"Das hat Gottfried Wilhelm Leibniz später, nach dem Tode von Sophie Charlotte im Jahre 1705 ja ganz offen erklärt, dass ohne Sophie Charlotte manche seiner philosophischen Werke gar nicht entstanden wären. Sophie Charlotte hat ihn regelrecht aufgefordert, die philosophischen Gespräche mit ihr doch niederzuschreiben. Das hat er auch getan, und nach ihrem Tode sind dann diese Aufzeichnungen auch veröffentlicht worden, zum Beispiel im Jahre 1710 sein philosophisches Werk 'Theodicée‘."
So beschreibt Wolfgang Knobloch, langjähriger Archivleiter der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, die Beziehung zwischen der ersten preußischen Königin und dem Philosophen Gottfried Wilhelm Leibniz. Sophie Charlotte brachte Glanz ins provinzielle Berlin und lockte große Köpfe an ihren Hof.
Umstrittenes Geburtsdatum
Geboren wurde Sophie Charlotte von Braunschweig-Lüneburg 1668. Das Tagesdatum war erstaunlicherweise schon zu ihren Lebzeiten umstritten – gefeiert hat sie ihren Geburtstag am 30. Oktober. Noch nicht ganz sechzehn, wurde sie mit Kurprinz Friedrich von Brandenburg verheiratet. Vier Jahre später trat er die Herrschaft in Brandenburg und im Herzogtum Preußen an.
"Sie hat große, blaue, sanfte Augen, eine ungemeine Fülle schwarzen Haares und einen blühenden Teint. Was den Geist angeht, so hat sie viel und eine gewinnende Milde. Sie singt gut, spielt Cembalo, tanzt mit großer Anmut und weiß, was sehr wenige Personen auch in fortgeschrittenerem Alter als dem ihren wissen."
Sophie Charlotte schuf sich ihre eigene Welt
So porträtierte sie eine an allen Höfen gelesene Klatsch-Postille. Am glanzvollen Hof ihrer Eltern in Hannover hatte Sophie Charlotte Opern und große Feste genossen. In Berlin gab es nichts dergleichen. Dafür pflegte ihr Gatte, der ehrgeizig nach einer Königskrone strebte, penibel das steife barocke Hofzeremoniell.
"Ich entspanne mich dabei, Ihnen von den freudlosen Ermüdungen zu erzählen, die ich in Berlin erdulde",
schrieb sie in einem Brief. Sophie Charlotte schuf sich ihre eigene Welt. Sie verbringe die Hälfte ihrer Zeit mit Lachen und Tanzen und gehe ins Bett, wenn ihr Mann aufstehe, berichtete ein Diplomat. Im Grünen baute sie sich das Schlösschen Lietzenburg mit einem Garten nach neuester französischer Mode. Ihre Mutter war begeistert:
"Man ist hier wie in ein irdisch Paradies. Die Damen und Kavaliere spielen Komödie und die Musikanten machen Operas. Allhier saufen und fluchen die Damen nicht, aber spielen wohl Karten."
Ein unschlagbares Team
Die Musik war Sophie Charlottes Leidenschaft. Sie holte italienische Musiker nach Berlin und inszenierte Feste, die sich mit den prächtigsten Höfen des Reichs messen konnten.
"Man muss ehrlich, als Historikerin, sagen, dass wir kaum Einblicke in diese Ehe haben. Aber es gibt doch gewisse äußere Zeichen, an denen man ablesen kann: Die beiden waren ein Team. Denn der Hof in Lietzenburg, den sie geführt hat, wurde finanziert von ihrem Mann. Und ihr Mann hat erkannt, dass die Pracht, die Sophie Charlotte dort entfaltet hat, vor allem auf musikalischem Terrain, dass das ein Baustein war für seine politische Karriere."
"Man muss ehrlich, als Historikerin, sagen, dass wir kaum Einblicke in diese Ehe haben. Aber es gibt doch gewisse äußere Zeichen, an denen man ablesen kann: Die beiden waren ein Team. Denn der Hof in Lietzenburg, den sie geführt hat, wurde finanziert von ihrem Mann. Und ihr Mann hat erkannt, dass die Pracht, die Sophie Charlotte dort entfaltet hat, vor allem auf musikalischem Terrain, dass das ein Baustein war für seine politische Karriere."
Sagt die Biografin Barbara Beuys. 1701 verwirklichte Friedrich sein großes Ziel: Im Schloss von Königsberg krönte er sich selbst und dann Sophie Charlotte. Von nun an war sie "Königin in Preußen".
"Bei Tisch haben wir immer Gespräche mit einem angenehmen Gelehrten, und wir erwarten Herrn Leibniz",
berichtete ihre Mutter.
Interessiert an Ideen der Frühaufklärung
Sophie Charlotte interessierte sich lebhaft für Philosophie und die Ideen der Frühaufklärung. Sie war es auch, die den Anstoß zur Gründung einer Akademie der Wissenschaften in Berlin gab. Als deren Präsidenten gewann sie Leibniz, der Bibliothekar am Hof ihrer Eltern war. In Lietzenburg wurden große Fragen in zwangloser Atmosphäre diskutiert.
"Dann hat sie Gespräche geleitet, geführt, manchmal sogar provoziert - sie liebte scharfe Diskussionen -, und dann aber auch immer die Gegner zusammengeführt."
Die rauschenden Karnevalsfeste in Hannover ließ Sophie Charlotte sich nie entgehen. Auch 1705 nicht. Doch sie kam krank am Ziel an und starb wenige Tage später, 36 Jahre alt. Lietzenburg, nach der Krönung zu einem standesgemäßen Palast umgebaut, heißt seitdem Charlottenburg. Friedrich der Große fand ein Vorbild in seiner Großmutter, der Philosophin auf dem Königsthron.