Gespaltene Gesellschaft. In den letzten Monaten gab es immer wieder Stimmen aus den USA, die warnten: Wenn Präsident Trump seines Amtes enthoben würde, gäbe es in den USA einen zweiten Bürgerkrieg. Düstere Prophezeiung oder nur die Analyse eines zerrissenen, brodelnden Landes? Es wirkt jedenfalls 50 Jahre nach "Easy Rider" wie ein Déjà-vu.
"Wir haben's geschafft!"
Der Traum von der Freiheit: Zwei fahren mit dem Motorrad durchs Land, von Los Angeles nach New Orleans zum Mardi Gras, um die Essenz von Amerika zu erleben. Doch kurz vor Ende des Films fällt ein kryptischer Satz am Lagerfeuer:
Billy: "Geschafft, geschafft, wir haben es geschafft. Wir sind reich, Wyatt. Jetzt können wir uns in Florida in die Sonne legen, Mister. Darum dreht sich doch alles, Du weißt doch. Man sieht zu, dass man ans große Geld kommt und dann ist man frei."
Wyatt – Peter Fonda – antwortet Billy – Dennis Hopper - nur:
Wyatt: "We blew it."
"Wir haben's vermasselt"
"We blew it!" - "Wir haben´s vermasselt". Das war ´69. Kein Mensch verstand damals, was das bedeuten sollte. Denn der Film "Easy Rider" war doch gerade Hymne der rebellischen Gegenkultur, stand für den Aufbruch, wunderbar zusammengehalten vom Rock´n´Roll-Soundtrack der Zeit: Steppenwolf, Jimi Hendrix, den Byrds, Roger McGuinn, The Band. Und dann unerwartet solch dunkle Vorahnung?
Wyatt: "We blew it."
Aber von was? In diesem Satz ,"we blew it!", implodiert alle Leichtigkeit der Rebellen auf ihren Harleys, die ...
"Haben Sie ein Zimmer?"
... die schon bei ihrem ersten Versuch, ein Motelzimmer zu bekommen, scheitern. So wie der Fremde vom Redneck beziehungsweise vom amtierenden US-Präsidenten unter generellen Terrorverdacht gestellt wird, so war der kiffende Hippie ...
"Du musst den Rauch länger in der Lunge lassen."
... Ende der 1960er Symbol für Unordnung und Chaos, die das alte System erschüttern, vielleicht sogar aus den Angeln heben würde. So die Angst.
Eine ganz neue Zeit
"Easy Rider" stand auch als Film für eine ganz neue Zeit. ´67, ´68. Finanziell waren die alten Hollywood-Studios angeschlagen. Eine neue Generation von Filmemachern wartete. Das Startzeichen gab Warren Beatty mit "Bonnie und Clyde", und Peter Fonda hatte die Idee zu einem Road-Movie, ach was, zu dem Road-Movie schlechthin, in dem zwei Freaks auf Motorrädern durchs Land fahren, die Kohle von einem Drogendeal im Tank. Irgendwie schafften Dennis Hopper als Regisseur und Peter Fonda als Produzent es, "Easy Rider" zu drehen. Später versuchte der durchgeknallte Hopper, Peter Fonda die Co-Autorenschaft per Gerichtsbeschluss zu entziehen.
Eines lernt man auch bei "Easy Rider": Gute Filme sind das eine, gute Menschen das andere, beides hat nicht unbedingt etwas miteinander zu tun.
Startschuss für "New Hollywood"
"Bonnie und Clyde" und "Easy Rider" - heute ein Klassiker - waren also Startschuss für das "New Hollywood", in dem der Regisseur und nicht allein der Produzent etwas galt. Die großen, auch größenwahnsinnigen Filmemacher – Coppola, Cimino oder Scorsese – wurden eine Dekade später von den Statthaltern der alten Studios entmachtet, die mit dem Riesenerfolg von Spielbergs "Der weisse Hai" das Blockbusterprinzip feierten. Bezog sich der Satz in "Easy Rider" ...
Wyatt: "We blew it!"
... auf die Ahnung, dass das Kassenprinzip die Kunst wieder besiegen würde? Oder dürfen, können, müssen wir dieses "Wir-haben´s-Vermasselt!" als düsteres Statement lesen, dass es keine Chance auf einen gesellschaftlichen Wandel gibt, der ja Ziel der 68er-Gegenkultur war?
Hat sich was verändert?
Billy und Wyatt werden am Ende von ihren Harleys geschossen werden. Und natürlich stellt sich die Frage, ob sich am gesellschaftlichen Klima irgendetwas verändert hat, wenn heute ein Rassist im gleichen Geiste wie die schießenden und lachenden Rednecks in "Easy Rider" mit dem Auto in Charlottesville in eine Gruppe von Menschen fährt, die gegen einen Aufmarsch von Rechtsextremisten demonstrieren? "Easy Rider" bleibt auch nach einem halben Jahrhundert schmerzhaft aktuell.