15. August 1969. Hunderttausende waren dem Aufruf von zwei Hippies und zwei Finanz-Jongleuren gefolgt, um drei Tage lang in der Nähe des kleinen Ortes Woodstock nördlich von New York 32 Bands zu erleben. Auf dem Programm standen so klangvolle Namen wie Grateful Dead, Jefferson Airplane, Santana, Joe Cocker und Jimi Hendrix.
Der Sänger Richie Havens machte den Anfang, sang einen alten Spiritual und skandierte x-mal das Wort "Freedom". Eine Kettenreaktion ging durch das riesige Menschenmeer, alle standen auf und begannen zu tanzen.
Das größte Problem sei die Politik gewesen, sagte Michael Lang, einer der Festival-Macher und meinte vor allem die Proteste der Anrainer. Neun Monate lang habe man diese "drei Tage des Friedens und der Musik" vorbereitet. Ein paar Tage nach der US-Mondlandung war auf den Feldern Max Yasgurs endlich der geeignete Platz gefunden.
"Ich bin ein Bauer. Das ist die größte Gruppe von Menschen, die je an einem Ort zusammenkam. Ihr habt der Welt bewiesen, dass eine halbe Million Jugendliche zusammenkommen und drei Tage Spaß haben und Musik hören können. Dafür soll euch Gott segnen."
Das Wetter spielte nicht mit
Der Wettergott schickte wochenlang Dauerregen, Wolkenbrüche und einen heftigen Gewittersturm am letzten Festivaltag. Sie stellten alle auf eine harte Probe - die Musiker, viele in ledernen Fransenjacken und gebatikten Klamotten, sowie ihr Publikum. Kurz nach dem Beginn wurde das eingezäunte Terrain gestürmt von Leuten ohne Eintrittskarten. "It's a free concert from now on."
Die Jugend des prüden Amerika zog sich leicht verschämt aus und nahm ein Bad im Fluss oder meditierte. Sly & the Family Stone, die noch unbekannte Westküsten-Band Santana und der Newcomer Joe Cocker wurden frenetisch gefeiert. Die Musiker strengten sich an, ihr Bestes zu geben.
Als der Aktivist Abbie Hoffman darauf hinweisen wollte, dass John Sinclair, der Anführer der Anarcho-Partei White Panthers, wegen Besitzes von zwei Joints für zehn Jahre ins Gefängnis musste, stieß ihn Pete Townshend von The Who einfach von der Bühne und erklärte mürrisch:
"Die Woodstock-Besucher waren wirklich ein Haufen Heuchler, die meinten, eine kosmische Revolution für sich reklamieren zu können, ohne für die Bands zu bezahlen.
Für Michael Lang stand fest: "Politisches sollte auf der Bühne nicht thematisiert werden."
Die Musiker warnten sich gegenseitig, nichts aus Bechern oder offenen Flaschen zu trinken – überall war LSD drin. Alle waren auf dem Trip - wie sonst hätten sie das auch ausgehalten - mit kalten Hot Dogs und unzähligen Joints unter einer Plastikplane im Morast? Amerika entdeckte am Fernseher, wie viele Hippies es gab.
Woodstock wurde zum Katastrophengebiet. Die Armee ließ Ärzte-Teams einfliegen, die umsonst arbeiteten. Jerry Garcia von The Grateful Dead sagte: "Ich war total zugedröhnt und sah, wie blaue Stromfunken über die Bühne hüpften und direkt in meine Gitarre sprangen, wenn ich die Saiten berührte. Hinter den Verstärkern rief ständig irgendwer: Die Bühne bricht zusammen!"
Jimi Hendrix' großer Auftritt
Vor nur noch 40.000 Zuschauern beendete Jimi Hendrix Montagmorgen gegen 9 Uhr das Spektakel. Sein Auftritt zählt zu den großen Dokumenten der Rock-Geschichte. Manche dachten bei der furiosen Dekonstruktion der Nationalhymne "The Star-Spangled Banner" an abstürzende Militärhubschrauber. Hendrix war Fallschirmspringer gewesen. Der Vietnam-Krieg, der die USA zunehmend zu Verlierern machte, ging indessen weiter.
Woodstock artikulierte Hoffnung auf Veränderung in einer langen Reihe von Protestaktionen mit dem Signal: Wir wollen Frieden! Es markierte auch den Beginn von Stadionrock, Glamour, Superstars, viel weißem Pulver, Profitgier und künstlichem Nebel. Der Schlamm von Woodstock als Menetekel.
Die vier Organisatoren retteten sich vor der Insolvenz durch den Verkauf der Bild- und Ton-Rechte an Warner Brothers, die über 50 Millionen Dollar an dem Film und den beiden Alben verdienten. Alle Versuche von Michael Lang, die Aura des Festivals im Dekaden-Rhythmus wiederzubeleben, scheiterten.