12 Uhr mittags, am Zentralen Omnibusbahnhof Hamburg. Der Fernbus nach Berlin hat schon den Motor laufen. Pawel Piotrowski kommt kurz vor Abfahrt. Hier in Hamburg lebt er und arbeitet bei Lufthansa Technik. Seine Promotion aber schreibt er in Berlin - das heißt Bus fahren, einmal die Woche, drei Stunden lang.
In der Hauptstadt ist er groß geworden, zur Uni gegangen und kennt dort die Professoren. Sein Promotions-Thema ist ein Thema, mit dem er sich auch schon vor 13 Jahren bei "Jugend forscht" beschäftigt hat: Damals wie heute gilt sein Interesse den Flugzeugflügeln. Doch damals, als 16-Jähriger hatte er kurz vor dem Durchbruch die Motivation verloren:
"Diese Energie, diese Neugier, das was einen motiviert, das zu machen, weil's keiner noch zuvor gemacht hat. Diese Motivation war dann irgendwann weg. Das war ein relativ langer Weg voller kleiner Misserfolge."
Gut, dass er nicht aufgeben hat. Denn selbst den Bundeskanzler hatte seine Idee überzeugt: 2002 wurde Pawel Piotrowski nicht nur "Jugend forscht"-Bundessieger, sondern er wurde auch von Altbundeskanzler Gerhard Schröder mit dem Preis für die originellste Arbeit ausgezeichnet. Seitdem aber, sagt Piotrowski, habe er über die Forschung an Flügeln noch eine Menge dazu gelernt:
"Dumme Leute machen immer den gleichen Fehler und schlaue Leute machen immer wieder neue!"
Promotion noch einmal eine Herausforderung
Nur kein Stillstand. Segeln, Salsa tanzen, Schlittschuh laufen, - das sind seine Hobbys. Nächsten Monat wird er 32 und die Promotion war für ihn noch mal eine Herausforderung:
"Bei Lufthansa Technik, nachdem ich alles kennengelernt hatte, kam so ein Moment, wo ich gemerkt habe, ich entwickle mich nicht mehr weiter. Also das ganze Wissen, was man braucht für den Beruf hat man erreicht. Und nun was?"
Die Doktorarbeit wird er dieses Jahr abschließen. Rasch durchgezogen, sagt er. Schon bei Hausaufgaben und Klausuren damals in der Schule hat er nie ganz so viel Zeit gebraucht wie die anderen. Ihnen hat er dann dabei geholfen. Und trotzdem hieß es, er lenke sie vom Unterricht ab:
"Prinzipiell war ich ein sehr aktives Kind. Das hat den Lehrern natürlich nicht gefallen, weil das bedeutet immer extra viel Aufwand für die Lehrer. Also war ich ein unbeliebtes Kind und die Lehrerin hat sich immer über mich beschwert und gesagt: 'Pawel kippelt immer, stört die anderen und die können nicht lernen.'"
Seine Mutter ging mit ihm zum Schulpsychologen. Der stellte fest: Der Grundschüler ist hochbegabt und brauche mehr Disziplin in der Schule. Piotrowski wechselte und verschwieg seiner Klasse sein Talent:
"Ich wollte nicht so als Nerd. Das ist ja immer so negativ belegt."
Auch heute ist es dem gebürtigen Polen unangenehm, als Wunderkind bezeichnet zu werden. Er sieht verlegen aus dem Fenster. Draußen zieht das Richtungsschild nach Schwerin vorbei. Die Hälfte der Strecke ist fast geschafft.
"Noch zwei Fragen zu ..."
Oft lacht er über sich selbst, über seine Versprecher.
"Verbessern, äh vermessen ..."
Sein Lachen steckt an:
"Schon die Pointe versaut."
Statt "wohler fühlen" sagt er "wohler fliegen". Kein Wunder, denn Pawel Piotrowski hatte immer schon Flugzeuge im Kopf:
"Ich hab in der Einflugschneise von Berlin Tempelhof gewohnt und die ganzen Flugzeuge, die flogen direkt wirklich über's Haus und ich hab immer hochgeschaut, immer bei den Flugzeugen zugeschaut, wie die starten, wie die landen und ich hab immer sehr viel Zeit am Zaun verbracht und ich war fasziniert von der Luftfahrt von Anfang an."
Türöffner "Jugend forscht"
Er studierte Luft- und Raumfahrttechnik in Berlin, arbeitete kurz vor seinem Auslandssemester bei Boeing in Washington, und hatte 2008 seinen ersten Arbeitstag bei Lufthansa Technik in Hamburg. Sein Sprungbrett für all das: "Jugend forscht", sagt Piotrowski:
"Der Wettbewerb 'Jugend forscht' hat mir auf jeden Fall viele Sachen ermöglicht und vor allem vereinfacht. Ich hab mich dann zum Beispiel um ein Praktikum beim DLR in Göttingen beworben und die Teilnahme bei 'Jugend forscht' hat es mir sehr leicht gemacht, da kurzfristig einen Praktikumsplatz zu bekommen. Und dort konnte ich es auch mit Leuten durchdiskutieren, die vom Fach waren."
"Jugend forscht" hat ihm den Weg in die Fachwelt geöffnet. Und wenn er heute mit hochmodernen Flugsimulatoren seine Ideen testet, denkt er manchmal daran, wie er früher als Kind versuchte, Wind zu simulieren: mit einem alten Wasserkocher und einem noch älteren Heizungsgebläse:
"Das Taschengeld hätte niemals gereicht, um mir einen Windkanal zu bauen. Also musste ich mir überlegen, wie ich aus den Sachen, die ich so finden konnte im Keller, einen Windkanal baue. Mein Vater hat sich sehr gefreut, weil dann von dem Zeug, was sich da ansammelt, was weggekommen ist. Und ich hab alles Mögliche, was der Haushalt so hergibt genutzt, um einen Windkanal zu bauen."
Piotrowski lacht. Jetzt ist er wieder in Berlin. Am Ostbahnhof kommt der Bus zum Stehen. Für heute muss er nicht mehr fahren, sondern kann sich wieder dem Fliegen widmen.