Dass dieser Sohn eines armen Schusters einmal als Begründer der Kunstwissenschaft und der europäischen Kunstgeschichte in die Annalen eingehen würde, wurde ihm wahrlich nicht an der Wiege gesungen. Über die Anfänge des am 9. Dezember 1717 zur Welt gekommenen Johann Joachim Winckelmann schrieb Goethe:
"Er war dreißig Jahr alt geworden, ohne irgendeine Gunst des Schicksals genossen zu haben."
Tatsächlich hatte sich Winckelmann seinen Schulbesuch selbst finanziert, indem er die winzige Bibliothek der Schule verwahrte und seinem blinden Schulrektor vorlas.
"Er war dreißig Jahr alt geworden, ohne irgendeine Gunst des Schicksals genossen zu haben."
Tatsächlich hatte sich Winckelmann seinen Schulbesuch selbst finanziert, indem er die winzige Bibliothek der Schule verwahrte und seinem blinden Schulrektor vorlas.
Griechische Sprache und Kunst begeisterten ihn von Jugend auf. Das abgebrochene Theologiestudium und die quälenden Jahre als Lehrer versüßte er sich durch akribische Lektüre antiker Literatur.
Dem Geheimnis der Schönheit auf der Spur
In seinem 31. Lebensjahr lachte ihm das Glück in Gestalt einer Anstellung in der damals berühmten Schlossbibliothek von Nöthnitz bei Dresden. Der Umgang mit Künstlern und Kunstkennern in der sächsischen Metropole entzündeten in dem schwärmerischen Winckelmann die Lust, dem Geheimnis der Schönheit in der Kunst auf die Spur zu kommen.
"Im Jahr 1755 veröffentlichte er seine 'Gedanken über die Nachahmung der griechischen Werke in der Malerei und Bildhauerkunst'. Für ihn ist der einzige Weg, unnachahmliche Kunstwerke zu schaffen, die Nachahmung der alten Griechen."
Bernhard Fischer ist Direktor des Goethe- und Schiller-Archivs in Weimar und erforscht die Kunstideen der Goethezeit.
"Winckelmann war überzeugt: Es gibt ein immer gültiges Ideal, das über die Schönheit eines Kunstwerks entscheidet. Und dieses Ideal schöner Natur hat die griechische Kunst des
5. Jahrhunderts vor Christus verwirklicht."
"Im Jahr 1755 veröffentlichte er seine 'Gedanken über die Nachahmung der griechischen Werke in der Malerei und Bildhauerkunst'. Für ihn ist der einzige Weg, unnachahmliche Kunstwerke zu schaffen, die Nachahmung der alten Griechen."
Bernhard Fischer ist Direktor des Goethe- und Schiller-Archivs in Weimar und erforscht die Kunstideen der Goethezeit.
"Winckelmann war überzeugt: Es gibt ein immer gültiges Ideal, das über die Schönheit eines Kunstwerks entscheidet. Und dieses Ideal schöner Natur hat die griechische Kunst des
5. Jahrhunderts vor Christus verwirklicht."
Im Vatikan - dem Paradies der Antikenforscher
Winckelmanns Gedanken machten ihn rasch berühmt. Sein Stil ist tiefgründig, klar und, nach antikem Vorbild, reich geschmückt mit Zitaten aus der Poesie – so schön hatte noch keiner in deutscher Sprache über Kunst geschrieben. Der Gesandte des Papstes am sächsischen Hof lockte ihn ins Paradies der Antikenforscher - nach Rom. Kurz nach seiner Ankunft schreibt Winckelmann:
"Man siehet in vielen Gärten die Pomeranzen an den Bäumen hängen. Ein gewisser Wein (…) riechet und schmecket nach (…) balsamischen Sachen (…). Meine größte Delikatesse sind Broccoli."
Bald stieg er vom Bibliothekar zum Aufseher über die vatikanischen Antikensammlungen auf. Endlich konnte er seine geliebten Skulpturen im Original betrachten. Er vermaß ihre Proportionen und studierte ihre Konturen, widmete sich den handwerklichen Aspekten - und auf seinen Reisen zu den Ausgrabungsstätten in Sizilien bildete er sich zum Begründer der wissenschaftlichen Archäologie heran.
Bald stieg er vom Bibliothekar zum Aufseher über die vatikanischen Antikensammlungen auf. Endlich konnte er seine geliebten Skulpturen im Original betrachten. Er vermaß ihre Proportionen und studierte ihre Konturen, widmete sich den handwerklichen Aspekten - und auf seinen Reisen zu den Ausgrabungsstätten in Sizilien bildete er sich zum Begründer der wissenschaftlichen Archäologie heran.
Wissenschaftler, Kunstfreund und Essayist
Mit seiner 1764 erschienenen "Geschichte der Kunst des Altertums" wurde er zum unumstrittenen Haupt der europäischen Kunsthistoriker. In ihm verband sich das klassifizierende Auge des Wissenschaftlers mit dem lustvollen Blick des Kunstfreundes und dem zugleich tiefsinnigen und eleganten Essayisten.
"Die höchste Schönheit ist in Gott (…). Dieser Begriff der Schönheit ist ein aus der Materie durchs Feuer gezogener Geist, welcher sich suchet ein Geschöpf zu zeugen (…) nach dem Ebenbilde der vernünftigen Kreatur."
"Sein 'Ideal' der Kunst blieb die bis heute sprichwörtliche 'edle Einfalt, stille Größe' der klassischen Griechen. Es geht seiner Schönheit um die Form gewordene, geistige Überwindung der Leidenschaften, des Schmerzes, ja des Todes."
"Die höchste Schönheit ist in Gott (…). Dieser Begriff der Schönheit ist ein aus der Materie durchs Feuer gezogener Geist, welcher sich suchet ein Geschöpf zu zeugen (…) nach dem Ebenbilde der vernünftigen Kreatur."
"Sein 'Ideal' der Kunst blieb die bis heute sprichwörtliche 'edle Einfalt, stille Größe' der klassischen Griechen. Es geht seiner Schönheit um die Form gewordene, geistige Überwindung der Leidenschaften, des Schmerzes, ja des Todes."
Tragisches Ende
Winckelmanns eigener Tod war grässlich. Auf einer Reise machte er Station in Triest. Sein Zimmernachbar im Hotel hatte es auf seine wertvollen Münzen abgesehen. In einem erbitterten Kampf versetzte der Kleinkriminelle dem schmächtigen Gelehrten sieben Messerstiche. In den Morgenstunden des 8. Juni 1768 ist Johann Joachim Winckelmann verblutet. Sein Schönheitsideal prägte die europäische Kunst bis weit ins 19. Jahrhundert und lebt in vielen Herzen bis heute als Sehnsucht weiter.