Ramona Westhof: Im März 1968, vor 50 Jahren, wurde der Numerus clausus beschlossen. Und neben dem NC, der uns all die Jahre erhalten geblieben ist, ist auch die Kritik daran nie wirklich verschwunden. Wir brauchen Lehrerinnen und Lehrer, wir brauchen Ärztinnen und Ärzte, und trotzdem: Die Hürden an den Hochschulen sind ziemlich hoch. Warum eigentlich? Wäre nach 50 Jahren nicht mal Zeit für Neuerungen in der Hochschulzulassung, vielleicht auch in anderen Fächern? Einer, der sich damit beschäftigt, ist Cort-Denis Hachmeister vom Zentrum für Hochschulentwicklung in Gütersloh. Herr Hachmeister, ist der Numerus clausus denn noch zeitgemäß, oder gibt es inzwischen Alternativen, wie die Hochschulen ihre Studierenden auswählen könnten?
Cort-Denis Hachmeister: Der Numerus clausus, also die Abiturnote als Auswahlkriterium ist schon weiterhin noch zeitgemäß, es ist aber sinnvoll, diese Abiturnote als Kriterium zu ergänzen um weitere Kriterien, die fachspezifischer sind beziehungsweise hochspezifischer, sozusagen dass das Abitur dann zeigt, dass man für jedes Fach, egal ob das Medizin ist oder Germanistik, gleich gut geeignet ist. Das suggeriert das ja, dass es eine Gesamtnote gibt. Das ist natürlich nicht so. Insofern ist es schon sinnvoll, neben der Abiturnote noch weitere Kriterien bei der Vergabe der Studienplätze heranzuziehen.
NC-Ergänzung um weitere Kriterien
Westhof: Was wären denn weitere sinnvolle Kriterien?
Hachmeister: Einerseits so ein Test, wie zum Beispiel den Medizinertest, man kann auch Einzelfachnoten besonders gewichten, das heißt, wenn man jetzt Biologie studiert, dass man dann sagt, dass die Biologienote, die man dann während seiner Schulzeit hatte, dass die dann irgendwie besonders zählt. Man kann zum Beispiel berufliche Vorerfahrung, sozusagen wenn ich jetzt eine Pflegeausbildung gemacht habe und dann Medizin studieren möchte, dass mir das positiv angerechnet wird, oder auch solche Auswahlgespräche, das ist auch eine Variante, die es gibt.
Westhof: Gibt es noch Möglichkeiten, die die Hochschulen vielleicht noch nicht entdeckt haben, die noch möglich wären, um das mal weiterzudenken?
Hachmeister: Ja, das ist eigentlich schon eine ganz gute Liste, das ist ja auch das, was vom Hochschulrahmengesetz vorgegeben ist. Man könnte vielleicht noch solche Fähigkeitstests ergänzen, aber dass man Vorwissen abprüft, das ist jetzt noch nicht so möglich. Ich könnte mir aber vorstellen, dass das auch noch mal so eine Ergänzung sein könnte, also dass man guckt, was weiß derjenige schon über das Fach, und dass man da irgendwie dann Vorteile sich erarbeiten kann, indem man sich schon mal mit dem Fach beschäftigt hat.
Mehraufwand für die Hochschulen
Westhof: Jetzt bedeutet ja alles, was über dieses rein Rechnerische - diese Abiturnote ist ja eine Zahl -, aber alles, was darüber hinausgeht, eine gewisse Mehrbelastung für die Hochschulen, eine gewisse Mehrbelastung an Verwaltung für die Hochschulen. Können die das überhaupt leisten?
Hachmeister: Es kommt immer drauf an, was es ist. Heutzutage mit der elektronischen Erfassung von allem Möglichen ist das ja relativ einfach. Zum Beispiel, wenn ich jetzt sage, dass die Einzelfachnoten besonders gelten sollen, dann muss ich ja nur irgendwo eintragen, welche Note hatte ich jetzt in Biologie, und schon ist diese Information erfasst. Wobei natürlich so ein Gespräch ist natürlich etwas, wo man viel Zeit investieren muss, also insofern gibt es da noch Unterschiede zwischen den verschiedenen Kriterien, wie aufwendig das ist.
Westhof: Und auch so was wie Vorerfahrung lässt sich ja nicht einfach numerisch messen.
Hachmeister: Das kann man mit so einem Test natürlich logischerweise feststellen oder eben, dass man festgelegte Bewertungskriterien hat, dass man zum Beispiel bei den Berufsausbildungen einfach sagt, okay, ich weise nach, ich habe diese Berufsausbildung, da hab ich ein Zeugnis drüber, und dann weiß ich, der hat das gemacht.
Abiturnote als "beste Vorhersagekraft für den Studienerfolg"
Westhof: Jetzt mal andersrum gefragt: Welche Vorteile hat denn der Numerus clausus, also wie hat sich diese Übergangslösung denn eigentlich so lange halten können?
Hachmeister: Die Abiturnote ist natürlich erst mal grundsätzlich ja die Note der Qualifikation für das Hochschulstudium. Das Abitur ist ja eben die Eintrittskarte, um studieren zu können, und je besser ich da abschneide, das macht irgendwie schon Sinn, dass ich dann höhere Chancen habe, einen Studienplatz zu bekommen. Es gibt aber auch psychologische Untersuchungen, die jetzt den Zusammenhang zwischen der Abiturnote und dem späteren Studienerfolg herausgefunden haben, und da kommt eben raus, dass wenn man nur ein einziges Kriterium nimmt, dass dann die Abiturnote die beste Vorhersagekraft für den Studienerfolg hat.
Aber das ist nur, wenn man ein einziges Kriterium nimmt, man kann die Vorhersagekraft noch erhöhen, indem man die Abiturnote mit anderen Kriterien koppelt, und dann kommt noch ein bisschen was dazu, das dann die Vorhersage noch ein bisschen besser macht.
Verfassungsgerichtsurteil zur Studienplatzvergabe
Westhof: Und wenn Sie eine Prognose abgeben müssten, hält sich der NC, bleibt der uns noch ein paar Jahre erhalten, oder werden die Hochschulen irgendwann umsatteln?
Hachmeister: Ich denke schon, dass die Abiturnote noch als Kriterium weiter erhalten bleibt. Auch durch dieses Verfassungsgerichtsurteil, das ja neulich war, sind die Hochschulen und die Länder ja erst mal gezwungen, neben der Abiturnote noch weitere Kriterien heranzuziehen bei der Studienplatzvergabe, und diese weiteren Kriterien müssen auch ein entsprechendes Gewicht haben. Das heißt, diese Variante, ich wähle nur nach Abiturnote aus, die wird wahrscheinlich weiter zurückgehen, und so eine Mischung aus verschiedenen Kriterien, das ist wahrscheinlich eher so der Standard für die Zukunft.
Westhof: Cort-Denis Hachmeister beschäftigt sich für das Zentrum für Hochschulentwicklung in Gütersloh mit dem Numerus clausus. Vielen Dank für das Gespräch!
Hachmeister: Ja, bitte schön!
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