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50 Jahre deutsch-israelische Beziehungen
Gegen alle Widerstände

Vor 50 Jahren nahmen Israel und Deutschland ihre diplomatischen Beziehungen auf. Die Anfänge waren schwer und bis heute haben beide Länder kein einfaches Verhältnis. Aktuelle Entwicklungen könnten es sogar wieder komplizierter machen.

Von Ina Rottscheid |
    Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht in Jerusalem vor der Knesset.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach 2008 in Jerusalem vor der Knesset. (picture alliance / dpa / Peer Grimm)
    Berlin, an einem Freitagnachmittag Ende April. In Sichtweite der Gedächtniskirche steht eine kleine Pavillonsiedlung. Blau-weiße und schwarz-rot-goldene Fähnchen flattern im Wind. Besucher schieben sich an den Ständen vorbei, an denen Infos, Bücher und allerlei Schnickschnack angeboten werden. An der Falafel-Bude herrscht großer Andrang: "Israel, finally! And the Falafel! We're missing it."
    So manchen Israeli hat das Heimweh hierher geführt. Aber auch viele Deutsche sind gekommen zum Israel-Tag, der in diesen Wochen in allen großen deutschen Städten gefeiert wird. Anlass: die Unabhängigkeit vor 67 Jahren - und die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Deutschland vor 50 Jahren. Auch der SPD-Politiker Reinhold Robbe ist da. Er ist Präsident der deutsch-israelischen Gesellschaft, die diese Feste organisiert. Er schlendert zwischen den Ständen, jemand hat ihm eine Flasche Maccabi-Bier in die Hand gedrückt. Er schaut sich das bunte Treiben an und ist zufrieden: "Für mich was wunderbares, wenn ich sehe, dass trotz der vielen komplizierten Debatten, die wir bei uns im Lande haben und die auch in Israel geführt werden, noch so unbeschwertes Feiern möglich ist."
    Mittlerweile hopst ein Mann mit Headset vor der Bühne herum und gibt lautstark Anweisungen für Schrittabfolgen. Und kurz darauf tanzen ein paar Dutzend Menschen im Kreis, Israelis, Deutsche, Juden und Nicht-Juden.
    "Ich finde es schön hier, die Vielfalt von den Menschen, die hier sind. Es ist heute die junge Generation, eine Having-fun-Generation, und die Geschichte lastet weniger auf ihren Schultern. Ich finde das sehr bemerkenswert, denn Deutschland und Israel hatten immer wieder schwere Zeiten. Trotzdem finden hier alle zueinander und tanzen."
    "Menschen, die ihre eigene Identität verschleiern"
    Zu Beginn der 1950er-Jahre wäre das noch undenkbar gewesen. Wenige Jahre nach der Schoah und der israelischen Staatsgründung galt Deutschland vielen Juden als geächtetes Land. Deutsch wurde aus den Schulen, Theatern und dem Radio in Israel als "Nazisprache" verbannt. In den Reisepässen der neuen israelischen Staatsbürger stand: Gültig für alle Länder, außer für Deutschland.
    "Mir war klar, dass ich mit Deutschland nie irgendeinen Kontakt haben würde. Oder mit deutschen Menschen", erinnert sich Avi Primor. Er wuchs in Tel Aviv auf. Und dass er einmal Botschafter in Deutschland werden würde - für ihn damals undenkbar: "Weil das die allgemeine Stimmung bei uns unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg war. Und zwar: Was wir damals gegen Deutschland hatten war, dass wir immer von Deutschland gehört hatten, die Deutschen würden ihre Vergangenheit verdrängen. Und wir sagten, mit Menschen, die ihre eigene Identität verschleiern, mit denen kann man keinen ehrlichen Dialog führen."
    Nach der Unterzeichnung der Proklamationsurkunde am 14. Mai 1948 im Stadtmuseum von Tel Aviv hält eine nicht identifizierte Person das Schriftstück mit den Unterschriften in die Höhe, links David Ben Gurion, der erste Ministerpräsident Israels.
    Nach der Unterzeichnung der Proklamationsurkunde am 14. Mai 1948 im Stadtmuseum von Tel Aviv hält eine nicht identifizierte Person das Schriftstück mit den Unterschriften in die Höhe, links David Ben Gurion, der erste Ministerpräsident Israels. (picture alliance / dpa)
    Doch so groß die Ablehnung alles Deutschen auch sein mochte: Der junge israelische Staat musste ganz reellen Problemen ins Auge blicken: Nach dem Unabhängigkeitskrieg war das Land in der Region isoliert, die Wirtschaft ächzte unter dem Zustrom der Einwanderer. Um einen Staatsbankrott abzuwenden, war Präsident Ben Gurion für die pragmatische Lösung: Deutsches Geldes in Form von Reparationszahlungen.
    Die Frage sorgte für tumultartige Auseinandersetzungen vor und in der Knesset. Menachem Begin, der spätere israelische Ministerpräsident, zählte zu den entschiedenen Gegnern dieser sogenannten "shilumim". Ebenso zahlreiche andere Holocaustüberlebende. Schier unerträglich erschien ihnen die Vorstellung, über den Wert des durch den Holocaust entstandenen Schadens verhandeln zu müssen.
    Ein Abkommen zur Wiedergutmachen
    Und auch in der damaligen BRD gab es große Widerstände gegen solche Pläne. Aber am Ende setzte sich die Realpolitik durch. Israel brauchte Devisen und Unterstützung. Und Bundeskanzler Konrad Adenauer suchte die moralische Anerkennung der Westmächte, deswegen sprach er sich für das sogenannte Wiedergutmachungsabkommen aus:
    "Im Namen des deutschen Volkes sind aber unsagbare Verbrechen begangen worden, die zur moralischen und materiellen Wiedergutmachung verpflichten, um damit den Weg zur seelischen Bereinigung unendlichen Leides zu erleichtern."
    Am 10. September 1952 setzten er und Israels Außenminister Moshe Sharett ihre Unterschriften unter das Luxemburger Abkommen, das die Bundesrepublik verpflichtete, Geld und Investitionsgüter im Wert von 3,45 Milliarden D-Mark an Israel zu liefern. Schon damals hätte David Ben Gurion auch gerne diplomatische Beziehungen zu Deutschland aufgenommen, als Brücke in den Westen.
    Doch Adenauer wollte nicht: "Die Bundesrepublik befürchtete, dass die arabische Welt bei einem solchen Schritt die DDR anerkennen würde", erklärt der Politikwissenschaftler Martin Kloke. Denn die Hallstein-Doktrin beanspruchte die alleinige Vertretung Deutschlands durch die BRD, die diplomatische Anerkennung der DDR wollte man unter allen Umständen verhindern.
    "Und was tut man in so einer Situation? Man versucht, unterhalb des offiziellen diplomatischen Niveaus sich irgendwie zu verständigen. Und da hat es dann Geheimverhandlungen gegeben zwischen Franz Josef Strauß und Shimon Peres, wo Strauß das Angebot gemacht hat: Wir liefern Waffen an Israel - heimlich und für diesen Deal werden wir die Aufnahme diplomatischer Beziehungen vielleicht nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag, aber zumindest auf lange Zeit erst mal vertagen."
    "Im Grunde ein Kollateralschaden gewesen"
    Deutschland versuchte den Spagat, sich Israel und die arabischen Staaten gleichermaßen gewogen zu halten. Das ging gut, bis der Waffendeal 1964 aufflog: Die Empörung in der arabischen Welt war groß, Ägyptens Präsident Nasser lud daraufhin im Februar 1965 den DDR-Staatsratsvorsitzenden Walter Ulbricht ein:
    "Die Tür öffnet sich und jetzt tritt Walter Ulbricht heraus und aus der Menge drängen immer wieder Zurufe und Ovationen der Freundschaft. 'Herzlichen Dank für die freundliche Einladung! Ich bin sehr froh darüber, dass ich die Möglichkeit habe, Sie persönlich und ihr Volk näher kennen zu lernen!'" Ulbricht wird mit allen Ehren empfangen, der Alleinvertretungsanspruch der Bundesrepublik ist dahin. Und Kanzler Ludwig Erhard entscheidet sich für die Flucht nach vorn:
    "Die Aufnahme diplomatischer Beziehungen war sozusagen nicht die Frucht moralischer Einsicht, sondern es ist im Grunde ein Kollateralschaden gewesen. Weil eben dieser geheime Waffenhandel aufgeflogen ist, und man musste jetzt reagieren. Und man hat dann gesagt, jetzt können wir den Israelis diese Beziehungen nicht mehr vorenthalten."
    David Ben Gurion (l), der ehemalige israelische Premierminister, Bundeskanzler Konrad Adenauer (M) und ein Dolmetscher (r) am 09.05.1966 im Kibbuz Sede Bokar nach dem Mittagessen im Gespräch. Adenauer besuchte das Kibbuz während seines Staatsbesuches in Israel und bekam von Ben Gurion dessen neustes, in Großbritannien erschienenes Buch "The Jews in Their Land" mit einer persönlichen Widmung geschenkt.
    David Ben Gurion (l.), der ehemalige israelische Premierminister, Bundeskanzler Konrad Adenauer und ein Dolmetscher am 09.05.1966 im Kibbuz Sede Bokar im Gespräch. (picture alliance / dpa / Michael Maor)
    Und so verkündete der damalige Regierungssprecher Karl-Günther von Hase: "Deutschland und Israel haben am 12. Mai 1965 diplomatische Beziehungen aufgenommen. Damit wurde ein wichtiger Schritt auf dem Wege zu einer Normalisierung der Verhältnisse im Nahen Osten getan."
    Proteste gegen ersten deutschen Botschafter in Israel
    Wieder kam es zu wütenden Protesten in Israel. Dass der erste deutsche Botschafter in Israel, Rolf Pauls, ehemaliger Wehrmachtsoffizier war, war dabei nicht gerade hilfreich.
    "Trotz der ursprünglich so starken Absperrungsmaßnahmen der Polizei sind doch einige hundert Demonstranten bis hier in die Nähe des Sitzes des Staatspräsidenten durchgebrochen. Es fliegen auch einige Steine hier über die Mauer herüber, und die berittene Polizei versucht jetzt mit Knüppeln die Demonstranten wieder zurückzutreiben. Die Rufe, die man jetzt hört sind: Nazi! Nazi!, im Sprechchor."
    Später glätten sich die Wogen und am Ende gelang Pauls trotz des schwierigen Anfangs eine gute Amtsführung. Rückblickend sagte er: "Im ganzen Ablauf der Geschichte nach dem Krieg muss man sagen, dass gemessen an dem, was geschehen war, selbst 20 Jahre nach dem Krieg noch relativ früh war. Aber es war gut, es zu tun, denn eine ideale Zeit für die Aufnahme dieser Beziehungen würde es nie geben, konnte es nie geben."
    Als im Juni 1967 der Sechs-Tage-Krieg ausbrach, mit dem Israel mit einem Präventivschlag auf die Drohung der arabischen Nachbarn reagierte, kam es zu einer breiten Welle der Solidarität in Deutschland. Israels Existenz schien auf der Kippe zu stehen; allerorten gingen die Menschen auf die Straße, und in Berlin rief der Schriftsteller Günter Grass vor Studenten zur Hilfe für Israel auf: "Wir sind die Schuldner, unser Gläubiger ist bedroht, auch wenn Kreise in der Bundesrepublik wie in der DDR insgeheim hoffen, so einen Gläubiger los werden zu können."
    Die deutsch-israelischen Beziehungen sind auf dem Höhepunkt, nie wieder sollte es in Deutschland so viele Sympathie für das kleine Land geben.
    Andere Entwicklung in der DDR
    Der Osten hingegen entwickelte sich in die entgegen gesetzte Richtung: Die DDR-Staatsführung hatte stets jegliche Verantwortung für den Nationalsozialismus und die Judenvernichtung abgelehnt. Für sie war Israel - gemäß der sowjetischen Linie - ein Vasall der amerikanischen "Kriegshetzer" und "Imperialisten". Und auch im Westen schlug die Stimmung recht bald nach dem Sechs-Tage-Krieg um: Kritik an der israelischen Besatzung wurde laut, die Solidarität mit den Palästinensern wuchs, sagt der Politikwissenschaftler Kloke: "Das war sicherlich der David-gegen-Goliath-Effekt, dass man plötzlich Israel nicht mehr als David, sondern als den Besatzer, den Goliath wahrgenommen hat."
    Und auch auf politischer Ebene hält man sich zurück: Als Israel 1973 von seinen Nachbarstaaten an seinem höchsten Feiertag, dem Yom Kippur, überfallen wird, untersagte Bundeskanzler Willy Brandt den Amerikanern, Waffen von deutschen Depots nach Israel zu transportieren.
    "Es spricht einiges dafür, dass sozusagen im Umfeld der erstarkenden OPEC, der Erdöl exportierenden Staaten, dass das sicher eine Rolle gespielt hat, dass Willy Brandt die offizielle Neutralität konsequent nach außen signalisieren wollte, der arabischen Welt gegenüber. Und es gab mehrere solcher Gelegenheiten, wo die offizielle Politik Deutschland oder der Bundesrepublik in Israel auf Unmut gestoßen ist."
    Schlagabtausch zwischen Schmidt und Begin
    1977 wird Menachem Begin israelischer Ministerpräsident, er und sein deutsches Gegenüber, Bundeskanzler Helmut Schmidt, können nicht miteinander. Die deutsch-israelischen Beziehungen steuern auf ihren Tiefpunkt zu. Als Schmidt lautstark die israelische Siedlungspolitik kritisiert und sich für Waffengeschäfte mit Saudi-Arabien ausspricht, kommt es zum offenen Schlagabtausch: Begin beschimpft Schmidt öffentlich einen treuen Gehilfen Hitlers.
    Auch nach der Abwahl der beiden Politiker wird die Stimmung in Deutschland nie wieder so wie 1967. 1982 marschiert Israel im Libanon ein, ein Einsatz, der auch in Israel selbst höchst umstritten ist. In den Augen vieler Deutscher sind aus den einstigen Opfern Täter geworden, neben sachlicher Kritik entwickeln sich zunehmend verzerrte Formen der Anklage - bis hin zum Vergleich der Nazi-Verbrechen mit den Aktionen der Israelis im Libanon.
    "Und dieser Trend hat eigentlich bis heute angehalten", sagt Martin Kloke: "Dass zwar die offiziellen Beziehungen sehr gut sind und auch in diesem Jahr die vielen Feierlichkeiten zeigen das ja auch und gibt eine breite kulturelle, wirtschaftlichen Zusammenarbeit, einen Jugendaustausch, wunderbare Formen der Zusammenarbeit. Das ist auch alles wahr und stimmt und ist auch gut so. Aber gleichzeitig ist neben diesen auch politisch guten Beziehungen gibt es doch auch eine große Reserviertheit mindestens in der Hälfte der deutschen Bevölkerung."
    Tatsächlich schwindet bei der deutschen Bevölkerung das Verständnis für die Existenzängste Israels. Immer häufiger verschwimmen die Grenzen zwischen sachlicher Kritik und Antisemitismus, so wie im Sommer 2014 während des Gaza-Krieges: "Jude, Jude, feiges Schwein!"
    Eine junge Frau mit Kippa nimmt am Samstag (15.09.2012) in Berlin an einer Demonstration teil. Der Kippa-Spaziergang, zu dem im Internet aufgerufen worden war, sollte ein Zeichen gegen Antisemitismus setzen und fand auch anlässlich des bevorstehenden jüdischen Festes Rosch ha-Schana (jüdischer Neujahrstag) statt.
    Eine junge Frau mit Kippa nimmt in Berlin an einer Demonstration gegen Antisemitismus teil. (picture-alliance / dpa / Britta Pedersen)
    Dass so etwas 70 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz wieder offen auf deutschen Straßen gegrölt wird, löst vor allem bei vielen Juden und Israelis in Deutschland Beklemmung aus. Erstmals sei Auswandern wieder ein ernsthaftes Thema, sagt der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Abraham Lehrer. Er und die Mitglieder in seiner Gemeinde in Köln beobachten die Entwicklungen mit großer Wachsamkeit:
    "Aus der Geschichte lernen sie. Und eine Lehre, die wir gezogen haben, ist, dass wir uns rechtzeitig mit diesem Thema beschäftigen. Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, es gibt noch keinen Grund wegzugehen. Insofern würde ich sagen, Angst ist es nicht. Aber, ich sage mal, es ist schon erschreckend, wenn Sie diese Rufe hören."
    "Diesen Bodensatz hat es immer gegeben"
    Einer Studie der Bertelsmann-Stiftung zufolge vergleichen heute über 40 Prozent der Deutschen die Politik Israels gegenüber den Palästinensern mit dem Holocaust. Auf politischer Ebene bedienen sich auch Teile der Linkspartei und der AfD antisemitischer Argumentationsmuster. Aber neu sei das nicht, sagt Lehrer:
    "Diesen Bodensatz hat es immer gegeben, nur die Leute trauen sich mehr, ihre wirkliche Meinung zu sagen. Also das, was wir ja schon seit Langem gesagt haben, dass der Anti-Israelismus, die Kritik an Israel schon seit Jahren dazu genutzt wird, um antisemitische Dinge offen auszusprechen. Ich glaube, die letzten 12, 16 Monate haben uns ja wirklich gezeigt, dass das so ist."
    Trotzdem zieht es tausende Israelis jedes Jahr nach Deutschland. Ihre Gründe sind überraschend normal, sagt Grisha Alroi Arloser. Er ist Geschäftsführer der Israelisch-Deutschen Industrie- und Handelskammer und ist in Deutschland und Israel aufgewachsen:
    "Ich glaube, dass Berlin in diesem Zusammenhang so ein bisschen die Rolle von New York im 20. Jahrhundert übernommen hat. Und wer Tel Aviv kennt, der wird sehr leicht erkennen, dass es viele Ähnlichkeiten zwischen Berlin und Tel Aviv gibt."
    "Meschugge"-Partys in Berlin der Renner
    Ein bisschen Tel Aviv in einer Bar in Berlin an einem Freitagabend: An einem Mischpult steht der Israeli Aviv Netter, hinter ihm hängt im Großformat die weiß-blaue Nationalflagge mit dem Davidstern. Israelische Popmusik wummert durch den Raum, schnell füllt sich die Tanzfläche. Diese "Meschugge"-Partys gibt es jetzt schon seit acht Jahren.
    "Das ist eine witzige Geschichte. Ich saß in meiner Stammkneipe und der Barkeeper sagte zu mir: willst du nicht mal eine israelische Party hier machen? Das war 2007, ich glaube es gab noch nicht einmal Direktflüge von Tel Aviv nach Berlin und ich dachte damals, ich wäre der einzige Israeli in Berlin. Und ich sagte: Bist du meschugge?!"
    Der Name war gefunden, und die Party ist der Renner, bei Israelis und bei Deutschen gleichermaßen.
    "Ich konnte das selber nicht glauben. Ich dachte, ok, du machst das einmal, bekommst Freigetränke und hast einen netten Abend. Und dann kamen so viele, die Schlange am Eingang war so lang, dass gar nicht alle reinkamen. Das war großartig!"
    Aviv Netter kam auf Einladung der Jusos nach Berlin, in Israel war er politisch aktiv gewesen. Es gibt viele unterschiedliche Gründe, was die Israelis nach Berlin zieht. Sie kommen trotz, wegen oder auch ungeachtet der Geschichte:
    "Ich kam mit sehr gemischten Gefühlen hierher, denn natürlich lernst du in Israel alles über den Holocaust. Und dann kam ich nach Berlin und es war anders: Es ging weniger um die Vergangenheit und den Tod, als vielmehr um die Gegenwart und das Leben. Ich war überrascht und ich habe mich in die Stadt verliebt!"
    Bekenntnis zum Existenzrecht Israels
    Vielleicht braucht es erst eine dritte Generation, die eine Normalität leben kann? Oder vielleicht gibt es sie nicht, DIE deutsch-israelischen Beziehungen, sondern nur Beziehungen zwischen Israelis und Deutschen, die so unterschiedlich sind wie die Menschen.
    Auf politischer Ebene steht das Bekenntnis zur Verantwortung für das Existenzrecht Israels. Das versicherte auch Bundeskanzlerin Angela Merkel, als sie 2008 als erste ausländische Regierungschefin vor der Knesset sprach:
    Bundeskanzlerin Angela Merkel und Benjamin Netanjahu schütteln die Hand.
    Angela Merkel und Benjamin Netanjahu (picture alliance / dpa / Jim Hollander)
    "Jede Bundesregierung und jeder Bundeskanzler vor mir waren der besonderen historischen Verantwortung Deutschlands für die Sicherheit Israels verpflichtet. Diese historische Verantwortung Deutschlands ist Teil der Staatsraison meines Landes."
    Und die Israelis glauben der Kanzlerin, obwohl das Verhältnis zwischen ihr und Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu unterkühlt ist und große Teile des Bundestages Israel für seine Politik gegenüber den Palästinensern kritisiert. Aber offenbar gibt es ein Grundvertrauen. Und vielleicht, so überlegt Grisha Alroi-Arloser, sind Deutschland und Israel so etwas wie ein altes Ehepaar:
    "Man sagt einfach: vor dem Altar wünscht sich der Mann insgeheim, dass seine Braut immer so bleiben möge, wie sie heute ist. Und die Frau wünscht sich insgeheim, dass sich ihr Mann doch bitte ändern mag. Und ich glaube, zwischen Deutschland und Israel ist es relativ ähnlich gewesen: Als man dann gegen viele Widerstände die diplomatischen Beziehungen aufnahm, da haben sich die Israelis sich insgeheim gewünscht, dass die Deutschen sich geändert haben mögen. Und die Deutschen haben sich insgeheim gewünscht, dass die Israelis immer so blieben, wie sie damals waren. Und wie in der Ehe hat sich beides nicht wirklich bewahrheiten können. Die Frauen ändern sich doch und bleiben nicht so wie an jenen Tag. Und die Männer bleiben doch teilweise so, wie sie waren und ändern sich nicht. Und das ist zwischen Deutschen und Israelis sehr ähnlich gewesen, und jetzt stellt sich natürlich die Frage, ob das ein Scheidungsgrund ist. Und ich glaube, dass es keiner ist. Ich glaube, dass es eher ein Grund ist sich zusammen zu raufen. Zu begreifen, warum wir anders sind und warum wir dennoch sehr, sehr viel gemeinsam haben. Und darauf sollten wir achten, das sollten wir entwickeln."