"This is our piece de resistance…"
Stolz weist Kuratorin Marlies Stoter vom Fries Museum in Leeuwarden auf das Porträt, das Rembrandt von Saskia gemalt hat. Es zeigt seine Frau im Profil, mit federgeschmücktem Hut, in einem prachtvollen roten Samtkleid.
"Das ist das einzige Porträt, das Saskia nicht als mythologische oder biblische Person zeigt. Hier sagt uns der Maler: Schaut her, das ist meine Frau! Das ist Saskia, nur Saskia."
Die-Leihgabe aus der Kassler Gemäldegalerie ist das Prunkstück der Ausstellung "Liebe im Goldenen 17. Jahrhundert" – dem Auftakt zum Rembrandtjahr 2019.
"Warum Rembrandt uns Niederländern soviel bedeutet? Weil er uns beigebracht hat, genauer hinzugucken. Er hat uns gelehrt, wie man Menschen betrachtet."
Rembrandt statt Rubens
Nach seinem Tod 1669 wurden zunächst die fein gemalten Werke geschätzt, die in Rembrandts Atelier in den 1630er und 40er Jahren entstanden - die Nachtwache zum Beispiel oder die Anatomiestunde des Dr. Tulp. Das Spätwerk, das von grosser Verinnerlichung geprägt ist und von freien, kühnen Pinselstrichen, wurde erst im 19. Jahrhundert wiederentdeckt. Damals stieg der Müllersohn aus Leiden zum Nationalsymbol der Niederländer auf, so Kuratorin Stoter:
"Zuvor war Rubens unser Nationalsymbol, denn damals gehörte Belgien noch zu den Niederlanden. Als sich die Flamen und Wallonen 1830 abgespaltet hatten und ein eigener Staat wurden, behielten sie Rubens. Wir Niederländer brauchten einen neuen Helden – es wurde Rembrandt."
Das 19. Jahrhundert war nicht nur von der Nationalstaaten-Idee geprägt, sondern auch vom Geniekult. Folge: Rembrandt wurde verklärt, fortan galt er als das von Leiden geplagte Genie, als der Seelenmaler, der sich in Schulden verstrickt hatte, weil ihm das Schicksal nicht nur viel zu früh seine große Liebe Saskia geraubt hatte, sondern auch Titus, den einzigen Sohn.
Diese Wahrnehmung änderte sich erst in den 1960er Jahren, als das "Rembrandt Research Project" begann, das Oeuvre des Malers auf seine Echtheit hin zu überprüfen – und in der Folge Hunderte von Werken abschrieb. Ganz sachlich und kritisch. Eine Reinigungsaktion war das, eine Revolution, sagt Gregor Weber, Leiter der Abteilung Bildende Kunst im Amsterdamer Reichsmuseum:
"Das war ein typisches Kennzeichen der 68er Jahre, das man jetzt plötzlich denkt: Ich muss Rembrandt ganz anders als empfindend wahrnehmen, ich muss jetzt wirklich mit einer Gruppe rangehen, wir müssen demokratisch beschließen: Was ist ein Rembrandt, was ist kein Rembrandt?"
Restaurierung der Nachtwache
Heute ist es möglich, dem Alten Meister durch immer neue technische Mittel so nahe zu kommen wie nie zuvor. So wie im nächsten Sommer, wenn das Reichsmuseum mit der Restaurierung der Nachtwache beginnt - vor Ort, im Nachtwachesaal, hinter einer Glasscheibe:
"Es wird wirklich spannend, so in die Nachtwache eintauchen zu können wie bislang noch nicht. Ich denke schon, dass wir vieles Neues finden können, ja."
Jede Zeit, so Weber, entdecke ihren eigenen Rembrandt, jede Zeit habe ihr eigenes Rembrandtbild:
"Und heute in einer Zeit, wo wir mit Facebook und mit einem gewissen Ego-Dokumentalismus beschäftigt sind, ist Rembrandt auch wieder eine Person, die genau das befriedigt, denn auch er hat so eine Art Ego-Dokument hinterlassen. Mit jedem Selbstbildnis, mit jedem Produkt, das er gemacht hat."
Massenhaft Selfies
Weil er sich wie kaum ein anderer Maler immer wieder selbst studiert und exponiert hat – auf Gemälden, Zeichnungen und Radierungen. Mal lachend und Grimassen schneidend, mal überrascht, nachdenklich oder traurig. Wobei heute nicht mehr nur von Selbstbildnissen oder Selbstporträts die Rede ist, sondern inzwischen auch von selfies:
"Selfies hat er massenweise gemacht, ja, 80 Stück. Und Facebook und alle Selfies dieser Welt sind natürlich Reaktionen auch auf das Bedürfnis unserer Zeit. Insofern wird Rembrandt auch als ein Gleichgesinnter wiedererkannt werden können."