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30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich

Eine 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich fordert ein breites Bündnis aus Wissenschaftlern, Politikern, Gewerkschaftern und Publizisten. Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit in Europa soll damit die Debatte über kürzere Arbeitszeiten wieder in Gang gebracht werden.

Von Stefan Maas |
    Ihr Vorschlag – die 30-Arbeitsstunden-Woche einzuführen, könne helfen, die Arbeitslosigkeit in Europa zu bekämpfen, sind die rund 100 Wissenschaftler, Politiker und Gewerkschafter überzeugt, die den offenen Brief unterschrieben haben. Darin heißt es: Es sei wichtig, - Zitat- "dem Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit höchste wirtschaftliche und politische, soziale und humanitäre Priorität einzuräumen". Ein Mittel dazu: die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich.

    "Es ist deshalb wichtig, weil die Produktivitätsraten schon seit den 60er-Jahren, das wissen die wenigsten, größer sind als die realen Wirtschaftswachstumsraten. Und das bedeutet, dass das Arbeitsvolumen rückläufig ist. Und wenn man dann Beschäftigung halten will und nicht in Arbeitslosigkeit enden will, dann muss man die Arbeitszeit verkürzen, da gibt es gar keine Alternative","

    erklärt der Mitinitiator des Briefs, der Gelsenkirchener Wirtschaftswissenschaftler Heinz-Josef Bontrup. Über einen Zeitraum von fünf Jahren sollten die Arbeitsstunden der Vollzeitbeschäftigten langsam auf 30 gesenkt und die der nicht oder nur gering Beschäftigten auf dieselbe Zahl angehoben werden. Für die Firmen sei das weitgehend kostenneutral und die Beschäftigten würden von dieser Arbeitszeitverkürzung profitieren:

    ""Und sonst werden die Gewerkschaften übrigens auch die Löhne nicht mehr wieder nach oben bringen. Wir haben überall einen Lohnverfall. Die Beschäftigten partizipieren seit Jahrzehnten nicht mehr an der realen Entwicklung. Und das hat nur eine Ursache: nämlich Massenarbeitslosigkeit. Weil der Faktor Arbeit eben nicht knapp ist, dann verfällt der Lohn. Das ist eigentlich erstes Semester."

    Anders als von der Politik dargestellt, sei die offizielle Arbeitslosenzahl von rund drei Millionen kein Erfolg, sagt Bontrup. Die Zahl der Jobs sei in Deutschland in den vergangenen Jahren zwar gestiegen, doch hätten besonders prekäre Arbeitsverhältnisse zugenommen. Dort reiche der Lohn oft nicht aus, um den Lebensunterhalt zu sichern. An dieser Entwicklung trügen auch die Gewerkschaften Mitschuld:

    "Das ist genau die Katastrophe. Das klagen wir ja an, dass die Gewerkschaftsspitzen auf ganzer Ebene völlig versagen, dass sie meinen, sie könnten die Löhne nach oben bringen, ohne vorher die Arbeit zu verknappen."

    Ebenso wie die Arbeitgeber reagierten einige Gewerkschaften sehr zurückhaltend auf den Brief und erklärten auf Anfrage, man wolle sich zunächst nicht äußern.

    "Grundsätzlich ist das eine richtige Forderung","

    sagt ver.di-Sprecher Christoph Schmitz. Die Gewerkschaft sehe sich aber einem noch drängenderen Problem gegenüber. Dem Versuch vieler Firmen, die Arbeitszeit immer weiter hochzutreiben:

    ""Unser erstes Ziel ist es bereits schon seit einigen Jahren, die bereits erkämpften Arbeitszeitverkürzungen zu verteidigen."

    Zum Beispiel in der Druckindustrie. Dort habe man es geschafft, an der 35-Stunden-Woche festzuhalten. Ein weiteres Problem sei die erzwungene Teilzeit beispielsweise im Einzelhandel. Dort gebe es oft keine Vollzeitstellen mehr, weil die Firmen auf diesem Wege das Personal flexibler einsetzen könnten.

    "Ich dachte erst, es handele sich um einen Rosenmontagsscherz."

    Für den arbeitsmarktpolitischen Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Johannes Vogel, ist der Vorschlag 30-Wochen-Stunden bei vollem Lohnausgleich kein geeigneter Weg, um den Problemen auf dem Arbeitsmarkt zu begegnen:

    "weil es ja Konzepte sind, die in den vergangenen Jahrzehnten schon probiert wurden in Deutschland, wo man ja zu Recht von abgegangen ist. Aus guten Gründen."

    Frankreich, wo es eine niedrigere Wochenarbeitszeit gebe, sei ein Beispiel dafür, dass diese Länder wirtschaftlich größere Probleme hätten als Deutschland.