"Warum habt Ihr jetzt ein Gewitter bestellt?
Ja, ich weiß nicht so recht?
Ach, das ist nicht so schlecht, dann bleiben die Leute länger sitzen."
Draußen tobt ein Unwetter, drinnen im Bierzeltsitzen spätabends die Oberbayern. Eine Blaskapelle spielt gegen den Regen an, der auf die Zeltplane klatscht. Günther Beckstein ist begeistert. Solange es gewittert, laufen ihm die Leute nicht davon.
"Meine Frau sagt zu mir, das ist für Dich euphorisierend. Das ist nicht ganz unrichtig."
Beckstein ist auf Stimmenjagd. Den Bierkrug in der Hand eilt er von Tisch zu Tisch, führt Gespräche, schüttelt Hände. Ganz der Landesvater. Seit knapp einem Jahr ist er im Amt. Ein Ministerpräsident zum Anfassen. Seine Leutseligkeit ein Pfund, mit dem die CSU im Wahlkampf wuchern kann.
"Dankschön. Ihr habt uns schön aufgespielt. Und Gott sei dank nicht so betulich, das kann ich nicht haben. Aber Ihr habt einen Schwung drin, so ist gut."
Besucher: " Der Beckstein macht sich identisch mit den Leuten. Das ist dem Beckstein seine Stärke."
Vorgänger Edmund Stoiber habe sich nie unters Volk gemischt, erzählt der Lederhosen-Träger. Bei ihm kann Beckstein punkten. Der Spitzenkandidat kämpft: für 50 plus X. Und gegen den Ruf der Überheblichkeit, der nicht ihm als Person, sondern seiner CSU anhaftet.
"Ich sage meinen Leuten auch immer, ja Herrschaftszeiten, bleibt nicht immer im eigenen Saft, sondern ihr müsst raus zu den Leuten, damit ihr merkt, was die sagen, was die denken. Da waren wir in den letzten Jahren nicht gut genug. Näher am Menschen heißt, wir müssen das Gras wachsen hören. Das kriegt man nicht während der Rede mit, sondern danach."
Das darf durchaus als Kritik an Stoiber verstanden werden, denn der frühere Ministerpräsident hat in seiner Reformwütigkeit die Bürger links liegen lassen.
Doch Beckstein und Parteichef Erwin Huber starten holprig. Das Tandem führt nicht, es schlingert. Nicht nur beim Rauchverbot. Erst will die CSU den strengsten Nichtraucherschutz in ganz Deutschland, dann verwässert sie ihn mit vielen Ausnahmen - aus Angst vor dem rauchenden Wähler. Nach dem Desaster bei der Kommunalwahl im März dieses Jahres muss sich Beckstein von den eigenen Abgeordneten fehlendes Charisma und sogar schlecht sitzende Anzüge vorwerfen lassen.
Von einem Rekordergebnis in Höhe von 60,7 Prozent wie zu besten Zeiten Stoibers kann Beckstein nur träumen.
Den Vergleich mit seinem Vorgänger hat er satt. Deshalb lässt er mitteilen, bei der Landtagswahl 2003 habe die CSU im Vergleich zu 1998 bereits über 229.000 Stimmen verloren. Nur wegen der schlechten Wahlbeteiligung, die vor fünf Jahren mit 57,1 Prozent einen Negativrekord erreicht hatte, sei Stoibers Triumph zu Stande gekommen.
"So, jetzt wollt Ihr mich langsam rausschmeißen?"
Es geht auf Mitternacht zu. Seine Leute drängen zum Aufbruch. Beckstein sieht müde aus. In zwei Monaten feiert er 65. Geburtstag. Der lange Wahlkampf hinterlässt Spuren.
"Mehr kann ich nicht mehr leisten, als dass ich früh um halb sieben aufstehe und bis nachts um eins arbeite, um dieses Land nach vorne zu bringen."
Wochenlang gondelt Beckstein im Wahlkampfbus über die Dörfer. Zigtausende Kilometer legt er quer durch den Freistaat zurück. Doch alle rund 9,3 Millionen wahlberechtigten Bayern wird er nicht persönlich erreichen. Der Spitzenkandidat steht gewaltig unter Druck, denn viele im Freistaat sind der CSU müde.
Bürgerstimmen: "Ich habe immer CSU gewählt, aber jetzt wähle ich die Freien. 50 Jahre an der Regierung, das reicht. Es gehört mal ein Umbruch her."
"Da hat man die letzten Jahre das Gefühl gehabt, dass hier Politik gemacht wurde ohne den kleinen Mann im Land.
Dass endlich mal der Filz von den Schwarzen aufgelöst wird, das wäre das wenigste, was passieren könnte."
Vom Fluch der Stoiberschen Zwei-Drittel-Mehrheit ist die Rede. 2003 macht sich der Wahlsieger schnell unbeliebt. Er verordnet dem Freistaat einen radikalen Sparkurs. Die Bürger fühlen sich von seiner brachialen Schul- und Verwaltungsreform überrumpelt. Unmut breitet sich aus. Die schleichende Demontage von Stoiber beginnt.
Gleichzeitig will die Staatsregierung Projekte durchpeitschen, die viele Bürger auf die Barrikaden treiben: den Ausbau der frei fließenden Donau oder eine dritte Start- und Landebahn am Münchner Flughafen. Obwohl Beckstein und Huber die gröbsten Fehler des nur noch achtjährigen Gymnasiums korrigieren und den Geldhahn für Blasmusiker wieder aufdrehen, sind viele Wunden noch offen. Unzufriedenheit hat sich wie Mehltau über Bayern gelegt.
Bürgerstimmen: " Die sind nicht fähig und ich glaube nicht mehr, dass sie die 50-Prozent-Hürde übersteigen. Die sind Auslaufmodelle, weil sie sehen, dass ihnen die Wähler davonlaufen.
Beckstein ist zwar lange in der Politik, aber man hat das Gefühl, er ist unsicher. Er weiß nicht genau, was er durchsetzen soll, wo er hin will. Und er hat eben schon zu viele Fehler gemacht."
Protest- und konservative Nichtwähler bilden eine gefährliche Mischung. Der CSU droht am 28. September der Absturz unter die für sie magische 50-Prozent-Marke. Auch die absolute Mehrheit im Parlament wackelt - nach 46 Jahren Alleinherrschaft. 50 minus X wären der Super-Gau: Die CSU würde den Nimbus der Unbesiegbarkeit verlieren. Mythos und Einfluss auf der Bundesebene wären dahin. Krisenstimmung ist zu spüren. Der Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter zu den jüngsten Umfragen, die um die 48 Prozent liegen.
"Die CSU hat eine ganz, ganz harte Zeit hinter sich, und da muss man sich eigentlich über die 48 Prozent eher noch wundern. Eigentlich beginnt die Krise schon mit Beginn der Legislaturperiode mit einer brachialen Spar- und Reformpolitik Stoibers. Und dann kam die Rochade Berlin und zurück noch dazu."
Seit 1962 regiert die CSU im Freistaat alleine. Nirgendwo in Europa konnte sich eine Partei so lange so unangefochten an der Macht halten. Die CSU tue so, als hätte sie Bayern erschaffen, den Chiemsee ausgehoben und damit die Alpen aufgeschüttet. So klagt SPD-Spitzenkandidat Franz Maget. Denn 46 Jahre lang scheint die Gleichung "Die CSU ist Bayern, Bayern ist die CSU" wie in Stein gemeißelt, der Mythos "50 plus X" unverrückbar.
Oberreuter: "Jetzt deutet die Opposition mit Fingern auf sie und sagt: ihr habt doch selbst gesagt, die Identität zwischen CSU und Freistaat ist nur gegeben bei 50 + x. Jetzt habe ihr 49,7 oder so was. Also nach eurer eigenen Definition repräsentiert ihr den Freistaat Bayern nicht mehr so wie ihr es immer in Anspruch genommen habt."
Die Harmonie ist dahin: Mehr als jeder zweite Bayer beklagt, die CSU verkörpere nicht mehr das bayerische Lebensgefühl. Gut 40 Prozent sind mit der Staatsregierung unzufrieden. 58 Prozent finden, dass der CSU ein kleiner Koalitionspartner gut täte. Wenn es ein Sechs-Parteien-Parlament geben sollte, wenn - was den jüngsten Umfragen zufolge durchaus denkbar ist - neben der SPD und den Grünen auch FDP, Freie Wähler und sogar die Linke die Fünf-Prozent-Hürde überspringen, wäre die absolute Mehrheit der CSU futsch. Was für die erfolgsverwöhnten Christsozialen einer Katastrophe gleich käme.
Beckstein: "Die Welt würde sich drehen, aber es wäre für Bayern ein katastrophaler Fehler. Jeder, der vernünftig überlegt, muss feststellen: die Sonderstellung, die Bayern ganz eindeutig im Bund hat, die hängt damit zusammen, dass wir als CSU ein starkes Ergebnis kriegen, eine starke Stellung haben und nicht irgendeine Koalitionsregierung. Und das heißt halt 50 plus X."
Bayern liegt bei Wachstum, Wohlstand und Arbeitsplätzen im Vergleich aller Bundesländer vorne und kann mit einem ausgeglichen Haushalt glänzen. Beim Bürger aber will keine Euphorie aufkommen. Bei der CSU liegen die Nerven blank. Nichts muss sie mehr fürchten als die Unlust ihrer Anhängerschaft zur Stimmabgabe.
"Der 28. September ist eine Richtungswahl. Die Menschen entscheiden, ob Bayern seinen einzigartigen Erfolgsweg fortsetzen kann. Mit der CSU-Regierung ist Bayern an die Spitze aller Länder in Deutschland aufgestiegen und nur die CSU ist der Garant dafür, dass die Menschen in Bayern die größten Chancen haben."
Parteichef Erwin Huber reagiert panisch. Er bläst zum Wahlkampf gegen die Linke, was in einem Zeitungsinterview im Begriff "Politischer Kreuzzug" gipfelt. Wiederholen wird er das Wort "Kreuzzug" nicht. Mit seiner Kampagne gegen Kommunisten hofft der CSU-Vorsitzende die eigene Anhängerschaft zu motivieren. Doch auch dieses Thema verpufft. Wie zuvor schon die Pendlerpauschale. Mit einer Unterschriftenliste, die Pauschale wieder ab dem ersten Kilometer einzuführen, beißen die Christsozialen nicht nur bei Angela Merkel auf Granit.
Oberreuter: "Ob da alleine die kalte Reaktion der Kanzlerin Schuld hat, mag in den Sternen stehen. Ich sehe im Wahlkampf keinen roten Faden. Sie geben sich größte Mühe, aber es fällt ihnen sehr schwer, die Leute hoch- und mitzureißen."
Es ist wie verhext. Es misslingen im Wahlkampf selbst scheinbar einfachste Dinge. Zum Münchner Oktoberfest will Beckstein noch eben eine launige Lanze für den Bierkonsum brechen - und erntet nichts als Hohn und Spott.
"Wenn man zum Beispiel fünf, sechs oder sieben Stunden auf dem Oktoberfest verbringt, dann ist es nach zwei Maß noch möglich, sich ans Steuer zu setzen."
Ganz Deutschland lacht über seine Maßbier-Empfehlung für Autofahrer. Der gewöhnliche Bayer hingegen will stolz sein auf den ersten Mann im Freistaat. Der Spott kratzt also heftig am Image. Es mag dem Rest der Republik als Provinzposse erscheinen: Als sich seine Gattin Marga standhaft weigert beim Oktoberfest-Anstich im Dirndl zu erscheinen, füllen sich in bayerischen Zeitungen ganze Leserbriefspalten.
Beckstein - einst als Hardliner unter den Innenministern gefürchtet - wirkt zutiefst verunsichert. Der designierte SPD-Vorsitzende Franz Müntefering glaubt, Angst in seinen Augen zu erkennen. Er nennt Beckstein und Huber gar "Waschlappen". Das sitzt. Der CSU-Chef schlägt zurück. Dass Kurt Beck als SPD-Vorsitzender mittlerweile Geschichte ist, beeindruckt ihn wenig.
"Müntefering und Steinmeier waren auch in den letzten drei Jahren dabei. Und ein politischer Neubeginn wäre es nur, wenn man Ypsilanti in Hessen stoppt."
Die CSU-Führung kündigt eine - Zitat - noch nie dagewesene Mobilisierungskampagne an. Alle Einwohner Bayerns bekommen in diesen Tagen Post vom Ministerpräsidenten höchstpersönlich. Das Schreiben soll die Bürger wach rütteln: verliert die CSU die Wahl, steigt Bayern ab, lautet Becksteins Botschaft:
"Jeder Wähler muss wissen, was in Bayern auf dem Spiel steht: Bayern ist einzigartig. Bayern ist ein wunderbares, ein unglaublich starkes Land. Bayern ist unsere geliebte Heimat."
Mit der FDP wäre Bayern nicht mehr so sicher. Mit den Grünen nicht mehr so konservativ. Und mit den Freien Wählern würde pures Chaos ausbrechen: die hätten - lästert Beckstein - nicht mal ein ordentliches Programm und schlimmer noch: bei denen habe Gabriele Pauli das Sagen. Die Popularität der Ex-CSU-Rebellin soll den Freien den Sprung in den Landtag verschaffen - zum ersten Mal.
Die Oppositionsparteien eint ein Ziel: Sie wollen die absolute Mehrheit der CSU brechen. Freie Wähler und FDP buhlen um vergrätzte CSU-Anhänger und bieten sich im gleichen Atemzug als Koalitionspartner an. Für die FDP wäre es eine Rückkehr in die Landespolitik nach vierzehn Jahren. Der in Bayern sowieso schwächelnden SPD macht die Linkspartei zu schaffen. SPD-Spitzenkandidat Franz Maget schließt wenige Tage vor der Wahl sogar eine Große Koalition nicht aus.
"Ich begrüße ganz herzlich unseren Ehrenparteivorsitzenden der CSU und langjährigen Ministerpräsidenten: Dr. Edmund Stoiber. Willkommen in Freising."
Das hier ist die am besten besuchte Veranstaltung im bayerischen Landtagswahlkampf. Gut 4000 Menschen wollen Edmund Stoiber im Bierzelt sehen. Weder Beckstein noch Huber haben diese Zugkraft.
"Hier spricht das Original. Alles ist echt. Und ein Jahr ausgeruht. Topfit."
Sein erster großer Auftritt danach - seit seinem Rücktritt als Ministerpräsident vor fast genau einem Jahr. Er genießt den Jubel. Er grinst. Die rechte Hand steckt lässig in der Hosentasche. Aus der Politik wolle er sich heraushalten, sagt Stoiber. Er stehe als "Ehrenspielführer am Spielfeldrand". Der gute Vorsatz hält keine zehn Minuten. Schnell redet sich Stoiber in Rage: In Berlin werde neuerdings hochnäsig kolportiert, man brauche die CSU nicht mehr.
"Gerade die CSU muss innerhalb der Union der Hefeteig sein und mutig, ob in der Inneren Sicherheit, der Familie und anderer konservativer Werte klar Position halten, auch wenn man den Sturm des Zeitgeistes gegen sich hat."
Stoiber hält eine Aschermittwochsrede, an einem ganz anderen Tag - so wie einst zu seinen großen Zeiten in Passau. Er fuchtelt mit beiden Zeigefingern. Er schreit. Er schwitzt. Er brüllt ins zeitweise hoffnungslos übersteuernde Mikrofon. Er fordert von den Seinen mehr Siegeswillen.
" Ich wünsche mir, dass die CSU bayerisch-selbstbewusst auftritt. Nicht mit hängenden Schultern rum läuft und sagt, na ja, vielleicht langt es noch. 49 Prozent sind ja auch was! Das, meine Damen und Herren, ist nicht der Mythos der CSU. Dann werden wir nicht mehr in den politischen Landschaften in Deutschland den besonderen Part spielen."
Von den Bänken rufen sie ihm Bravo zu. Stoibers Spitze gilt ganz offen Beckstein, der im Sommer mal gesagt hat, bei 50 minus X gehe die Welt doch nicht unter. Er liest seinen Nachfolgern die Leviten: Sie müssten den Stolz der Bayern auch ausstrahlen und bayerisches Lebensgefühl verkörpern. Erst nach einer halben Stunde nennt er sie beim Namen.
"Nur wenn wir uns bemühen und es auch schaffen, dieses bayerische Lebensgefühl mit unserer Politik zu verbinden, dann bleibt die CSU das, was sie unter Seidel, unter Goppel, unter Strauß, auch unter mir gewesen und geworden ist. Ich wünsche es mir, dass meine Nachfolger Erwin Huber und - äh - Günther Beckstein - Stimmt das nicht? - das alles schultern und meistern. "
Das Äh, die holprige Pause vor Becksteins Namen - auf den Bierbänken registrieren die Leute das sehr deutlich. Sie schauen sich an und lachen. Wissend, dass Stoiber von Beckstein und Huber im Januar 2007 aus dem Amt geputscht worden ist. Verzeihen kann er ihnen bis heute nicht. Er beschwört die Sonderstellung Bayerns und schreibt seinen Nachfolgern ins Stammbuch, was zu tun sei: Es brauche wieder Zukunftsvisionen, wie es weitergeht in Bayern. Ausreden, warum es am 28. September schief gehen könnte, akzeptiert Stoiber nicht:
"Da gibt es manche kluge Kommentatoren - auch in den eigenen Reihen, die seit Monaten schreiben: Eine Gleichung wie "Die CSU ist Bayern, Bayern ist die CSU" - die stimmt nicht mehr. Sie begründen es damit, dass der zahlreiche Zuzug aus anderen Bundesländern und neu moderne Berufe die Bindung an die CSU automatisch abschwächen. Diese Aussage kenne ich seit 40 Jahren. Aber ich sage Ihnen: das stimmt nicht. Und die CSU darf das niemals akzeptieren. Warum, meine Damen und Herren: weil wir es immer wieder als Ziel angegeben und es geschafft haben, Tradition und Fortschritt miteinander zu verbinden. Laptop und Lederhose - dafür steht die CSU."
Im Bierzelt feiern sie seine leidenschaftliche Rede verzückt. Stoiber erfüllt, so scheint es, eine tiefe Sehnsucht seines Publikums nach kraftvollen Worten. Manch einer in Freising wünscht sich den Patriarchen sogar zurück. Doch das sind Einzelmeinungen. Edmund Stoibers Zeit ist vorbei.
Die absolute Mehrheit steht auf dem Spiel. Die CSU ist dabei, eine ganz normale Partei zu werden. Bei 50 Minus X wäre Erwin Huber den Parteivorsitz wohl los. Ob sich dann noch der Ministerpräsident im Amt halten könnte, ist die große Frage. Ein Wahlergebnis unter 50 Prozent käme einem politischen Erdbeben gleich - einer Zeitenwende im Freistaat. In Deutschland würde die CSU ihre starke Sonderrolle einbüßen. Doch das Undenkbare denken? In der CSU undenkbar! Das Thema ist tabu.
"Es gibt in den Gremien der CSU keine Schubladenentwürfe für einen Plan B, weil wir ihn nicht brauchen. Und wenn es einzelne in der CSU gäbe, die daran arbeiten, werden sie auf die Nase fallen."
Horst Seehofer, der vor einem Jahr ebenfalls Parteichef werden wollte, hat die Messlatte noch ein bisschen höher gelegt: Nicht auf 50, sondern auf 52 plus X. Weil nur ein solches Ergebnis dem Ministerpräsidenten Legitimation und dem Führungsduo natürliche Autorität verleihe.
Bei einem Absturz der CSU am Sonntag könnte Seehofers Stunde schlagen.
Ja, ich weiß nicht so recht?
Ach, das ist nicht so schlecht, dann bleiben die Leute länger sitzen."
Draußen tobt ein Unwetter, drinnen im Bierzeltsitzen spätabends die Oberbayern. Eine Blaskapelle spielt gegen den Regen an, der auf die Zeltplane klatscht. Günther Beckstein ist begeistert. Solange es gewittert, laufen ihm die Leute nicht davon.
"Meine Frau sagt zu mir, das ist für Dich euphorisierend. Das ist nicht ganz unrichtig."
Beckstein ist auf Stimmenjagd. Den Bierkrug in der Hand eilt er von Tisch zu Tisch, führt Gespräche, schüttelt Hände. Ganz der Landesvater. Seit knapp einem Jahr ist er im Amt. Ein Ministerpräsident zum Anfassen. Seine Leutseligkeit ein Pfund, mit dem die CSU im Wahlkampf wuchern kann.
"Dankschön. Ihr habt uns schön aufgespielt. Und Gott sei dank nicht so betulich, das kann ich nicht haben. Aber Ihr habt einen Schwung drin, so ist gut."
Besucher: " Der Beckstein macht sich identisch mit den Leuten. Das ist dem Beckstein seine Stärke."
Vorgänger Edmund Stoiber habe sich nie unters Volk gemischt, erzählt der Lederhosen-Träger. Bei ihm kann Beckstein punkten. Der Spitzenkandidat kämpft: für 50 plus X. Und gegen den Ruf der Überheblichkeit, der nicht ihm als Person, sondern seiner CSU anhaftet.
"Ich sage meinen Leuten auch immer, ja Herrschaftszeiten, bleibt nicht immer im eigenen Saft, sondern ihr müsst raus zu den Leuten, damit ihr merkt, was die sagen, was die denken. Da waren wir in den letzten Jahren nicht gut genug. Näher am Menschen heißt, wir müssen das Gras wachsen hören. Das kriegt man nicht während der Rede mit, sondern danach."
Das darf durchaus als Kritik an Stoiber verstanden werden, denn der frühere Ministerpräsident hat in seiner Reformwütigkeit die Bürger links liegen lassen.
Doch Beckstein und Parteichef Erwin Huber starten holprig. Das Tandem führt nicht, es schlingert. Nicht nur beim Rauchverbot. Erst will die CSU den strengsten Nichtraucherschutz in ganz Deutschland, dann verwässert sie ihn mit vielen Ausnahmen - aus Angst vor dem rauchenden Wähler. Nach dem Desaster bei der Kommunalwahl im März dieses Jahres muss sich Beckstein von den eigenen Abgeordneten fehlendes Charisma und sogar schlecht sitzende Anzüge vorwerfen lassen.
Von einem Rekordergebnis in Höhe von 60,7 Prozent wie zu besten Zeiten Stoibers kann Beckstein nur träumen.
Den Vergleich mit seinem Vorgänger hat er satt. Deshalb lässt er mitteilen, bei der Landtagswahl 2003 habe die CSU im Vergleich zu 1998 bereits über 229.000 Stimmen verloren. Nur wegen der schlechten Wahlbeteiligung, die vor fünf Jahren mit 57,1 Prozent einen Negativrekord erreicht hatte, sei Stoibers Triumph zu Stande gekommen.
"So, jetzt wollt Ihr mich langsam rausschmeißen?"
Es geht auf Mitternacht zu. Seine Leute drängen zum Aufbruch. Beckstein sieht müde aus. In zwei Monaten feiert er 65. Geburtstag. Der lange Wahlkampf hinterlässt Spuren.
"Mehr kann ich nicht mehr leisten, als dass ich früh um halb sieben aufstehe und bis nachts um eins arbeite, um dieses Land nach vorne zu bringen."
Wochenlang gondelt Beckstein im Wahlkampfbus über die Dörfer. Zigtausende Kilometer legt er quer durch den Freistaat zurück. Doch alle rund 9,3 Millionen wahlberechtigten Bayern wird er nicht persönlich erreichen. Der Spitzenkandidat steht gewaltig unter Druck, denn viele im Freistaat sind der CSU müde.
Bürgerstimmen: "Ich habe immer CSU gewählt, aber jetzt wähle ich die Freien. 50 Jahre an der Regierung, das reicht. Es gehört mal ein Umbruch her."
"Da hat man die letzten Jahre das Gefühl gehabt, dass hier Politik gemacht wurde ohne den kleinen Mann im Land.
Dass endlich mal der Filz von den Schwarzen aufgelöst wird, das wäre das wenigste, was passieren könnte."
Vom Fluch der Stoiberschen Zwei-Drittel-Mehrheit ist die Rede. 2003 macht sich der Wahlsieger schnell unbeliebt. Er verordnet dem Freistaat einen radikalen Sparkurs. Die Bürger fühlen sich von seiner brachialen Schul- und Verwaltungsreform überrumpelt. Unmut breitet sich aus. Die schleichende Demontage von Stoiber beginnt.
Gleichzeitig will die Staatsregierung Projekte durchpeitschen, die viele Bürger auf die Barrikaden treiben: den Ausbau der frei fließenden Donau oder eine dritte Start- und Landebahn am Münchner Flughafen. Obwohl Beckstein und Huber die gröbsten Fehler des nur noch achtjährigen Gymnasiums korrigieren und den Geldhahn für Blasmusiker wieder aufdrehen, sind viele Wunden noch offen. Unzufriedenheit hat sich wie Mehltau über Bayern gelegt.
Bürgerstimmen: " Die sind nicht fähig und ich glaube nicht mehr, dass sie die 50-Prozent-Hürde übersteigen. Die sind Auslaufmodelle, weil sie sehen, dass ihnen die Wähler davonlaufen.
Beckstein ist zwar lange in der Politik, aber man hat das Gefühl, er ist unsicher. Er weiß nicht genau, was er durchsetzen soll, wo er hin will. Und er hat eben schon zu viele Fehler gemacht."
Protest- und konservative Nichtwähler bilden eine gefährliche Mischung. Der CSU droht am 28. September der Absturz unter die für sie magische 50-Prozent-Marke. Auch die absolute Mehrheit im Parlament wackelt - nach 46 Jahren Alleinherrschaft. 50 minus X wären der Super-Gau: Die CSU würde den Nimbus der Unbesiegbarkeit verlieren. Mythos und Einfluss auf der Bundesebene wären dahin. Krisenstimmung ist zu spüren. Der Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter zu den jüngsten Umfragen, die um die 48 Prozent liegen.
"Die CSU hat eine ganz, ganz harte Zeit hinter sich, und da muss man sich eigentlich über die 48 Prozent eher noch wundern. Eigentlich beginnt die Krise schon mit Beginn der Legislaturperiode mit einer brachialen Spar- und Reformpolitik Stoibers. Und dann kam die Rochade Berlin und zurück noch dazu."
Seit 1962 regiert die CSU im Freistaat alleine. Nirgendwo in Europa konnte sich eine Partei so lange so unangefochten an der Macht halten. Die CSU tue so, als hätte sie Bayern erschaffen, den Chiemsee ausgehoben und damit die Alpen aufgeschüttet. So klagt SPD-Spitzenkandidat Franz Maget. Denn 46 Jahre lang scheint die Gleichung "Die CSU ist Bayern, Bayern ist die CSU" wie in Stein gemeißelt, der Mythos "50 plus X" unverrückbar.
Oberreuter: "Jetzt deutet die Opposition mit Fingern auf sie und sagt: ihr habt doch selbst gesagt, die Identität zwischen CSU und Freistaat ist nur gegeben bei 50 + x. Jetzt habe ihr 49,7 oder so was. Also nach eurer eigenen Definition repräsentiert ihr den Freistaat Bayern nicht mehr so wie ihr es immer in Anspruch genommen habt."
Die Harmonie ist dahin: Mehr als jeder zweite Bayer beklagt, die CSU verkörpere nicht mehr das bayerische Lebensgefühl. Gut 40 Prozent sind mit der Staatsregierung unzufrieden. 58 Prozent finden, dass der CSU ein kleiner Koalitionspartner gut täte. Wenn es ein Sechs-Parteien-Parlament geben sollte, wenn - was den jüngsten Umfragen zufolge durchaus denkbar ist - neben der SPD und den Grünen auch FDP, Freie Wähler und sogar die Linke die Fünf-Prozent-Hürde überspringen, wäre die absolute Mehrheit der CSU futsch. Was für die erfolgsverwöhnten Christsozialen einer Katastrophe gleich käme.
Beckstein: "Die Welt würde sich drehen, aber es wäre für Bayern ein katastrophaler Fehler. Jeder, der vernünftig überlegt, muss feststellen: die Sonderstellung, die Bayern ganz eindeutig im Bund hat, die hängt damit zusammen, dass wir als CSU ein starkes Ergebnis kriegen, eine starke Stellung haben und nicht irgendeine Koalitionsregierung. Und das heißt halt 50 plus X."
Bayern liegt bei Wachstum, Wohlstand und Arbeitsplätzen im Vergleich aller Bundesländer vorne und kann mit einem ausgeglichen Haushalt glänzen. Beim Bürger aber will keine Euphorie aufkommen. Bei der CSU liegen die Nerven blank. Nichts muss sie mehr fürchten als die Unlust ihrer Anhängerschaft zur Stimmabgabe.
"Der 28. September ist eine Richtungswahl. Die Menschen entscheiden, ob Bayern seinen einzigartigen Erfolgsweg fortsetzen kann. Mit der CSU-Regierung ist Bayern an die Spitze aller Länder in Deutschland aufgestiegen und nur die CSU ist der Garant dafür, dass die Menschen in Bayern die größten Chancen haben."
Parteichef Erwin Huber reagiert panisch. Er bläst zum Wahlkampf gegen die Linke, was in einem Zeitungsinterview im Begriff "Politischer Kreuzzug" gipfelt. Wiederholen wird er das Wort "Kreuzzug" nicht. Mit seiner Kampagne gegen Kommunisten hofft der CSU-Vorsitzende die eigene Anhängerschaft zu motivieren. Doch auch dieses Thema verpufft. Wie zuvor schon die Pendlerpauschale. Mit einer Unterschriftenliste, die Pauschale wieder ab dem ersten Kilometer einzuführen, beißen die Christsozialen nicht nur bei Angela Merkel auf Granit.
Oberreuter: "Ob da alleine die kalte Reaktion der Kanzlerin Schuld hat, mag in den Sternen stehen. Ich sehe im Wahlkampf keinen roten Faden. Sie geben sich größte Mühe, aber es fällt ihnen sehr schwer, die Leute hoch- und mitzureißen."
Es ist wie verhext. Es misslingen im Wahlkampf selbst scheinbar einfachste Dinge. Zum Münchner Oktoberfest will Beckstein noch eben eine launige Lanze für den Bierkonsum brechen - und erntet nichts als Hohn und Spott.
"Wenn man zum Beispiel fünf, sechs oder sieben Stunden auf dem Oktoberfest verbringt, dann ist es nach zwei Maß noch möglich, sich ans Steuer zu setzen."
Ganz Deutschland lacht über seine Maßbier-Empfehlung für Autofahrer. Der gewöhnliche Bayer hingegen will stolz sein auf den ersten Mann im Freistaat. Der Spott kratzt also heftig am Image. Es mag dem Rest der Republik als Provinzposse erscheinen: Als sich seine Gattin Marga standhaft weigert beim Oktoberfest-Anstich im Dirndl zu erscheinen, füllen sich in bayerischen Zeitungen ganze Leserbriefspalten.
Beckstein - einst als Hardliner unter den Innenministern gefürchtet - wirkt zutiefst verunsichert. Der designierte SPD-Vorsitzende Franz Müntefering glaubt, Angst in seinen Augen zu erkennen. Er nennt Beckstein und Huber gar "Waschlappen". Das sitzt. Der CSU-Chef schlägt zurück. Dass Kurt Beck als SPD-Vorsitzender mittlerweile Geschichte ist, beeindruckt ihn wenig.
"Müntefering und Steinmeier waren auch in den letzten drei Jahren dabei. Und ein politischer Neubeginn wäre es nur, wenn man Ypsilanti in Hessen stoppt."
Die CSU-Führung kündigt eine - Zitat - noch nie dagewesene Mobilisierungskampagne an. Alle Einwohner Bayerns bekommen in diesen Tagen Post vom Ministerpräsidenten höchstpersönlich. Das Schreiben soll die Bürger wach rütteln: verliert die CSU die Wahl, steigt Bayern ab, lautet Becksteins Botschaft:
"Jeder Wähler muss wissen, was in Bayern auf dem Spiel steht: Bayern ist einzigartig. Bayern ist ein wunderbares, ein unglaublich starkes Land. Bayern ist unsere geliebte Heimat."
Mit der FDP wäre Bayern nicht mehr so sicher. Mit den Grünen nicht mehr so konservativ. Und mit den Freien Wählern würde pures Chaos ausbrechen: die hätten - lästert Beckstein - nicht mal ein ordentliches Programm und schlimmer noch: bei denen habe Gabriele Pauli das Sagen. Die Popularität der Ex-CSU-Rebellin soll den Freien den Sprung in den Landtag verschaffen - zum ersten Mal.
Die Oppositionsparteien eint ein Ziel: Sie wollen die absolute Mehrheit der CSU brechen. Freie Wähler und FDP buhlen um vergrätzte CSU-Anhänger und bieten sich im gleichen Atemzug als Koalitionspartner an. Für die FDP wäre es eine Rückkehr in die Landespolitik nach vierzehn Jahren. Der in Bayern sowieso schwächelnden SPD macht die Linkspartei zu schaffen. SPD-Spitzenkandidat Franz Maget schließt wenige Tage vor der Wahl sogar eine Große Koalition nicht aus.
"Ich begrüße ganz herzlich unseren Ehrenparteivorsitzenden der CSU und langjährigen Ministerpräsidenten: Dr. Edmund Stoiber. Willkommen in Freising."
Das hier ist die am besten besuchte Veranstaltung im bayerischen Landtagswahlkampf. Gut 4000 Menschen wollen Edmund Stoiber im Bierzelt sehen. Weder Beckstein noch Huber haben diese Zugkraft.
"Hier spricht das Original. Alles ist echt. Und ein Jahr ausgeruht. Topfit."
Sein erster großer Auftritt danach - seit seinem Rücktritt als Ministerpräsident vor fast genau einem Jahr. Er genießt den Jubel. Er grinst. Die rechte Hand steckt lässig in der Hosentasche. Aus der Politik wolle er sich heraushalten, sagt Stoiber. Er stehe als "Ehrenspielführer am Spielfeldrand". Der gute Vorsatz hält keine zehn Minuten. Schnell redet sich Stoiber in Rage: In Berlin werde neuerdings hochnäsig kolportiert, man brauche die CSU nicht mehr.
"Gerade die CSU muss innerhalb der Union der Hefeteig sein und mutig, ob in der Inneren Sicherheit, der Familie und anderer konservativer Werte klar Position halten, auch wenn man den Sturm des Zeitgeistes gegen sich hat."
Stoiber hält eine Aschermittwochsrede, an einem ganz anderen Tag - so wie einst zu seinen großen Zeiten in Passau. Er fuchtelt mit beiden Zeigefingern. Er schreit. Er schwitzt. Er brüllt ins zeitweise hoffnungslos übersteuernde Mikrofon. Er fordert von den Seinen mehr Siegeswillen.
" Ich wünsche mir, dass die CSU bayerisch-selbstbewusst auftritt. Nicht mit hängenden Schultern rum läuft und sagt, na ja, vielleicht langt es noch. 49 Prozent sind ja auch was! Das, meine Damen und Herren, ist nicht der Mythos der CSU. Dann werden wir nicht mehr in den politischen Landschaften in Deutschland den besonderen Part spielen."
Von den Bänken rufen sie ihm Bravo zu. Stoibers Spitze gilt ganz offen Beckstein, der im Sommer mal gesagt hat, bei 50 minus X gehe die Welt doch nicht unter. Er liest seinen Nachfolgern die Leviten: Sie müssten den Stolz der Bayern auch ausstrahlen und bayerisches Lebensgefühl verkörpern. Erst nach einer halben Stunde nennt er sie beim Namen.
"Nur wenn wir uns bemühen und es auch schaffen, dieses bayerische Lebensgefühl mit unserer Politik zu verbinden, dann bleibt die CSU das, was sie unter Seidel, unter Goppel, unter Strauß, auch unter mir gewesen und geworden ist. Ich wünsche es mir, dass meine Nachfolger Erwin Huber und - äh - Günther Beckstein - Stimmt das nicht? - das alles schultern und meistern. "
Das Äh, die holprige Pause vor Becksteins Namen - auf den Bierbänken registrieren die Leute das sehr deutlich. Sie schauen sich an und lachen. Wissend, dass Stoiber von Beckstein und Huber im Januar 2007 aus dem Amt geputscht worden ist. Verzeihen kann er ihnen bis heute nicht. Er beschwört die Sonderstellung Bayerns und schreibt seinen Nachfolgern ins Stammbuch, was zu tun sei: Es brauche wieder Zukunftsvisionen, wie es weitergeht in Bayern. Ausreden, warum es am 28. September schief gehen könnte, akzeptiert Stoiber nicht:
"Da gibt es manche kluge Kommentatoren - auch in den eigenen Reihen, die seit Monaten schreiben: Eine Gleichung wie "Die CSU ist Bayern, Bayern ist die CSU" - die stimmt nicht mehr. Sie begründen es damit, dass der zahlreiche Zuzug aus anderen Bundesländern und neu moderne Berufe die Bindung an die CSU automatisch abschwächen. Diese Aussage kenne ich seit 40 Jahren. Aber ich sage Ihnen: das stimmt nicht. Und die CSU darf das niemals akzeptieren. Warum, meine Damen und Herren: weil wir es immer wieder als Ziel angegeben und es geschafft haben, Tradition und Fortschritt miteinander zu verbinden. Laptop und Lederhose - dafür steht die CSU."
Im Bierzelt feiern sie seine leidenschaftliche Rede verzückt. Stoiber erfüllt, so scheint es, eine tiefe Sehnsucht seines Publikums nach kraftvollen Worten. Manch einer in Freising wünscht sich den Patriarchen sogar zurück. Doch das sind Einzelmeinungen. Edmund Stoibers Zeit ist vorbei.
Die absolute Mehrheit steht auf dem Spiel. Die CSU ist dabei, eine ganz normale Partei zu werden. Bei 50 Minus X wäre Erwin Huber den Parteivorsitz wohl los. Ob sich dann noch der Ministerpräsident im Amt halten könnte, ist die große Frage. Ein Wahlergebnis unter 50 Prozent käme einem politischen Erdbeben gleich - einer Zeitenwende im Freistaat. In Deutschland würde die CSU ihre starke Sonderrolle einbüßen. Doch das Undenkbare denken? In der CSU undenkbar! Das Thema ist tabu.
"Es gibt in den Gremien der CSU keine Schubladenentwürfe für einen Plan B, weil wir ihn nicht brauchen. Und wenn es einzelne in der CSU gäbe, die daran arbeiten, werden sie auf die Nase fallen."
Horst Seehofer, der vor einem Jahr ebenfalls Parteichef werden wollte, hat die Messlatte noch ein bisschen höher gelegt: Nicht auf 50, sondern auf 52 plus X. Weil nur ein solches Ergebnis dem Ministerpräsidenten Legitimation und dem Führungsduo natürliche Autorität verleihe.
Bei einem Absturz der CSU am Sonntag könnte Seehofers Stunde schlagen.