Ein Gast möchte seinen Bierkrug nachgefüllt haben, ein anderer verteilt Teller mit Brei. Die fischt er von einem flachgelegten Türblatt, das zwei Männer auf Stangen gerade hereintragen. Keiner ist ausgeschlossen, nicht der hungrig zum Tisch blickende Dudelsackspieler, nicht das Kind, das am Boden sitzend einen Teller ausleckt. Nur die Braut sitzt bewegungslos mit geschlossen Augen und ineinandergelegten Händen an der Tafel.
Das Gemälde "Bauernhochzeit" von Pieter Bruegel dem Älteren gehört zu den bekanntesten Gemälden des flämischen Malers.
"Wenn er Bauern malt, dann nicht, weil er Bauer ist, sondern weil er den Bauern eigentlich ferne steht. Er malt für Städter", sagt der Kunsthistoriker Nils Büttner. Bruegel lebte seit 1563 in Brüssel, damals eine der reichsten Städte Europas. Zu den Kunden des anerkannten Malers gehörten führende Persönlichkeiten wie etwa Jan Noirot, der Münzmeister von Antwerpen.
Die "Bauernhochzeit" hing zusammen mit der "Bauern-Kirmes" von Bruegel im Esszimmer des Kunstsammlers.
Zu Lebzeiten genoss er große Wertschätzung
Nils Büttner: "Bruegel feiert in so einem Bild ein einfaches Leben, und das macht diese Bilder bis heute extrem sympathisch, weil sie eben ohne jedes Vorurteil auf das Land zu gucken scheinen."
Büttner sagt aber auch, dass Bruegels Bilder ungemein vielschichtig seien und deshalb schon damals zu lebhafter Konversation angeregt hätten. Die "Bauernhochzeit" gab Anlass, über die Todsünde Völlerei zu sinnieren. Doch da die Gäste der Hochzeit einander im Gespräch freundlich zugewandt sind, sauber gekleidet und gesittet auftreten, muss der Betrachter ihr Betragen auch loben. Vielleicht fiel Noirots bibelfesten Gästen beim Anblick des Gemäldes auch die Hochzeit von Kana ein, bei der Jesus Wasser in Wein verwandelte?
Die Werke Pieter Bruegels des Älteren waren lange vergessen und wurden erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts wiederentdeckt. Seitdem reißt der Strom der Forschungsliteratur nicht ab. Aber schon zu seinen Lebzeiten genoss der Maler große Wertschätzung, sagt Nils Büttner:
"Ich glaube, die Berühmtheit Bruegels begründet sich aus der Tatsache, dass er in der Wahrnehmung derer, die damals geschrieben haben, der Humanisten, ein bedeutender Maler war. Wer damals schrieb, sah ihn in der Nachfolge des Hieronymus Bosch, der für seine Art, Bilder zu erzählen, berühmt und gesucht war. Bruegel hat von diesem frühen Ruhm Boschs profitiert und hat auch im Auftrag eines Antwerpener Verlegers Bilder in der Art von Hieronymus Bosch gemacht, aber die wurden verkauft als von Hieronymus Bosch erfunden. Man hat also diesen Zusammenhang tatsächlich marketingmäßig hergestellt."
Doch während Hieronymus Bosch die Seelennot und die Jenseitsangst des ausgehenden Mittelalters darstellte, verwandelte Bruegel zu Beginn der Neuzeit diese Motive in mehrdeutige Sinnbilder. Die Religion ist für ihn nicht mehr der einzige Maßstab. Der um 1526 bei Antwerpen geborene Maler war auf seiner Reise nach Italien durch Paris, Lyon und Rom gekommen und arbeitete vorher und nachher als Entwerfer bei dem Antwerpener Kupferstich-Verleger Pieter Coecke van Aelst.
Zeichnungen, Jahreszeiten-Bilder, sogar religiöse Motive
Erst in seinen letzten sechs Jahren in Brüssel wurde er zum Maler. Dort entstanden seine berühmten Werke wie etwa das Gemälde "Kinderspiele", das aus unzähligen miteinander verschränkten, kleinen Szenen besteht. Nils Büttner:
"Ein Bild wie die 'Kinderspiele' beschreiben kann man in wenigen Worten eigentlich nicht. Denn tatsächlich ist für Bruegel ein Bild wie eine visuelle Rede. Tatsächlich ist die Anordnung der Motive im Bild das, was für den Satz die Grammatik ist, ist die Auswahl der Motive das, was für die Rede die Lexik ist. Und Bruegel ist ein Maler, der über seine grammatikalischen und sprachlichen Möglichkeiten viel nachdenkt und der dafür sorgt, dass man mit seinen gemalten Texten nicht allzu schnell fertig wird."
Als Pieter Bruegel der Ältere 1569 infolge einer der damals grassierenden Krankheiten starb, hatte er 40 solcher komplexer Gemälde geschaffen. Darunter sind aber auch Zeichnungen, Landschaften, Jahreszeiten-Bilder, sogar religiöse Motive. In Deutschland war der Maler lange nur als "Bauern-Bruegel" bekannt, eine Einschätzung, die den gebildeten Humanisten wahrscheinlich amüsiert hätte.