Fast romantisch schön beginnt die Ballettmusik des Amerikaners Aaron Copland, komponiert gegen Ende des Zweiten Weltkriegs, mit dem Pulitzer Preis 1945 ausgezeichnet. Sogar der Titel des Balletts "Appalachian Spring" klingt poetisch, und die Orchestersuite daraus blieb Coplands populärste Musik. Einer der ersten, der sie dirigierte, war der 27 Jahre alte Leonard Bernstein, ein Freund des Komponisten. Von dieser Musik völlig hingerissen, schrieb Bernstein Copland einen temperamentvollen Brief.
"Irgendwie gelingt es mir, etwas von jener unglaublichen Standfestigkeit von Dir zu übernehmen, jener tiefen Gelassenheit. Es ist wirklich erstaunlich, wie sich mit der letzten Seite die Wolken emporheben. Und schon fühle ich mich besser. Gott sei Dank gibt es Dich."
Standfestigkeit! Gelassenheit! - Leonard Bernstein wusste, wie beharrlich Aaron Copland seine künstlerischen Ziele verfolgte – für eine Musik, die die kulturelle Vielfalt Nordamerikas ausdrückt, mit Klängen aus Country Music, Jazz, Tänzen und Märschen – das klassische Erbe Europas inbegriffen. Copland, Sohn einer jüdischen Familie litauischer Herkunft, geboren im Jahr 1900 in New York, hatte sich früh aufs Klavier gestürzt, er spielte bei Hochzeiten und Familienfesten, schrieb Songs. Der 15-Jährige beschloss, Komponist zu werden.
Musik Copland, Rodeo,1. Satz
(New York Philharmonic, L. Bernstein – Sony 63082)
(New York Philharmonic, L. Bernstein – Sony 63082)
Ermittlungen des FBI
Mit 21 ging Aaron Copland nach Paris, um Schüler der berühmten Musikologin und Dirigentin Nadia Boulanger zu werden. Mit intellektuellem Charme führte ihn die strenge Lehrerin auf den Weg in die alte - und eine neue - Musikkultur, die europäische Moderne. Copland sympathisierte damals mit Russlands Oktoberrevolution, die musikalischen und politischen Avantgarden betörten ihn. Der New Yorker Kritiker Alex Ross hat das so zusammengefasst.
"In den 30er und 40er-Jahren rückte Aaron Copland als Verkörperung der populistischen linken Kultur Amerikas in den Vordergrund."
Für Bernstein einer der überzeugendsten Komponisten Nordamerikas
Copland war kein Mitglied der Kommunistenpartei Amerikas, doch gegen ihn ermittelte in den 50ern das FBI der McCarthy-Herrschaft. Der Patriot Copland siegte, er bekam sogar die Freiheitsmedaille des Präsidenten. Der Dirigent Serge Koussevitzky in Boston war nach den Parisjahren sein Mentor und Förderer geworden. Viele Orchesterstücke entstanden. Er komponierte Ballette wie "Rodeo" oder "Billy the Kid", er tauchte in die Filmmusik ein. Copland träumte von einer Verschmelzung der Stile in einer Musikweltsprache. Als er 1963 Gast in Berlin war, verabredete sich der Kritiker Hans Heinz Stuckenschmidt mit ihm vor dem Mikrophon.
"We are now going to have a music which will include all styles in a kind of all national styles, in a kind of super national styles, international styles ...
... und zweifellos, sagte Herr Copland, sind wir augenblicklich in einer Situation eines maximal internationalen musikalischen Denkens, wie ja übrigens wohl nicht nur in der Musik, sondern auch in der Literatur, in der bildenden Kunst."
Darum hatte Copland in dem genialen Dirigenten und Komponisten Leonard Bernstein den idealen, den glühenden Vermittler seiner Musik gefunden. Bernstein beglaubigte am Dirigentenpult über Jahrzehnte hin, dass Copland, der am 2. Dezember 1990 starb, im selben Jahr übrigens wie Bernstein, einer der überzeugendsten Komponisten Nordamerikas gewesen ist.