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41. Album von Tom Jones
Wenn der Tiger fast wie Leo klingt

Auf seinem 41. Album "Surrounded by time" interpretiert Tom Jones eine ungewöhnliche Auswahl von Fremdkompositionen. Der Bombast früher Tage oder die Pop-Ausflüge der 90er fehlen völlig. Die schleppenden Tempi und die tiefen Gesangslagen erinnern stellenweise gar an späte Aufnahmen von Leonard Cohen.

Von Fabian Elsäßer |
Musik: "Talking reality Television Blues"
Auf seine Stimme kann sich Tom Jones verlassen, trotz seiner bald 81 Jahre. Diese markerschütternde Tenorbariton-Zwischenlage, die unvermittelt ins Hysterische kippen kann, sich dann fast überschlägt, hat immer noch dieselbe Wirkung. Auf "Surrounded by time" versinkt sie aber auch in ungeahnte Tiefen, gerät ins Flüstern, Grummeln, Raunen. Fast fühlt man sich in solchen Momenten an die späten Aufnahmen von Leonard Cohen erinnert.
Jones: "Ich singe jetzt anders. Mit mehr Tiefe, weil ich mehr in die Texte hineininterpretiere als früher."
Im Titel "Talking reality Television Blues" vom US-Singer-Songwriter Todd Snider, rauscht das gesamte Zeitalter des Fernsehens im Zeitraffer an uns vorbei: Übertragung der Mondlandung, große Unterhaltungs-Sendungen in den USA mit Elvis Presley-Auftritten, die Ära der Musikvideos, als Michael Jackson mit dem Moonwalk verblüffte. Es ist auch eine Zeitreise durch das Leben des Sängers und Entertainers Tom Jones.
Jones: "Ich habe das alles erlebt. Ich war jung, als das Fernsehen in den 50er-Jahren aufkam. In den USA gab es diesen Milton Burl, der erste Mann im amerikanischen Fernsehen. Der hatte seine eigene Sendung, in der auch Elvis Presley aufgetreten ist. Den habe ich ihn sogar mal kennen gelernt. Und ich habe auch die Mondlandung im Fernsehen gesehen, um die es in dem Lied geht. Und Michael Jackson kannte ich auch."
Musik: "The Windmills of your mind"

Lieder für Eingeweihte

Quer durch die Jahrzehnte führt auch die Songauswahl dieses Albums: von den 60ern bis in die Gegenwart, von "The Windmills of your mind" vom Franzosen Michel Legrand bis hin zu einem Titel des britischen Neo-Soul-Musikers Michael Kiwanuka. Die Lieder, die Jones auf seinem 41. Album singt, sind ein Fall für Eingeweihte, meistens jedenfalls. Bis auf "The Windmills of your mind", mit dem Dusty Springfield sehr erfolgreich war, vor auch schon mehr als 50 Jahren, sind das keine Hits gewesen. Und selbst die Songs, die er sich bei sehr bekannten Komponisten geborgt hat, spielen in deren Gesamtwerk eher eine untergeordnete Rolle. Sogar der für Cover-Alben offenbar unvermeidliche Bob Dylan-Song, in diesem Fall: "One more cup of coffee".
Musik: "One more cup of coffee"
Allein diese Song-Auswahl macht "Surrounded by time" zu einem bemerkenswerten Werk. Nichts daran ist gefällig oder erweckt den Eindruck, dass hier eine Hitmaschine gebaut werden sollte. Produzent Ethan Johns, der schon seit einigen Jahren mit Tom Jones arbeitet, hat einfallsreiche, zugleich sperrige Arrangements entworfen. Immer stellt er sie in den Dienst der Stimme. Manchmal wirkt das zu unmittelbar, hätte er der Aufnahme mehr Raumklang geben können, denn dadurch entsteht ein Effekt, den der Gesang von Tom Jones eben auch haben kann: akustische Nähe bis hin zur Aufdringlichkeit.
Musik: "I’m growing old"
Es mag auch am Thema liegen.
Jones: "Das Lied "I‘ m growing old" habe ich angeboten bekommen, als ich Anfang 30 war. Ich war gerade in meiner Umkleide in Las Vegas, als dieser Typ mir dieses Lied vorgestellt hat und sagte: ich glaube, das könntest Du echt gut singen. Ich habe ihm gesagt: ich liebe es, aber jetzt kann ich das noch nicht singen. Ich bin ja erst Anfang 30. Aber ich werde es aufheben und hoffentlich kann ich es eines Tages singen. Und jetzt ist die Zeit dafür glaube ich gekommen."

Wichtige Botschaft

Man kann sich heute darüber streiten, ob ein weißer Sänger das Lied einer afroamerikanischen Bürgerrechtlerin neu vertonen darf, zumal man Tom Jones nicht eben als politischen Aktivisten in Erinnerung hatte. Immerhin ist ihm die Botschaft wichtig ist: "I won’t crumble", ich werde nicht zerfallen, nicht aufgeben.
Musik: "I won’t crumble"
Allerdings ersetzt er den politischen Kontext durch einen privaten:
Jones: "Bevor meine Frau starb, sagte sie: "Du musst weitersingen. Geh nicht mit mir unter!" Deshalb ist mir dieses Lied so wichtig. Weil sie sagte: "Du musst weitermachen. Und wenn Du an mich denkst, denke an die guten Zeiten. An die Lieder, die mich zum Lächeln gebracht haben".
Doch selbst das ist weit entfernt von echten Ärgernissen in der Karriere von Tom Jones wie diesem Brunftgesang auf die Sexbombe, mit dem der damals 59-Jährige im Jahr 1999 ein spätes, zweites Karrierehoch zündete.
Musik: "Sexbomb"
Auf "Surrounded by time" zieht ein 80-Jähriger ein versöhnliches Lebens-Resümee, und er tut es mit Songs, die ihm wichtig sind, und er zeigt dabei, dass er ihren Komponisten sehr gut zugehört hat.