "Ja, die Studentenproteste haben der Regierung eine Menge Scherereien bereitet. Sie wusste damals nicht, wie sie damit umgehen soll. Aber: Die Führung hätte anders handeln können. Nichts rechtfertigt den Einsatz von Panzern in den Straßen Pekings. Das werden wir niemals verzeihen."
Der frühere Studenten-Aktivist und heutige Geschäftsmann Zhang ist hin- und hergerissen. Einerseits verdanke er seine Karriere der Wirtschaftspolitik der Staatsführung, wie er sagt. Andererseits wünscht er sich Aufklärung über das, was vor 30 Jahren in der chinesischen Hautstadt passierte und so viele Menschen das Leben kostete.
"Überall werden Fehler gemacht. Parteien und Regierungen sind keine Ausnahmen. Es tut weder unserem Land, noch der Regierung, noch der Gesellschaft oder sonst wem gut, dass das alles bisher nicht aufgearbeitet wurde. Es wäre ein Zeichen der Stärke, wenn die chinesische Regierung ihre Fehler zugäbe."
"Über Geschehnisse zu sprechen ist unsere nationale Pflicht"
Biografien wie die von Zhang Wei gibt es in China hunderttausendfach. Männer und Frauen, die Ende der 1980er als junge Menschen an eine politische Öffnung des Landes glaubten, sich engagierten und auf politische Reformen hofften. Die am 4. Juni und in den Wochen danach aber jäh aus ihren Träumen gerissen wurden und trotzdem weitermachen mussten. Heute hat Zhang eine Tochter, die selbst Studentin ist. Auch, wenn sie sich – wie er sagt – kaum für das interessiert, was vor 30 Jahren passiert ist, will er die Erinnerung an die Wochen von damals lebendig halten.
"Über die Geschehnisse damals zu sprechen ist unsere nationale Pflicht. Aber wer tut es denn schon? Die Regierung aus welchen Gründen auch immer jedenfalls nicht. Jeder Einzelne sollte aber darüber sprechen. Das ist riskant. Aber als jemand, der damals dabei war und heute 50 ist, fühle ich mich verpflichtet, darüber zu sprechen. Für mich und für meine Tochter. So lange dieses Kapitel nicht geschlossen werden kann, wird diese Regierung nicht respektiert werden von den Menschen."
"Über die Geschehnisse damals zu sprechen ist unsere nationale Pflicht. Aber wer tut es denn schon? Die Regierung aus welchen Gründen auch immer jedenfalls nicht. Jeder Einzelne sollte aber darüber sprechen. Das ist riskant. Aber als jemand, der damals dabei war und heute 50 ist, fühle ich mich verpflichtet, darüber zu sprechen. Für mich und für meine Tochter. So lange dieses Kapitel nicht geschlossen werden kann, wird diese Regierung nicht respektiert werden von den Menschen."