Archiv

350. Geburtstag von Tomaso Albinoni
Spielkartenfabrikant und Komponist für die Ewigkeit

Das berühmteste Werk von Tomaso Albinoni ist ein Fake. Es wurde 1958 aus Versatzstücken Hollywood-kompatibel nachempfunden. Und doch machte dieses sanfte Adagio in g-Moll den Barockkomponisten unsterblich. Am 8. Juni 1671 wurde der Venezianer geboren.

Von Wolfgang Schreiber |
    Gezeichnetes Porträt des italienischen Komponisten mit typischer Perücke in Medaillonformat aus dem Jahr 1751.
    Porträt Tomaso Albinonis um 1751 (imago stock&people)
    Eine kleine Barockmusik – der Ohrwurm! Das berühmte Adagio in g-Moll wird dem Komponisten Tomaso Giovanni Albinoni zugeschrieben. Der Meister aus Venedig ist mit dem Stück unsterblich geworden. Aber der Adagio-Ruhm ist trügerisch, ein anderer Name kommt ins Spiel: Remo Giazotto, seines Zeichens italienischer Musikhistoriker und Albinoni-Biograph. Von ihm stammt das für Streicher und Orgel gefertigte Adagio.
    Fragmente einer nur vermuteten Triosonate Albinonis - daraus machte der italienische Musikforscher im Jahr 1958 das weltbekannte Adagio, das gewinnträchtig zur Filmmusik taugte, eine nostalgische Klangkulisse für Hollywood.

    Albinoni bezeichnete sich als "venezianischen Dilettanten"

    Tomaso Albinoni, geboren am 8. Juni 1671 in Venedig, hat eine pittoresk untypische Musikerkarriere durchlaufen. Sein Vater Antonio war ein wohlhabender Spielkartenfabrikant, der Sohn ließ sich im väterlichen Handwerk und Unternehmen ausbilden, studierte aber noch rechtzeitig Gesang, Geige und Komposition. Erst mit dreiundzwanzig trat Albinoni als Komponist einer Oper in Erscheinung. "Dilettante veneto" nannte der Gutbetuchte sich gern selbst, damit sagte er, dass die Musik nicht sein Broterwerb war, sondern Freude und Zeitvertreib.
    Zwei Bilder von Andy Warhol beim Auktionshaus Christie's zum Verkauf, links: "Queen Elizabeth II, from: Reigning Queens screenprint in colours by Andy Warhol" und rechts: "Queen Elizabeth II, from: Reigning Queens (Royal Edition) screenprint in colours by Andy Warhol."
    Digitales Projekt zur Barockmusik - Kopie, Fälschung oder Hommage in der Musik
    Wie funktioniert das Prinzip "Copy & Paste" in der Musik, speziell in der Barockmusik? Dieser Frage geht das erste Projekt der neuen digitalen Plattform ConcertoLAB nach.
    Elegante Streicher-Sonaten komponierte der Venezianer Tomaso Albinoni - immer im Schatten des sieben Jahre jüngeren Antonio Vivaldi und dessen virtuoser Geigenkunst. Alle Komponisten Venedigs seien "gute Kontrapunktisten", sie verstünden sich auf die "Feinheit des Geschmacks" und die "Fruchtbarkeit der Erfindungskraft". Das schrieb der Brite Charles Burney ins Tagebuch seiner europäischen Musikreisen im 18. Jahrhundert. Burneys Beobachtungen weisen auf die kulturellen Impulse der bis heute vom Wasser und der Musik gleichermaßen dominierten Lagunenstadt.
    "Die Venezianer haben außer den theatralischen nur wenig Belustigungen. Spazierengehen, Reiten und alle anderen ländlichen Ergötzungen sind ihnen versagt. Dem hat man es zuzuschreiben, dass die Musik so häufig ist - und mit so vielem Aufwande getrieben wird."
    Paul Kalkbrenner performt beim St. Gallen OpenAir Music Festival
    Techno-Größe Paul Kalkbrenner - Albinoni und so – das ist geile Musik"
    Eigentlich ist Paul Kalkbrenner als Mann der elektronischen Musik bekannt. Sein persönlicher Klassiker überrascht, denn dieser klingt so gar nicht nach Tresor oder Berghain.

    Tomaso Albinoni komponierte unermüdlich poetische Kammerkantaten, schematisch angelegt nur für eine Singstimme mit Basso Kontinuo. Johann Sebastian Bach schätzte den Meister der Violine und seinen klassisch ausgewogenen Stil. Albinonis Musik, schwächer als diejenige Vivaldis, wurde vergessen, erst um die Mitte des 20. Jahrhunderts gelang ihre Ausgrabung. Für die charmante Musik Tomaso Albinonis gilt, was Charles Burney in seinen Reisebeschreibungen notierte und was bis heute in der Musik Gültigkeit beansprucht – dass nämlich ein dissonanz- und reibungsarm verlaufendes Musikstück keine spannungsvollen Klangbilder transportiert:
    "Niemand, denke ich, wird gegenwärtig leugnen, dass in einer vielstimmigen Musik die Dissonanzen notwendig sind, nicht bloß, weil solche durch Gegensatz und Vergleichung die Konsonanzen erhöhen und versüßen, sondern noch mehr deswegen, weil sie ein notwendiger Reiz für die Aufmerksamkeit werden, welche bei einer Folge von reinen Konsonanzen ermüden würde."