Es liegt eine besondere Spannung in der Luft an diesem Galaabend in der Metropolitan Opera. New Yorker Geldadel zeigt Diamanten, Rubine und Smaragde - sehr große Diamanten, Rubine und Smaragde, und Abendgarderobe von atemberaubend schön bis atemberaubend geschmacklos, in jedem Fall aber sündhaft teuer. Schließlich kosten die Karten bis zu 2.000 Dollar. So nimmt die Met zusätzliches Geld ein, um den teuren Starbetrieb zu finanzieren, denn öffentliche Subventionen wie man sie in Deutschland kennt, erhält das wohl berühmteste Opernhaus der Welt nicht. Die Gala war dementsprechend ein musikalischer Gemischtwarenladen, der Stärken und Schwächen des Starbetriebs deutlich machte.
Straffe Proben- und Produktionsbedingungen
Die größte Stärke der Metropolitan Opera ist zweifellos ihr designierter Generalmusikdirektor Yannick Nezet-Seguin. Er teilte sich den Abend mit Marco Armiliato und niemand musste in den Graben schauen, um zu sehen, wer gerade dirigierte. Hier routinierte Musikverwaltung bei Armiliato, wenig inspirierend für die Sänger, dort große Opernkunst bei Nezet-Seguin mit immer federndem Rhythmus, einfallsreichen Klangfarben und atemberaubenden Steigerungen, ohne je manieriert zu wirken. Nezet-Seguin leitet zurzeit auch Aufführungen von Wagners "Fliegendem Holländer" mit dem Bariton Michael Volle. Der sang in der Gala Mozart und schwärmt von der Met, auch wenn die Proben- und Produktionsbedingungen, sagen wir mal, straff sind.
"Je höher das Niveau der Ausführenden ist, in allen Bereichen, um so mehr kommt auch bei wenig Probenzeit dabei raus. Weil jeder, sei es hinter der Bühne oder auf der Bühne, weiß um was es geht. Und dann ist das Ergebnis wirklich absolut hochwertig. Ich sage nicht, dass man nicht proben soll. Auf gar keinen Fall. Aber man muss sich über grundsätzliche Dinge nicht mehr unterhalten."
Überprobt war auch die Gala gestern Abend jedenfalls nicht, schließlich sind viele der Gesangsstars erst am selben in New York eingetroffen und stehen dann in technisch brillanten Computeranimationen der jeweiligen Inszenierung rum, während sie singen. Hier sieht die Engelsburg aus Puccinis "Tosca" noch aus wie die Engelsburg oder die Pariser Masarde aus seiner "Bohème", richtig, wie eine Masarde. Schon die rein technische Abwicklung der Gala hinter der Bühne dürfte eine Herausforderung für alle Beteiligten gewesen sein, noch bevor irgendjemand von Kunst spricht. Aber das New Yorker Publikum liebt die großen Namen, da spielt es dann keine Rolle, dass sich etwa Anna Netrebko oder Vittorio Grigolo in ihren Arien nicht gerade durch Geschmack und Stilsicherheit auszeichnen. Zu Recht bejubelt wurde hingegen der mexikanische Tenor Javier Camarena.
Dass von Kunst, insbesondere Regiekunst allzu selten die Rede sei im Zusammenhang mit der Met ist ein gerade in Deutschland gerne gemachter Vorwurf. Dabei wird allerdings gerne übersehen, dass gerade ein "Rosenkavalier" von Robert Carsen auf dem Programm steht, in dem gewiss nicht nur am Souffleurkasten posiert wird, oder ein "Fliegender Holländer" von August Everding, der zwar schon einige Jahre auf dem Rücken hat, aber noch immer überwältigen kann. Alfanos "Cyrano de Bergerac" sieht zugegebenermaßen zwar aus wie ein BBC-Kostümschinken, aber während das hinreißende Werk in Deutschland zum letzten Mal vor 16 Jahren in Kiel in einer mäßig erfolgreichen Regietheaterversion als entgleiste Drogenparty zu sehen war, weiß man in New York, dass ein eher unbekanntes Werk auch Schauwerte braucht, um 3.900 Kartenkäufer anzulocken.
Nichts erinnert mehr an die alte legendäre Metropolitan Opera
Die unsentimentalen New Yorker haben die legendäre alte Metropolitan Opera an der 40. Straße Ecke Broadway ein Jahr nach Eröffnung der neuen abgerissen. Nichts erinnert heute mehr an das Uraufführungstheater von Puccinis "Mädchen aus dem goldenen Westen" oder Humperdincks "Königskindern". Dort machten Gustav Mahler, Felix Mottl und Arturo Toscanini New York zu einem wichtigen Punkt auf der Opernlandkarte. Diese Bedeutung auch als Novitätenhaus konnte die neue Met nicht wieder erreichen, auch wenn 1966 mit der Uraufführung von Samuel Barbers "Antony and Cleopatra" eröffnet wurde. Leontyne Price konnte damals als erste die Akustik des riesigen Saals ausprobieren. Sie machte eine Erfahrung, die auch Diana Damrau, einer der erklärten Lieblinge des heutigen New Yorker Publikums und ebenfalls an der Gala beteiligt, machte.
Damrau: "Ich habe damals auch gedacht, der erste Ton, Hilfe, das wird nie. Und dann die Stimme fühlt den Raum ganz automatisch. Man kann sich wirklich anlehnen an den Saal. Und es kommt auch was zurück. Ich finde es super angenehm, dort zu singen. Es gibt viele kleinere Opernhäuser, die eine problematischere Akustik haben als die Met."
Intendant Peter Gelb setzt nicht nur auf die großen Starnamen, denn selbst in einer Achtmillionenstadt wie New York finden sich nicht an jedem Abend genügend Opernfans mit dieser Vorliebe, um die Kasse in ausreichendem Maß klingeln zu lassen. Neben einer behutsamen Öffnung für modernere Regiehandschriften sollen auch neue Technologien helfen, um den Markenartikel Metropolitan Opera populärer zu machen. Am kommenden Samstag wird wieder eine Aufführung weltweit in die Kinos übertragen, diesmal Renée Flemings Bühnenabschied als Marschallin im "Rosenkavalier", dirigiert vom Frankfurter Generalmusikdirektor Sebastian Weigle. Das fördert die Bekanntheit und beglückt ein konservatives Publikum, dem es vor allem um die Musik geht. Die vom Regietheater deutscher Prägung Frustrierten müssen nicht eigens nach New York fliegen, um dabei zu sein, wenn einer der überragenden amerikanischen Opernstars in den Ruhestand geht.