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50 Jahre "Internationale Kurzfilmtage" in Oberhausen

Ferudostan: Werner Herzog, Roman Polanski, Martin Scorsese und viele andere berühmte Regisseure haben ihr erstes Publikum an einem Ort gefunden, der wenig glamourös ist: Oberhausen, mitten im Pott. Seit 1954 ist die Ruhrgebietsstadt Schauplatz eines außerordentlich renommierten Filmfestivals. 'Westdeutsche Kulturfilmtage' hieß es früher, inzwischen hat es sich unter 'Internationale Kurzfilmtage' weltweit einen großen Namen gemacht. Jetzt, in diesen Tagen im Jubiläumsjahr, laufen über 5000 Produktionen im Wettbewerb, 153 Filme wählt eine Kommission aus. Für den internationalen und deutschen Wettbewerb, Kinder- und Jugendfilm und für die Sparte Musikvideos. Der kürzeste Streifen dauert gerade mal 30 Sekunden, der längste 38,5 Minuten. Außerdem zeigt eine Retrospektive mehr als 100 Kurzfilme, die inzwischen als Klassiker gelten. Hilmar Hoffmann, einstmals Präsident des Goethe-Instituts, davor unter anderem Kulturdezernent der Stadt Frankfurt und Direktor der Volkshochschule in Oberhausen hat vor 50 Jahren die Internationalen Kurzfilmtage gegründet. Ich habe ihn gefragt, wieso aus den 'Kulturfilmtage' die 'Kurzfilmtage' geworden sind.

Moderation: Ferdos Ferudostan |
    Hoffmann: Der Kulturfilm war als Begriff negativ besetzt durch die Nazis. Die hatten ja zu jedem Spielfilm einen ideologischen Kulturfilm im Kino. Und diesen Begriff haben wir dann abgestreift und Kurzfilm genannt. Das umschließt dann eben auch den kurzen Spiel-, Dokumentar- oder Trickfilm, also eher nach metrischen Maßstäben. Die Filmbewertungsstelle hat unter Kurzfilm immer ein Filmlänge von 36 Minuten verstanden

    Ferudostan: Was hat Sie an dieser kurzen Form fasziniert?

    Hoffmann: Natürlich hat mich eigentlich die Pragmatik dazu überredet, weil es schon ein großes Spielfilmfestival in Berlin gab und auf der Welt auch in Venedig und Cannes, aber außer in Tours gab es kein großes, wichtiges Kurzfilmfestival und dann dachten wir, wir gehen in diese Lücke in Deutschland hinein und sind ja seitdem auch das führende Kurzfilmfestival geblieben.

    Ferudostan: Inzwischen ist es ja ein weltweit bekanntes und renommiertes Festival. Wie war das Echo in den Anfängen?

    Hoffmann: In den allerersten Jahren war es natürlich schwierig, weil niemand den Namen Oberhausen kannte im Ausland. Aber wir brauchten dort eben doch auch ein Signal und das haben wir dadurch gesetzt, dass wir auf die Idee kamen, dieses erste große Festival in einer Zeche zu eröffnen, nämlich in der siebten Sole der Zeche Concordia und diese Meldung ging dann über dpa wirklich in alle Welt und wir hatten dann auf Anhieb beim ersten internationalen Festival viele Gäste. Die vielen Filme, die später Oberhausen berühmt gemacht haben, die aus dem Ostblock kamen, kamen erst im Jahre 1956/57, da waren die ersten Trickfilme von so berühmten Leuten wie Trenka und Bretislav Pojar aus Prag, Roman Polanski hatte seine allerersten Filme hier in Frankfurt, nicht in Cannes oder Venedig. Diese Leute, die alle vom Kurzfilm kamen, habe ihre ersten Filme alle in Oberhausen gezeigt und außerdem muss man sagen hat uns das Renommee von berühmten Regisseuren sehr geholfen, die in den ersten drei, vier Jahren unsere Jurypräsidenten waren.

    Ferudostan: Sie sprachen eben den Trickfilm an, der als Gattung oder Kategorie aus Osteuropa kam. Welche Gattungen hat denn Oberhausen noch bekannt gemacht?

    Hoffmann: Hauptsächlich der Undergroundfilm aus den damals so genannten Ländern der Dritten Welt, die auf ihr soziales Elend aufmerksam gemacht haben oder die Undergroundfilme aus den Vereinigten Staaten, die man damals die Off-Hollywood-Filme nannte und dann natürlich die Filme aus Kuba. Das hat ja fast das Festival zum Erschüttern gebracht, weil der amerikanische Botschafter mit großem Applaus seine Zusage zurücknahm und Amerika von da an keine offiziellen Filme mehr schickte, was uns übrigens damals sehr gelegen kam, damit wir diese langweiligen Unsinnsplotte nicht zeigen mussten, sondern wir haben uns dann eben die kritischen Filme aus Amerika nach Frankfurt geholt.

    Ferudostan: Kann man denn sagen, dass Oberhausen immer so eine Art Forum für Filme war, die es anderswo nicht leicht hatten, gezeigt zu werden?

    Hoffmann: Ja, das auch. Aber ich darf einmal zurückkommen auf die Zeit der Mauer, auch der kulturellen, gegenüber allem, was aus den Ostblockstaaten kam. Dort sind ja die Kurzfilmregisseure findig vorgegangen und haben dann die Kritik an ihren Systemen verpackt als Allegorien, in Metaphern, Sinnbildern, Märchenfiguren, damit sie die Drehbücher, die sie immer einreichen mussten, um das Geld für die Produktion zu bekommen, dass die genehmigt wurde. Die Funktionäre haben dann die eigentliche Kritik nicht erkannt und gerade diese Filme hatten immer Preise und das wiederum hat dazu geführt, dass Leute, gerade auch wie Roman Polanski, dann in ihren Ländern auch das Geld bekamen, Spielfilme zu machen.

    Ferudostan: Oberhausen hat also auch immer ein stückweit politischen Widerstand unterstützt, war auch immer ein stückweit Provokation. Ist das noch immer so?

    Hoffmann: Nein, aber da Sie das ansprechen, muss ich vielleicht noch eine retrospektiven Satz einfügen: zu der Zeit hatten wir in Bonn den schlechten (oder für uns guten) Ruf, ein 'rotes' Festival zu sein. Das hing damit zusammen, dass eben so viele gute Filme aus dem Ostblock kamen. Da wurde uns die Absicht unterschoben, wir wollten Willy Brandts Ostpolitik damit flankieren.

    Ferudostan: Wie ist das heute?

    Hoffmann: Da der Kurzfilm nicht mehr nach der alten Ästhetik, die ihn mal berühmt gemacht hat, produziert wird, sondern die neuen Medien und ihre Entwicklungen sehr stark hineinspielen in die Produktion, also auch in den Charakter des Festivals, hat sich Oberhausen auch sehr stark verändert.

    Ferudostan: Was meinen Sie damit, die neuen Medien spielen da sehr stark herein?

    Hoffmann: Die elektronischen Medien und was an elektronischen und Computerexperimenten dann auf der Leinwand sich zu einem Film zusammengebraut hat, sage ich jetzt mal etwas unvollständig. Das ist nicht mehr vergleichbar und man hat das auch in den drei Programmen, die ich jetzt gesehen habe, auch verifizieren können, dass diese Filme, diese Art der Ästhetik sich ganz wesentlich von den Anfängen unterscheidet.

    Ferudostan: Wie finden Sie das?

    Hoffmann: Das ist ein Trend, den muss man bedienen und der neue Leiter hat ihn so gut bedient, dass Oberhausen immer noch das Forum ist, wo man diese Dinge vorzeigen kann, um sie an den übrigen Entwicklungen zu prüfen.

    Ferudostan: Das Festival ist ja zunehmend erfolgreich. Der Kurzfilm selber, wenn man jedenfalls ins Fernsehen oder Kino schaut, ist das nicht unbedingt. Woran liegt das?

    Hoffmann: Es sind eigentlich nur arte und KiKa und 3sat, die Kurzfilme regelmäßig ins Programm nehmen. Im Kino ist der Kurzfilm so gut wie verschwunden, weil er seine ursprünglich Funktion verloren hat, nämlich ein prädikatisierter Kurzfilm hat den nachfolgenden Spielfilm, der kein Prädikat hatte, gleichwohl dann die Steuererleichterung gebracht, die ein Spielfilm braucht, um das Geld wieder in die Kasse zu kriegen.

    Ferudostan: Und warum ist er aus dem Fernsehen fast verschwunden?

    Hoffmann: Das müssen wir die Fernsehleute fragen, das kann ich Ihnen schlecht beantworten, weil wahrscheinlich die guten Kurzfilme kein großes Publikum finden, weil sie ja auch ein Mitdenken erfordern, mehr ein intellektuelles Publikum ansprechen, als die große Masse, die lieber seichte Plotte konsumieren.

    Ferudostan: Ein Gespräch mit Hilmar Hoffmann, dem Gründer der Oberhausener Kurzfilmtage war das.