"Das mexikanische Volk hat dieses Bauwerk zu Ehren der bewundernswürdigen Kulturen errichtet, die während der präkolumbianischen Epoche auf dem Gebiet des heutigen Mexikos erblühten."
17. September 1964: Im Chapultepec-Park von Mexiko-Stadt eröffnet Staatspräsident Adolfo López Mateos das Museo Nacional de Antropología - das Nationale Anthropologie-Museum. Der architektonisch beeindruckende Neubau beherbergt jene Sammlung, die bis dahin in einem alten Gebäude im historischen Stadtzentrum zu sehen war. Eine Sammlung, die sich anthropologisch nennt, aber in erster Linie aus archäologischen Fundstücken besteht.
"Die Archäologie genoss in Mexiko immer Vorrang vor der Anthropologie. In der Archäologie wurde systematischer und gründlicher gearbeitet."
Alejandro Villalobos, mexikanischer Archäologe und Universitätsprofessor.
"Unser indianisches Erbe gewann infolge der Mexikanischen Revolution von 1910 einen höheren Stellenwert. Dies führte zu einer intensiveren Beschäftigung mit den Überresten der prä-hispanischen Vergangenheit."
Mischung aus indigenen und spanischen Einflüssen
Mit den politischen Umwälzungen in Mexiko veränderte sich auch der Blick auf die archäologischen Fundstücke aus der Zeit vor der spanischen Eroberung. Sie wurden nicht mehr als exotisch betrachtet, sondern als Teil der eigenen Identität begriffen, in der sich indigene und spanische Einflüsse vermischten:
"Die Gründungsidee dieses Museums war, ein Fenster Mexikos zur Welt zu sein. Ein Ort, an dem die Welt uns und unser kulturelles Erbe anhand einer umfangreichen archäologischen und ethnologischen Ausstellung kennenlernen kann."
Im alten Gebäude waren die zum Teil monumentalen Skulpturen der Azteken, Maya, Zapoteken, Tolteken und anderer mesoamerikanischer Hochkulturen nur schlecht zur Geltung gekommen. Im riesigen Neubau des Architekten Pedro Ramírez Vázquez wirkten sie zunächst fast verloren. Doch die Sammlung wurde mit den Jahren um zahlreiche Fundstücke erweitert. Anlässlich der Eröffnung ließ die Museumsleitung eine steinerne Skulptur des aztekischen Wettergottes Tlaloc am Eingang aufstellen. Gefunden wurde sie nahe dem zentralmexikanischen Dorf Coatlinchán. Mit einer Höhe von sieben Metern und einem Gewicht von 165 Tonnen gehört die Figur zu den größten Monolithen der Welt.
Im halbüberdachten Museums-Innenhof befindet sich eine Installation mit auf die Erde prasselndem Wasser – auch dies eine Anspielung auf die Gottheit Tlaloc. Der Archäologe Alejandro Villalobos:
"Die Vision strömenden Wassers wird Tlaloc zugeschrieben, ebenso wie die Vision ruhigen Wassers. Deshalb befindet sich im Innenhof auch ein kleiner, künstlicher See."
Monolithen spiegeln Macht der Azteken wider
Von den 23 Sälen ist der Mexica-Saal der meistbesuchte. Die imposanten Monolithen, die hier ausgestellt sind, spiegeln die Macht und die Weltanschauung der Azteken wider - jenes reichen und kriegerischen Volkes, das weite Teile Zentralmexikos kontrollierte, bevor es Anfang des sechzehnten Jahrhunderts selbst von den Spaniern unterworfen wurde.
"Im Mexica-Saal gibt es zwei große Monolithen, die die Mexikaner besonders bewegen, seit sie im achtzehnten Jahrhundert ausgegraben wurden. Einer ist der sogenannte Azteken-Kalender oder Sonnenstein – eine kreisrunde Basalt-Scheibe aus dem Haupttempel von Tenochtitlán, dem heutigen Mexiko-Stadt. Die andere Skulptur ist Coatlique: die Erdgöttin. Eine Figur, die aus der westlichen Optik grotesk wirkt, aber der aztekischen Weltanschauung nach voll tiefer Symbolik ist."
Mexikos Nationales Anthropologie-Museum, besitzt auf 44.000 Quadratmetern eine der bedeutendsten archäologischen Sammlungen der Welt. Jedes Jahr besuchen sie mehr als zwei Millionen Menschen. Zum Museum gehört auch eine anthropologische Bibliothek - die größte dieser Art im spanischsprachigen Raum.