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50 Jahre Greenpeace
Hinfahren und die Skandale vor die Kameras bringen

Vor 50 Jahren versuchten Umweltschützer einen Atombombentest vor Alaska zu verhindern. Die Aktion gilt als Geburtsstunde von Greenpeace. Für die Umweltorganisation sei die größte Herausforderung heute die Menschheitsaufgabe Klimaschutz, sagte Martin Kaiser, Geschäftsführer von Greenpeace Deutschland, im Dlf.

Martin Kaiser im Gespräch mit Georg Ehring |
May 1, 2014 - Rotterdam, Netherlands - A banner reading No Arctic oil! hangs from Greenpeace s Rainbow Warrior docked next to the Russian oil tanker Mikhail Ulyanov at the harbour of Rotterdam on May 1, 2014. Dutch police arrested around 30 Greenpeace activists, including the captain of the lobby group s iconic Rainbow Warrior, as they tried to stop the Russian tanker delivering Arctic oil from docking. PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY - ZUMAn23 May 1 2014 Rotterdam Netherlands a Banner Reading No Arctic Oil Hangs from Greenpeace S Rainbow Warrior docked Next to The Russian Oil Tankers Mikhail Ulyanov AT The Harbour of Rotterdam ON May 1 2014 Dutch Police Arrested Around 30 Greenpeace activists including The Captain of The Lobby Group S Iconic Rainbow Warrior As They tried to Stop The Russian Tankers Delivering Arctic Oil from Docking PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY ZUMAn23
Das Schiff "Rainbow Warrior" der Umweltschutzorganisation Greenpeace bei einem Protest in Rotterdam gegen russische Ölförderung 2014 in der Arktis (IMAGO / ZUMA Press)
Vor genau 50 Jahren wollten die USA eine Atombombe auf der Insel Amchitka vor Alaska testen. Eine Gruppe von Aktivistinnen und Aktivisten besorgte sich einen Fischkutter und fuhr dort hin, um mit ihrer Anwesenheit den Test zu vereiteln. Das gelang zwar nicht, doch die Aktion war die Geburtsstunde der Umweltschutzorganisation Greenpeace, die noch heute weltweit aktiv ist.
Das Anliegen der Gründerinnen und Gründer von Greenpeace sei es gewesen, "zu Skandalen, die weit weg von den Kameras liegen, hinzufahren, um Zeugnis abzulegen und das in die Welt zu bringen", sagte Martin Kaiser, Geschäftsführer von Greenpeace Deutschland. Das habe letztlich doch dazu beigetragen, dass oberirdische Atombombentests später verboten wurden.
Ein Aktivist von Greenpeace landet im Stadion.
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Kaiser: Noch keine Trendumkehr bei fossilen Brennstoffen

Gerade in der Anfangszeit der Organisation sei die offensichtliche Verschmutzung der Umwelt so groß gewesen, dass es einfach gewesen sei, Umweltprobleme anzugehen und zu lösen. Dazu gehörten unter anderem die Verklappung von Dünnsäure und das Versenken von Ölplattformen, so Kaiser. Nicht gelungen sei bisher aber die große Trendumkehr bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe.
Klimaschutz sei allerdings die große Menschheitsaufgabe: "Wir haben jetzt die Wahl, ob wir Klimaschutz oder Klimachaos wollen", sagte Kaiser: "Wenn wir jetzt nicht das Ruder herumreißen, dann werden unsere Kinder und vor allem auch unsere Enkel eine Welt vorfinden, die sie nicht haben wollen."

Das Interview im Wortlaut:
Georg Ehring: Hat die Aktion vor 50 Jahren eigentlich den Atombombentest verhindert?
Martin Kaiser: Die Aktion selber hat den Atombombentest nicht verhindert, aber sie hat dazu beigetragen, dass diese Tests mittlerweile verboten sind. Das war ja auch das Anliegen der Gründerinnen und Gründer von Greenpeace, dass sie zu Skandalen, die weit weg liegen von den Kameras, hinfahren, um Zeugnis abzulegen und das in die Welt zu bringen. Es hat dazu beigetragen, dass oberirdische Atombombentests im Nachgang verboten wurden.
Bild aus dem Jahr 2015: Der damalige französche Präsident Francois Hollande, der damalige französche Außenminister Laurent Fabius, die damalige Klimachefin der UN, Christiana Figueres und der damalige Generalsekretär der Vereinten Nationen Ban Ki-Moon feiern das Pariser Klimaabkommen.
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Ehring: Sie haben in den vergangenen 50 Jahren immer wieder spektakuläre Aktionen gemacht – in Deutschland zum Beispiel mit Schwimmern gegen die Verklappung von Dünnsäure in der Nordsee, gegen die Versenkung der Ölplattform Brent Spar, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Was hat das der Umwelt gebracht?
Kaiser: Gerade in der Anfangszeit von Greenpeace war die offensichtliche Verschmutzung der Umwelt so groß, dass es ein Leichtes war, diese Probleme anzugehen und zu lösen: Die Verklappung von Dünnsäure wurde verboten, auch das Versenken von Ölplattformen der Firma Shell, aber auch von anderen in der Nordsee, wurde 1998 verboten. Insofern hat es erste Erfolge gebracht. Was es bisher nicht gebracht hat: die große Trendumkehr bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe.

"Haben uns sehr gefreut, dass die Bundeskanzlerin gekommen ist"

Ehring: Greenpeace verändert sich. Sie haben Bundeskanzlerin Angela Merkel als Gast bei Ihrer Jubiläumsfeier gehabt. Früher ging es immer gegen die Mächtigen. Was hat sich da verändert?
Kaiser: Wir haben uns sehr gefreut, dass die Bundeskanzlerin gekommen ist. Das zeigt ja auch gewisse Größe, denn es war gerade die Bundeskanzlerin in den letzten 16 Jahren, die wir immer wieder kritisiert haben für ihre zaghafte Klimapolitik, die nicht dazu geführt hat, die Treibhausgase in Deutschland signifikant zu senken. Gerade im Verkehrsbereich sind die Emissionen immer noch so hoch. Und trotzdem ist sie gekommen, was zeigt, dass Greenpeace eine wichtige Rolle spielt in unserer Gesellschaft spielt und auch weiterhin spielen wird.
Ehring: Müssten Sie dann nicht mehr Distanz halten?
Kaiser: Wie gesagt, wir haben die Bundeskanzlerin und auch die Union gerade in den letzten Jahren massiv für eine verfehlte Klimapolitik, aber auch für eine verfehlte Agrarpolitik kritisiert. An solch einem Jubiläum ist es in einer Demokratie auch angemessen, dass man mal gemeinsam Bilanz zieht, und da haben wir uns sehr gefreut, dass die Kanzlerin Greenpeace als eine sehr wichtige Organisation in unserer Gesellschaft sieht, die vieles bewegt hat.
Ehring: Ziviler Ungehorsam und Regelbruch ist ja ein altes Markenzeichen von Greenpeace. Müssen Sie sich nicht nach den Entscheidungen demokratischer Parlamente richten und allenfalls argumentativ dagegen vorgehen?
Kaiser: Wir haben es in diesem Jahr und auch schon in den letzten Jahren gesehen, gerade mit der Jahrhundertkatastrophe der Fluten im Westen Deutschlands, dass wir uns in einer akuten Klimakrise befinden. Das Pariser Klimaabkommen, was ja 2015 auch von Deutschland unterzeichnet und ratifiziert wurde, wird in Deutschland immer noch nicht umgesetzt und das prangern wir immer wieder an, dass internationales Recht in den einzelnen Ländern nicht umgesetzt wird, auch nicht in Deutschland. Dafür sind die Aktionen dann unser Mittel, um das in die öffentliche Debatte zu bringen.

"Unabhängigkeit von Wirtschaft und Politik"

Ehring: Wie steht es denn um die interne Struktur von Greenpeace? Sie haben sehr viele Förderer, aber relativ wenige Mitglieder, die entscheiden dürfen. Ist das eine demokratische Struktur?
Kaiser: Ja, wir haben natürlich eine demokratische Struktur, denn wir sind ein gemeinnütziger und anerkannter Verein hier in Deutschland. Und wir freuen uns sehr, dass wir wachsende Unterstützung von vielen, vielen Förderer*innen haben, mittlerweile 630.000, mehr als jede Partei hier in Deutschland. Das gibt uns auch die Unabhängigkeit von Wirtschaft, die Unabhängigkeit von Politik, und wir können wirklich Ross und Reiter benennen.
Das Foto zeigt Greenpeace-Chefin Jennifer Morgan.
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Ehring: Greenpeace entscheidet politisch, wogegen Sie vorgehen und wogegen nicht. Liegen Sie da immer richtig, beispielsweise wenn Sie gegen Atomkraft aktiv sind, und heute haben wir jede Menge Kohle und Gas in der Stromerzeugung, die dann das Klima belasten?
Kaiser: Gerade der Ausstieg aus der Atomenergie war mehr als notwendig. Fukushima 2011 hat ja gezeigt, was passieren kann, wenn Reaktoren außer Kontrolle geraten. Deswegen war es richtig und wichtig, dass die breite Atombewegung das in Deutschland geschafft hat. Natürlich muss jetzt der Kohleausstieg kommen und gerade da ist es klar, wir müssen in diesem Jahrzehnt aus der Verbrennung von Kohle aussteigen. Das ist genau das, was die derzeitige Bundesregierung ja nicht machen will, und deswegen sind wir da weiterhin im Protest.

"Wahl zwischen Klimaschutz und Klimachaos"

Ehring: Was ist denn für Sie die größte Herausforderung für die Zukunft?
Kaiser: Die Menschheitsaufgabe Klimaschutz, denn wir haben jetzt die Wahl, ob wir Klimaschutz oder Klimachaos wollen. Wenn wir jetzt nicht das Ruder herumreißen mit einer neuen Mobilitätspolitik, mit einer Energiepolitik, die zu 100 Prozent auf Erneuerbare setzt, und einer neuen Landwirtschaftspolitik, dann werden unsere Kinder und vor allem auch unsere Enkel eine Welt vorfinden, die sie nicht haben wollen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.