"Es gibt ein asiatisches Sprichwort: Ein fallender Baum macht mehr Lärm als ein wachsender Wald. So konzentrieren wir uns auf den neuen wachsenden Wald."
In den fortschrittsgläubigen 70er-Jahren hatte sich die Menschheit an den Lärm des fallenden Baumes gewöhnt. Damals wurde das Ozonloch sichtbar, das Artensterben beschleunigte sich und der Bericht über "Die Grenzen des Wachstums" warnte vor einem "Weiter so". Doch ein allgemeines Umdenken schien unmöglich. Der Deutsch-Schwede Jakob von Uexküll, der als Briefmarkenhändler weltweit unterwegs war, wollte das ändern:
"Aufgrund meiner Reisen und meiner Arbeit, wusste ich, dass es sehr viele funktionierende Lösungen gab für viele von diesen Problemen, aber sie wurden einfach nicht ernst genommen. Ich habe mich dann gefragt: Wie wird denn etwas ernst genommen? Dann ist ganz klar: Wenn Sie einen Nobelpreis bekommen haben, dann werden Sie ernst genommen, können Sie sagen, was Sie wollen, das wird publiziert. Und da hab‘ ich gedacht: Naja, da brauchen wir doch jetzt wenigstens für die Umwelt und für die Dritte Welt noch zwei neue Nobelpreise."
Das Stockholmer Komitee lehnte dankend ab
Jakob von Uexküll verkaufte seinen Briefmarkenhandel und bot den Erlös von einer Million Dollar der Nobelstiftung als Startkapital für die beiden neuen Preise an. Doch das Stockholmer Komitee lehnte dankend ab. Also gründete Uexküll seine eigene Stiftung. Den: "Right Livelihood Award - Auszeichnung für die richtige Lebensweise". Im deutschsprachigen Raum besser bekannt unter dem inoffiziellen Namen "Alternativer Nobelpreis".
Dazu von Uexküll: "Natürlich ist das, worüber wir reden, komplexer, weil wir die Vielfalt des Lebens nicht auslassen. Die Herrschaft des Geldes, die können Sie in zwei Minuten erklären, aber die Vielfalt der Alternativen, da muss man sich natürlich etwas mit auseinandersetzen."
Am 9. Dezember 1980 wurde die Auszeichnung zum ersten Mal vergeben - in einer angemieteten Stockholmer Turnhalle. Ausgezeichnet für "ihre vorbildlichen Projekte" wurden der ägyptische Architekt Hassan Fathi, der kostengünstige Lehmhäuser plant, die in Selbsthilfe mit lokalen Baumaterialien errichtet werden können und Stephen Gaskin, "der im US-Bundesstaat Tennessee eine ökologische Dorfgemeinschaft errichtete, die in aller Welt zum Modell für ähnliche Projekte werden kann."
Beim alternativen Nobelpreis geht es nicht um rein akademische Lösungen für Probleme der Menschheit, sondern um ganz praktische Initiativen. Sie sollen den Finger auf eine lokale Wunde legen und zugleich nachhaltige Zukunftslösungen aufzeigen, die auch am anderen Ende der Welt zur Nachahmung anregen. Die Bandbreite der Projekte ist groß: Sie kommen aus den Bereichen Ökologie, Frieden, Bildung, Menschenrechte oder Gesundheit. 1993 war die Inderin Vandana Shiva Preisträgerin. Ihre Organisation ‚Neun Samen‘ setzt sich für die Bewahrung von traditionellem Saatgut ein. Es soll die Bauern unabhängig von Patenten großer Konzerne machen, so Vandana Shiva.
"Der einzige Weg zur Lösung eines globalen Problems sind weltweite lokale Lösungen. Ich glaube, es gibt eigentlich überhaupt nichts, was ausschließlich global wäre. Alles Globale hat vielmehr lokale Wurzeln. Die Leute denken immer: Lokal heißt nur ‚vor meiner Haustür‘. Nein, lokal heißt, die Kontrolle über das eigene Leben haben. Und das muss überall geschehen. Wenn es überall geschieht, wird es zur globalen Lösung."
Internationale Aufmerksamkeit wertvoller als das Preisgeld
Anfangs belächelt, ist der Alternative Nobelpreis längst zu einem unabhängigen Gütesiegel geworden. Oft gibt es vier Preisträger, die sich das über Spenden finanzierte Preisgeld von rund 200.000 Euro teilen. Die internationale öffentliche Beachtung, die die Auszeichnung bedeutet, soll auch vor Repressionen durch Regierungen oder mächtige Lobbygruppen schützen. So wurden in diesem Jahr neben einem US-Amerikaner auch Menschenrechtsaktivisten und -aktivistinnen aus Belarus und Nicaragua sowie eine inhaftierte iranische Anwältin ausgezeichnet.
Couragierte Menschen wie sie, so Jakob von Uexküll, können natürlich nicht die Probleme der Welt lösen, aber sie zeigen: Es liegt in der Hand jedes Einzelnen, an einer besseren Welt mitzuwirken.
"Es ist ganz klar, dass wir die Wende nicht geschafft haben, und das Leben für viele Menschen auf der Erde noch schwerer geworden ist. Aber wir haben unglaublich vielen Menschen Hoffnung gegeben. Und ich glaube, das inspiriert und motiviert dann auch sehr viele andere Menschen, dass sie sehen, es gibt auch den Alternativen Nobelpreis, er setzt halt andere Prioritäten. Prioritäten, die heute die richtigen sind."