Am Anfang stand vor 40 Jahren ein kollektiver Kleinverlag. Mit politischen Ambitionen, die auch im Namen des neuen Verlags sichtbar sein sollten. Dabei schlich sich allerdings ein Fehlerteufel ein, wie sich Mitbegründer Tom Forrer erinnert:
"Ursprünglich sollte das Unternehmen "Leros" heißen in Anlehnung an die Gefangeneninsel während der griechischen Militärdiktatur, und ein Schreibfehler hat das verhindert: ein R wurde als N gelesen und wir konnten die Drucksache nicht mehr neu drucken, weil kein Geld mehr da war, da haben wir uns entschlossen, wir nehmen halt "Lenos".".
Anders allerdings als viele andere Kleinverleger war Tom Forrer vom Fach und besaß sowohl technische wie auch wirtschaftliche Kenntnisse vom Metier, was sich schnell als nützlich erweisen sollte. Und weil der Verlag nur ein Startkapital von 400 Schweizer Franken besaß, bat man renommierte Autoren und Autorinnen um unveröffentlichte Texte, um sie honorarfrei zu drucken, die Rechte aber den Urhebern zu lassen. So entstand eine erste Reihe mit bekannten Namen von Kurt Marti über Adolf Muschg bis zu Gabriele Wohmann.
Dazu zählte später auch Hilde Ziegler aus Lörrach: sie hatte sich in der 70er Jahren einen Namen als Schauspielerin gemacht, sowohl am Theater Basel wie auch im Fernsehen - im Dreiländereck wird sie noch heute, 10 Jahre nach ihrem Freitod, verehrt.
1988 veröffentlichte sie bei "Lenos" ihre frühen Erinnerungen an die Kriegs- und Nachkriegszeit unter dem Titel "Während der Verlobung wirft einer einen Hering an die Decke", die bald darauf vom "Südwestfunk" als Hörbild vertont wurden, von ihr selber interpretiert:
"Bereits zu Beginn der 80er Jahre hatte "Lenos" eine Reihe mit arabischer Literatur begonnen, die längst zu einem Aushängeschild des Verlags geworden ist."
Entstanden war diese Reihe als Ergänzung zu den Sachbüchern zu sozialen und politischen Themen wie dem Schwelbrand "Palästina":
"Das kam aus dem Engagement heraus für den Frieden im Nahen Osten: wir haben zuerst immer Bücher gemacht über den Konflikt "Palästina - Israel" und fanden dann, wir möchten das ergänzen mit Originalstimmen und haben mit dem palästinensischen Autor Ghassan Kanafani haben wir das erste arabische Buch verlegt und aus dem heraus ist dann mit der Zeit die ganze Reihe entstanden. Es sind bis heute in etwa hundert Bände, es ist immerhin die größte arabische Bibliothek moderner Literatur in deutscher Sprache geworden."
Und das bei besonders hohem Aufwand: Schon die Übersetzungen schlagen zu Buche - übrigens zumeist direkt aus dem arabischen Original - und zwar aus einer Schriftsprache, die nicht dem Umgangsarabisch des jeweiligen Landes entspricht, wie Christoph Blum, der zweite Mann im Verlag, betont:
"Man muss natürlich wissen, dass die arabische Literatur im allgemeinen in der arabischen Hochsprache geschrieben wird, im klassischen Arabisch also, dass keineswegs jedoch im Alltag gesprochen wird. Das ist also eine Situation nicht unähnlich der Schweiz, wo auch ein Dialekt gesprochen wird, der in der Schriftsprache nicht vorkommt."
Garant für die Qualität dieser Übersetzungen ist seit über 25 Jahren der Islamwissenschaftler Hartmut Fähndrich, der selber immer wieder für längere Zeit in den Nahen Osten reist. Erst diese direkten Kontakte vor Ort haben die Reihe mit aktueller arabischer Literatur möglich gemacht:
"Die Verträge, die wir machen mit den arabischen Autoren: das geht meist direkt, nicht über Agenturen, und so haben wir einen direkten Kontakt mit den entsprechenden Autoren. Und da wir halt das ganze Werk - möglichst - betreuen eines Autors, sind so langjährige Kontakte entstanden und wir haben da eigentlich sehr gute Verbindungen."
Doch dann eines Tages der GAU: am 19. November 1979 explodiert in der Friedensgasse in Biersfelden bei Basel eine Gasleitung, Mitverlegerin Heidi Sommer überlebt mit schweren Brandwunden, der Verlag liegt in Schutt und Asche, Maschinen und Geräte, das Buchlager, Manuskripte, Archiv: alles vernichtet, verbrannt. Peter Burri, Basler Journalist und Autor, hatte damals, kurz vor Weihnachten 1979, gerade sein erstes Manuskript abgeschlossen, und wollte er es gleich persönlich im Verlag in Biersfelden abgeben. Was er dann sah und erlebte, war eine Art "Stunde Null" des Verlags:
"Das Haus war dort teilweise zerstört, weil es hatte vorher eine Gasexplosion stattgefunden, die Mitbegründerin des Verlags Heidi Sommer, die war schwer verletzt gerade aus dem Spital zurückgekommen: die waren wirklich in Auflösung und wir haben dann lange über die ganze Situation gesprochen und irgendwie kam das Manuskript vielleicht auch im richtigen Moment, es war für sie wie auch eine Art Initialzündung: Jetzt machen wir weiter! Erst recht!"
Und zwar auch mit dem Debüt von Burri: "Das Lied von den Grossen Städten", einem autobiografisch gefärbten Roman:
Doch blieb Peter Burri dem "Lenos-Verlag" nicht nur als Autor verbunden: sondern auch als Herausgeber und Übersetzer des Franko-Schweizer Literaten Blaise Cendrars, einem der großen leidenschaftlichen Abenteurer der Weltliteratur, der aus der Schweiz stammte und später immer wieder in Paris lebte, wo er 1961 starb:
"Der hatte 1987 seinen hundertsten Geburtstag. Er lebte natürlich nicht mehr. Es erschien in Frankreich eine dicke Biografie, von seiner Tochter geschrieben, ich hab das im Zug gelesen und ging zu Lenos und sagte einfach: Mein Gott, fast niemand kennt diesen Mann, das ist so ein tolles Buch, das müsst ihr eigentlich übersetzen. Und das haben sie dann auch gemacht. (Rest raus?)Ich habe dazu einen Einführungsband herausgegeben und später dann auch Cendrars übersetzt."
Blaise Cendrars mit dem Anfang aus "Chadenats Höhle".
Schließlich lenkte Peter Burri die Aufmerksamkeit des Verlags auch auf Italien, genauer: auf italienische Liedermacher wie Lucio Dalla, den er für Lenos übersetzt und herausgeben hat, genau wie den alten Barden Francesco Guccini:
Allerdings muss sich ein kleiner Verlag wie "Lenos" ständig neuen Herausforderungen stellen, zumal in den Umbrüchen des digitalen Zeitalters. So planen Christoph Blum und Tom Forrer bereits ihre ersten E-Books. Außerdem hat der Verlag auch mit der Abschaffung der Buchpreisbindung in der Schweiz vor einigen Jahren zu kämpfen:
"Die Erfahrung ist schon die, dass man sagen kann, dass sich Bücher in den Buchhandlungen, sind es nicht Bestseller, im allgemeinen verteuert haben. Und das ist eigentlich schlecht. Das war ja nicht die Meinung, und wir stehen jetzt halt vor der Tatsache, dass es wahrscheinlich auch so bleiben wird, also zumindest solange ich im Verlag tätig sein werde, werden wir uns wohl damit abfinden müssen, dass es keinen festen Ladenpreis mehr gibt."
Trotz solcher neuen zusätzlichen Probleme schreibt sich die Chronik dieses eigensinnigen und immer noch eigenständigen Verlags als eine kleine Erfolgsgeschichte. Und ungeachtet des schleichenden Verlagssterbens in der Schweiz blickt man bei "Lenos" mit Zuversicht in die Zukunft.
"Ursprünglich sollte das Unternehmen "Leros" heißen in Anlehnung an die Gefangeneninsel während der griechischen Militärdiktatur, und ein Schreibfehler hat das verhindert: ein R wurde als N gelesen und wir konnten die Drucksache nicht mehr neu drucken, weil kein Geld mehr da war, da haben wir uns entschlossen, wir nehmen halt "Lenos".".
Anders allerdings als viele andere Kleinverleger war Tom Forrer vom Fach und besaß sowohl technische wie auch wirtschaftliche Kenntnisse vom Metier, was sich schnell als nützlich erweisen sollte. Und weil der Verlag nur ein Startkapital von 400 Schweizer Franken besaß, bat man renommierte Autoren und Autorinnen um unveröffentlichte Texte, um sie honorarfrei zu drucken, die Rechte aber den Urhebern zu lassen. So entstand eine erste Reihe mit bekannten Namen von Kurt Marti über Adolf Muschg bis zu Gabriele Wohmann.
Dazu zählte später auch Hilde Ziegler aus Lörrach: sie hatte sich in der 70er Jahren einen Namen als Schauspielerin gemacht, sowohl am Theater Basel wie auch im Fernsehen - im Dreiländereck wird sie noch heute, 10 Jahre nach ihrem Freitod, verehrt.
1988 veröffentlichte sie bei "Lenos" ihre frühen Erinnerungen an die Kriegs- und Nachkriegszeit unter dem Titel "Während der Verlobung wirft einer einen Hering an die Decke", die bald darauf vom "Südwestfunk" als Hörbild vertont wurden, von ihr selber interpretiert:
"Bereits zu Beginn der 80er Jahre hatte "Lenos" eine Reihe mit arabischer Literatur begonnen, die längst zu einem Aushängeschild des Verlags geworden ist."
Entstanden war diese Reihe als Ergänzung zu den Sachbüchern zu sozialen und politischen Themen wie dem Schwelbrand "Palästina":
"Das kam aus dem Engagement heraus für den Frieden im Nahen Osten: wir haben zuerst immer Bücher gemacht über den Konflikt "Palästina - Israel" und fanden dann, wir möchten das ergänzen mit Originalstimmen und haben mit dem palästinensischen Autor Ghassan Kanafani haben wir das erste arabische Buch verlegt und aus dem heraus ist dann mit der Zeit die ganze Reihe entstanden. Es sind bis heute in etwa hundert Bände, es ist immerhin die größte arabische Bibliothek moderner Literatur in deutscher Sprache geworden."
Und das bei besonders hohem Aufwand: Schon die Übersetzungen schlagen zu Buche - übrigens zumeist direkt aus dem arabischen Original - und zwar aus einer Schriftsprache, die nicht dem Umgangsarabisch des jeweiligen Landes entspricht, wie Christoph Blum, der zweite Mann im Verlag, betont:
"Man muss natürlich wissen, dass die arabische Literatur im allgemeinen in der arabischen Hochsprache geschrieben wird, im klassischen Arabisch also, dass keineswegs jedoch im Alltag gesprochen wird. Das ist also eine Situation nicht unähnlich der Schweiz, wo auch ein Dialekt gesprochen wird, der in der Schriftsprache nicht vorkommt."
Garant für die Qualität dieser Übersetzungen ist seit über 25 Jahren der Islamwissenschaftler Hartmut Fähndrich, der selber immer wieder für längere Zeit in den Nahen Osten reist. Erst diese direkten Kontakte vor Ort haben die Reihe mit aktueller arabischer Literatur möglich gemacht:
"Die Verträge, die wir machen mit den arabischen Autoren: das geht meist direkt, nicht über Agenturen, und so haben wir einen direkten Kontakt mit den entsprechenden Autoren. Und da wir halt das ganze Werk - möglichst - betreuen eines Autors, sind so langjährige Kontakte entstanden und wir haben da eigentlich sehr gute Verbindungen."
Doch dann eines Tages der GAU: am 19. November 1979 explodiert in der Friedensgasse in Biersfelden bei Basel eine Gasleitung, Mitverlegerin Heidi Sommer überlebt mit schweren Brandwunden, der Verlag liegt in Schutt und Asche, Maschinen und Geräte, das Buchlager, Manuskripte, Archiv: alles vernichtet, verbrannt. Peter Burri, Basler Journalist und Autor, hatte damals, kurz vor Weihnachten 1979, gerade sein erstes Manuskript abgeschlossen, und wollte er es gleich persönlich im Verlag in Biersfelden abgeben. Was er dann sah und erlebte, war eine Art "Stunde Null" des Verlags:
"Das Haus war dort teilweise zerstört, weil es hatte vorher eine Gasexplosion stattgefunden, die Mitbegründerin des Verlags Heidi Sommer, die war schwer verletzt gerade aus dem Spital zurückgekommen: die waren wirklich in Auflösung und wir haben dann lange über die ganze Situation gesprochen und irgendwie kam das Manuskript vielleicht auch im richtigen Moment, es war für sie wie auch eine Art Initialzündung: Jetzt machen wir weiter! Erst recht!"
Und zwar auch mit dem Debüt von Burri: "Das Lied von den Grossen Städten", einem autobiografisch gefärbten Roman:
Doch blieb Peter Burri dem "Lenos-Verlag" nicht nur als Autor verbunden: sondern auch als Herausgeber und Übersetzer des Franko-Schweizer Literaten Blaise Cendrars, einem der großen leidenschaftlichen Abenteurer der Weltliteratur, der aus der Schweiz stammte und später immer wieder in Paris lebte, wo er 1961 starb:
"Der hatte 1987 seinen hundertsten Geburtstag. Er lebte natürlich nicht mehr. Es erschien in Frankreich eine dicke Biografie, von seiner Tochter geschrieben, ich hab das im Zug gelesen und ging zu Lenos und sagte einfach: Mein Gott, fast niemand kennt diesen Mann, das ist so ein tolles Buch, das müsst ihr eigentlich übersetzen. Und das haben sie dann auch gemacht. (Rest raus?)Ich habe dazu einen Einführungsband herausgegeben und später dann auch Cendrars übersetzt."
Blaise Cendrars mit dem Anfang aus "Chadenats Höhle".
Schließlich lenkte Peter Burri die Aufmerksamkeit des Verlags auch auf Italien, genauer: auf italienische Liedermacher wie Lucio Dalla, den er für Lenos übersetzt und herausgeben hat, genau wie den alten Barden Francesco Guccini:
Allerdings muss sich ein kleiner Verlag wie "Lenos" ständig neuen Herausforderungen stellen, zumal in den Umbrüchen des digitalen Zeitalters. So planen Christoph Blum und Tom Forrer bereits ihre ersten E-Books. Außerdem hat der Verlag auch mit der Abschaffung der Buchpreisbindung in der Schweiz vor einigen Jahren zu kämpfen:
"Die Erfahrung ist schon die, dass man sagen kann, dass sich Bücher in den Buchhandlungen, sind es nicht Bestseller, im allgemeinen verteuert haben. Und das ist eigentlich schlecht. Das war ja nicht die Meinung, und wir stehen jetzt halt vor der Tatsache, dass es wahrscheinlich auch so bleiben wird, also zumindest solange ich im Verlag tätig sein werde, werden wir uns wohl damit abfinden müssen, dass es keinen festen Ladenpreis mehr gibt."
Trotz solcher neuen zusätzlichen Probleme schreibt sich die Chronik dieses eigensinnigen und immer noch eigenständigen Verlags als eine kleine Erfolgsgeschichte. Und ungeachtet des schleichenden Verlagssterbens in der Schweiz blickt man bei "Lenos" mit Zuversicht in die Zukunft.