Ralf Krauter: Auch auf dem Mond gab es einst flüssiges Magma. Denn nach seiner Entstehung, im Gefolge der Kollision eines marsähnlichen Himmelskörpers mit der junge Erde, war der Mond eine zeitlang von einem regelrechten Ozean aus Magma bedeckt. Als der dann allmählich abkühlte, bildeten sich verschiedene Arten von Basaltgesteinen, die bis heute auf der Mondoberfläche zu finden sind.
Weil man anhand dieser Gesteine Rückschlüsse über die Entstehung des Mondes ziehen kann, haben Forscher der Universität Köln sich die jetzt mal genauer angeschaut, als alle anderen Wissenschaftler vor ihnen. Das Ergebnis der Analyse ist jetzt nachzulesen im Fachmagazin "Nature Geoscience". Der Mond ist deutlich älter als bisher gedacht, und entstand bereits vor 4,51 Milliarden Jahren. Ich habe Professor Carsten Münker vom Institut für Geologie und Mineralogie vorhin gefragt: Was sind das für Gesteinsproben, die sie analysiert haben?
Carsten Münker: Wir haben Proben analysiert, die bei verschiedenen Apollo-Missionen in den späten 1960er- und frühen 70er-Jahren auf die Erde gebracht worden sind. Wir sind eines der wenigen Institute in Deutschland, die auch Zugang zu solchem Material haben. Man muss da entsprechend Anträge schreiben an die Nasa mit einem Forschungskonzept, und dann bekommt man diese Proben auch und kann daran eben arbeiten. Die Proben, die wir jetzt hatten, decken alle Apollo-Missionen ab. Und das sind weitestgehend vulkanische Gesteine, die so vor drei bis vier Milliarden Jahren auf dem Mond entstanden sind.
Krauter: Ich hab in einem Video, das Sie auch veröffentlicht haben, gesehen: Da wird in einem Reinraum experimentiert mit diesen kostbaren Gesteinsproben - um die ja nicht zu verunreinigen wahrscheinlich?
Münker: Ja, genau. Da gibt es verschiedene Gründe, warum wir sehr sauber arbeiten müssen. Zum einen bekommen wir nur sehr wenig Material – wir reden da über 100 Milligramm vielleicht. Da ist auch wenig drin von den Elementen, die wir analysieren müssen. Und wir müssen deswegen sehr sauber arbeiten, weil in normalem Straßenstaub oft mehr an diesen Elementen drin ist, die wir analysieren, als in unseren Proben.
"Wir untersuchen radioaktive Zerfallssysteme"
Krauter: Die Elemente, für die Sie sich interessieren, das sind radioaktive Marker, nach denen Sie Ausschau halten. Welche genau haben Sie da ins Visier gekommen?
Münker: Wir untersuchen radioaktive Zerfallssysteme, weil die erlauben, geologische Proben zu datieren oder auch Himmelskörper zum Beispiel, von denen geologische Proben kommen. Wir haben in Köln uns auf die Elemente Hafnium und Wolfram spezialisiert. Die sind den Laien wahrscheinlich nicht sehr geläufig, für Geologen aber sehr interessant, weil es während der ersten 60 Millionen Jahre nach der Entstehung des Sonnensystems eine radioaktive Uhr gab: Die Isotope 182-Hafnium, das ist komplett zerfallen zu 182-Wolfram. Und wir können durch sehr präzise Messungen von Wolfram-Isotopen, Gesteine datieren, die wirklich so alt sind – also zum Beispiel Proben von alten Himmelskörpern, von Meteoritenproben und ähnliche Dinge.
Bis zu 150 Millionen Jahre älter als gedacht
Krauter: Das heißt, Sie schauen sich quasi das Verhältnis dieser beiden Elemente zueinander an, gucken, was noch übrig ist, und rechnen dann zurück, wie viel Zeit für den Zerfall gewesen sein muss?
Münker: Genau. Für eine erfolgreiche Altersdatierung müssen Sie einmal das radioaktive Isotop messen, was entstanden ist durch den radioaktiven Zerfall. Und dann müssen Sie das Verhältnis Mutter- zu Tochter-Isotop gut kennen. Wir haben jetzt Zweites gemacht. Das Verhältnis von Mutter- zu Tochter-Isotop kannte man bislang nicht sehr gut auf dem Mond. Und wir haben durch hochpräzise Messungen von Gehalten der Elemente Wolfram, Uran, Thorium oder auch Hafnium an Mondgestein jetzt erstmals genau das Verhältnis von Mutter-Isotop Hafnium zu Tochter-Isotop Wolfram messen können. Aufgrund dessen konnten wir unter Einbezug von Isotopendaten jetzt das Alter des Mondes eben neu und viel genauer bestimmen, als das bisher der Fall war.
Krauter: Und das Ergebnis liegt im Bereich von 4,51 Milliarden Jahren, habe ich gelesen.
Münker: Genau, 4,51 Milliarden Jahre. Das klingt sehr gewaltig, oder ich sag es mal anders, ungefähr 50, 60 Millionen Jahre nach Entstehung des Sonnensystems. Bislang - oder während der letzten zehn Jahre - dachte man, dass der Mond jünger sei, also vielleicht 100, 200 Millionen Jahre nach Entstehung des Sonnensystems. Das mag zunächst mal bei solchen Zeitskalen für den normalen Menschen lächerlich erscheinen …
"Das Alter des Mondes datiert auch die Erde"
Krauter: Man könnte ja sagen, als Laie: Na ja, bei vier Milliarden Jahren 100 Millionen Jahre hin oder her - da reden wir über Schwankungen im Prozentbereich. Aber für Sie ist das total spannend?
Münker: Für uns ist das total wichtig, weil wir gängige Modelle der Planetenentstehung testen können. Das Alter des Mondes datiert gleichzeitig auch die Erde – warum ist das so? Weil der Mond durch einen Einschlag oder eine Kollision der Erde mit einem Mars-großen Planeten – neuerdings gibt es auch Modelle, dass der Planet gleich groß war – entstanden ist. Das bedeutet wiederum im Umkehrschluss, dass der Mond das Alter der Erde definiert. Wir wissen somit jetzt, dass das Alter der Erde mindestens 4,51 Milliarden Jahre sein muss, und das ist jetzt wieder auch im Einklang mit neuen Ansätzen und Modellen von Planetenentstehung, die sagen, dass das eigentlich sehr schnell passiert sein muss - innerhalb von ein paar zehn Millionen Jahren nach Entstehung des Sonnensystems.
Krauter: Also das Sonnensystem entstand vor 4,56 Milliarden Jahren, da ist man sich relativ sicher. Und in den paar zig Millionen Jahren danach müssen dann die ganzen Planeten entstanden sein.
Münker: Genau. Die Entwicklung des Sonnensystems lief in mehreren Stufen ab. Die ältesten datierten Gesteine des Sonnensystems sind 4,567 Milliarden Jahre alt. Das wissen wir sehr genau, auf 0,01 Prozent genau. Und die kleinen Planeten, die dann aus diesen ersten Gesteinen entstanden sind – sie fangen an mit Staubkörnern, werden dann immer größere Körper, und dann bilden sie so Körper in Asteroidengröße, also bis 100 Kilometer vielleicht mächtig –, und die sind innerhalb der ersten circa fünf, sechs, sieben Millionen Jahre entstanden. Und dann hat es noch mal vielleicht 10, 20, 30, 40 Millionen Jahre gedauert, bis die Planeten aus diesen Kleinstkörpern entstanden sind. Es ist also ein mehrstufiger Prozess. Die Erde ist nicht aus Staub gewachsen, sondern sie ist gewachsen durch die Kollision von Kleinstplaneten, die wiederum aus kosmischem Staub entstanden sind.
"Erhebendes Gefühl, an diesen Proben zu arbeiten"
Krauter: Der Mond ist also ein bisschen älter als gedacht. Was macht das mit Ihnen, wenn Sie jetzt abends an den Nachthimmel schauen?
Münker: Mich begeistert es, weil da ein Stück kindliches Interesse drinsteckt. Ich hab als Kind die Mondlandungen mitverfolgt, zumindest die letzte Mondlandung, war immer sehr begeistert vom Weltraumfahren. Es ist natürlich ein erhebendes Gefühl, wenn man jetzt diese Proben auch bekommt, an den Proben arbeiten kann und damit auch sehr grundständige Fragen in der Wissenschaft lösen kann.
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Mehr über den Mond und dessen Entdeckung finden Sie auch auf userem Portal 50 Jahre Mondlandung.