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40 Jahre "Titanic"
"Wir wollen das letzte Printprodukt auf dem Markt werden"

Erdoğan mit schlaffem Penis, Witze über Hannelore Kohl – das "Titanic"-Magazin pflegt einen scharfen Humor, der gesellschaftliche Missstände offenlegt und die Grenzen der Satire auslotet. Grundsätzlich trete die "Titanic" aber nicht nach unten, sagte Chefredakteur Moritz Hürtgen im Dlf.

Moritz Hürtgen im Corsogespräch mit Raphael Smarzoch |
Moritz Hürtgen, Chefredakteur des Satiremagazins "Titanic", am Konferenztisch in den Redaktionsräumen
Moritz Hürtgen, Chefredakteur des Satiremagazins "Titanic", am Konferenztisch in den Redaktionsräumen (dpa / Frank Rumpenhorst)
Eine Frau mit Minipli-Frisur und Jeansjacke blickt lächelnd in die Kamera. In der linken Hand hält sie eine geschälte Gurke und weint. Daneben steht "Zonen-Gaby im Glück: Meine erste Banane." So sah das Cover der November-Ausgabe des "Titanic"-Magazins aus dem Jahr 1989 aus. Es zählt zu den berühmtesten Titelbildern des sogenannten "endgültigen Satiremagazins", das seit 1979 aktiv ist und wesentliche Ereignisse der deutschen Gesellschafts- und Politikgeschichte mit kritischem Witz kommentiert. Da wurde etwa Helmut Kohl als Birne verspottet, der Papst als inkontinent dargestellt oder ein Redakteur gab bei "Wetten, das..?" vor, Buntstifte nach ihrem Geschmack erkennen zu können. Angeblich holte die "Titanic" auch die WM 2006 mit einem satirischen Erpressungsschreiben nach Deutschland.
Das Elend der SPD
Nun feiert das "Titanic"-Magazin seinen 40. Geburtstag. Den heutigen Chefredakteur Moritz Hürtgen begleitet die "Titanic" schon seit sehr langer Zeit. "Was ich zum Beispiel sehr gerne mochte, ist, dass "Titanic" schon ganz früh, der Trend ist ja mittlerweile in jeder Satire-Show angekommen, sich über das Elend der SPD lustig gemacht hat", sagte der Satiriker. Unter der Leitung von Martin Sonneborn sei die "Titanic"-Redaktion damals als SPD-Wahlkampfteam durch Bayern gefahren mit einem großen Van auf dem stand: "SPD, wir geben auf." Eine klassische Fußgängerzonen-Aktion, an die sich Hürtgen gerne erinnert. Der Satiriker kam als Fan zum Heft und wurde dann später selber Autor. Ein Weg, auf dem auch viele andere Redakteure zum Heft gekommen sind.
"Schickt diese Klima-Sau zur Hölle"
Die aktuelle Ausgabe steht im Zeichen des Trendthemas SUV und Auto. "Wir haben ein Bild gefunden in Bildagenturen vom aktuellen Papst Franziskus, wie er auf einem SUV thront und in die Menge grüßt. Deswegen fordert "Titanic" diesmal: 'Schickt diese Klima-Sau zur Hölle, weil er predigt Wasser und schluckt Benzin'", sagte Hürtgen im Corsogespräch. Satire könne aber die heutigen Auseinandersetzungen um den Klimawandel nicht positiv beeinflussen, so Hürtgen, da sei ernsthafte Politik gefragt. "Wir können uns aber damit auseinandersetzen, wie Medien und Politiker auf Greta Thunberg reagieren. Wir sehen mit großen Erstaunen, mit welcher Energie sich so alte Chefredakteure zum Beispiel bei Axel Springer an so einem jungen Mädchen abarbeiten und neidisch sind, weil diese junge Frau schon so relevant ist wie ein Staatschef und sie eben nicht", so der Chefredakteur.
Wir haben noch länger mit Moritz Hürtgen gesprochen - hören Sie hier die Langfassung des Corsogesprächs
Unantastbarer Machtmann Helmut Kohl
Auch in dieser Ausgabe arbeitet sich die "Titanic" an Altkanzler Helmut Kohl ab. "Helmut Kohl vertrat diesen alten Typ des unantastbaren Machtmannes", so Hürtgen, der "wie ein Trampel wirkte". Mit Angela Merkel sei es sehr viel schwerer, auf satirische Weise umzugehen. "Von ihrer Politik halte ich nicht viel mehr, aber sie ist geschickt und sympathisch, deswegen ist es da schwieriger 80 Titelblätter zusammenzukriegen", sagte Hürtgen.
Unabhängig und erfolgreich
Trotz eines großen Magazinsterbens gibt es die "Titanic" noch immer als Printausgabe. "Ich denke wir haben keine Konkurrenz", sagte Hürtgen. Hinzu kommt, dass die "Titanic" ganz früh schon ein anzeigenfreies Magazin war. "Wir sind nicht auf Anzeigenkunden angewiesen, sondern nur auf unsere Käufer und Leser, aber wir haben jetzt das Ziel ausgerufen, weil wir noch so gut dastehen, das wir das allerletzte Printprodukt auf dem deutschen Markt werden wollen."
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.