Eine schmucke Jugendstilvilla beherbergt den Verlag "Breitkopf & Härtel" in Wiesbaden. Draußen vor der Tür das Firmen-Signet: Ein Bär, der ein aufgeschlagenes Buch zwischen seinen Tatzen hält, auf dem die Jahreszahl "1719" steht. Denn angefangen hat vor 300 Jahren alles mit einer Buchdruckerei in Leipzig, erklärt Frank Reinisch, Lektor bei Breitkopf & Härtel.
"Diese Buchdruckerei, in die Bernhard Christoph Breitkopf eingeheiratet hat, war im Wirtshaus "Zum Bären" oder im Hinterhaus des Wirtshauses installiert. Und da hat man das Wirtshaus-Schild im Prinzip, das nette Zotteltier, als Verlags-Signet übernommen."
Mit der Herausgabe von "Schemellis Gesangbuch" - einer Kirchenlieder-Sammlung, an der auch Johann Sebastian Bach beteiligt war - kam ab 1736 der Notendruck in den Verlag. Unter Breitkopfs Sohn wurde der sogenannte Notentypen-Druck entwickelt.
"Notentypen-Druck heißt, wie Buchdruck: Ich setze Baustein für Baustein aneinander, was bei Notenschrift wesentlich komplexer ist als bei 26 Buchstaben in klein und groß!"
1795 ging der Breitkopf-Verlag aus finanziellen Gründen eine Sozietät mit Gottfried Christoph Härtel ein – und baute bis 1872 nun sogar Konzert-Flügel.
Deftige Kritik von Beethoven
Zur namhaften Komponisten-Kundschaft, deren Werke Breitkopf & Härtel herausgab, zählte auch Ludwig van Beethoven.
"Mit Beethoven gibt es dann eine direkte Korrespondenz: Die ist sehr deftig, Beethoven hat kein Blatt vor den Mund genommen – da gibt es furchtbare Beschimpfungen des Verlages mit Fehler-Anklagen. Und da gibt es andererseits auch Lobeshymnen, die man sich gerne als Urkunde an die Wand hängen würde, wie ‚Ich würde Ihren Musikalienhandel jedem anderen vorziehen‘"
Von den Vorzügen des Verlags profitierten zudem Felix Mendelssohn-Bartholdy, Robert Schumann, Franz Liszt - oder Richard Wagner, dessen Opern "Lohengrin" und "Tristan und Isolde" bei Breitkopf & Härtel publiziert wurden. Vor Fehlentscheidungen waren allerdings auch die Leipziger Verleger nicht gefeit:
"Breitkopf hat eben den "Ring des Nibelungen" nicht mehr verlegt, nachdem wahrscheinlich klar war, welche Dimensionen dieses Werk hat - und nachdem völlig unklar war, wie eigentlich sich Wagner als Komponist mit seiner Bedeutung weiterentwickeln würde!"
Den "Coup", Wagners "Ring" zu verlegen, landete schließlich der Mainzer Schott-Verlag. Auch Wagners vermeintlicher Antipode, der junge Johannes Brahms, wurde von Breitkopf & Härtel verkannt. Auf Empfehlung Robert Schumanns hin wurden zwar einige Werke von ihm gedruckt, doch der Verlag
"hat dann in Leipzig vor Ort feststellen müssen, dass Brahms mit seinem 1. Klavierkonzert eher einen Misserfolg erzielt hat. Und ist dann etwas selektiv mit Brahms Werken umgegangen. Der kritische Punkt war dann erreicht mit dem Streich-Sextett op 18, wo Breitkopf & Härtel dann von der Besetzung, vom Aufwand her in irgendeiner Weise die Kosten-Nutzen-Relation, die man als Verlag natürlich immer mal wieder ansetzt, nicht von vornherein gesehen hat – und das hat Brahms doch sehr verärgert und letztlich ist Brahms dann mit seinen weiteren Kompositionen zu Simrock gegangen!"
Immerhin hat Breitkopf & Härtel in den 1920er Jahren dann die erste Brahms-Gesamtausgabe herausgegeben – und ist nun auch an deren historisch-kritischer Neuausgabe beteiligt.
Schwieriger Umgang mit Nationalsozialismus
Dunkle Zeiten erlebte "Breitkopf & Härtel" während der beiden Weltkriege - auch die nationalsozialistische Ideologie machte vor den Musikverlegern nicht halt:
"Natürlich konnte Mendelssohn nicht mehr verlegt werden, als großer Komponist, der mit Breitkopf ja nicht nur zusammengearbeitet hat, sondern dann auch Ende des 19. Jahrhunderts als Gesamtausgaben-Komponist noch mal in gewisser Weise geadelt worden ist! Interessant fand ich Erzählungen, dass, als klar war, dass Leipzig unter Umständen auch mal einen Bombenangriff zu erwarten hat, dass dann offenbar Breitkopf-Mitarbeiter auch die verfemten Druckplatten von Mendelssohn in Sicherheit gebracht haben - und dann vielleicht manche Druckplatte eben dadurch noch besser überdauert hat als die Musik, die man hauptamtlich retten wollte!"
Andererseits hat sich der damalige Verlagsleiter Hellmuth von Hase den Machthabern auch angedient, indem er schon 1933 im Zusammenhang mit den Bücherverbrennungen eine Erklärung im Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel mit unterzeichnete: Zwölf von den Nazis verfemte Autoren wurden darin als "schädigend" eingestuft - darunter Alfred Kerr, Heinrich Mann und Erich Maria Remarque.
"Wir sind im Moment dabei, natürlich für unser Jubiläum in diesem Jahr, eine Festschrift zusammenzustellen und der damit betraute Redakteur hat auch den Auftrag von uns, von der Verlagsleitung, dass man diese Zeit eher etwas intensiver beleuchtet, weil sie natürlich in den einschlägigen historischen Publikationen bis dato eigentlich ein bisschen stiefmütterlich weggekommen ist!"
Nach dem Krieg verlief die Teilung Deutschlands auch mitten durch den Breitkopf & Härtel-Verlag: 1945 war Hellmuth von Hase mit einem Teil der Bestände nach Wiesbaden geflohen – um das Unternehmen dort gemeinsam mit seinem Bruder neu aufzubauen. Die DDR nahm diesen vermeintlichen "Raub des Tafelsilbers" sozusagen als Vorwand, die Brüder in Abwesenheit zu verurteilen – und das Leipziger Unternehmen in den "volkseigenen Betrieb" "VEB Breitkopf und Härtel" umzuwandeln. Erst nach der Wende wurden die west- und ostdeutschen Verlags-Bestände wieder zusammengeführt.
Geburtstagsständchen von Christian Mason
Zum 300. Jubiläum von Breitkopf & Härtel hat der Brite Christian Mason nun ein Geburtstagsständchen komponiert: Das Orchesterwerk "Eternal Return", also "Ewige Wiederkehr". Gefeiert wird das Jubiläum in Wiesbaden und Leipzig bis Ende September mit Konzerten, Ausstellungen und Symposien. Der Verlags-Betrieb geht natürlich trotzdem weiter: Zu den neuen Projekten zählt die Neu-Edition aller Sinfonien von Gustav Mahler.
"Wir sind ja von Hause aus ein renommierter Orchesterverlag mit einem sehr großen Orchesterrepertoire und hatten den Eindruck, dass die Sinfonien von Gustav Mahler genau der ganz große Baustein sind, der diesem Orchesterkatalog noch fehlt. Und wer jetzt eine 1. Sinfonie publiziert und sich dann zum Ziel gesetzt hat, pro Jahr mindestens eine weitere Mahler-Sinfonie zu publizieren – der legt damit auch ein Bekenntnis zum traditionellen Notendruck ab!"