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50. Todestag des Publizisten
C. W. Ceram - er führte Nachkriegsdeutschland in die Antike

Ausgerechnet das Archäologie-Sachbuch "Götter, Gräber und Gelehrte" von Kurt W. Marek, alias C. W. Ceram wurde der erste deutsche Nachkriegs-Bestseller - vermutlich auch, weil es elegant zur Verdrängung der NS-Vergangenheit beitragen konnte. Heute vor 50 Jahren starb der Publizist.

C. W. Ceram (links) präsentiert am 22. Februar 1972 dem damaligen Bundeskanzler Willy Brand sein neues Buch "Der erste Amerikaner". Zweiter von links, Joachim Raffert, Staatssekretär im Bundeswissenschaftsministerium. In der Bildmitte  Brandts Frau Rut
C. W. Ceram (links) präsentiert im Februar 1972 dem damaligen Bundeskanzler Willy Brandt und dessen Frau Rut sein neues Buch (picture-alliance / dpa)
 "Als er, zitternd vor Erwartung, den Kopf der Öffnung näherte, brachte die heiße Luft, die sich von innen her ihren Ausweg suchte, die Kerze zum Flackern. Carter konnte im ersten Augenblick nichts erkennen.“
Howard Carter wirft als erster Mensch seit über 3.000 Jahren einen Blick in die verborgene Kammer. So schildert Kurt Wilhelm Marek, alias C.W. Ceram, die Entdeckung von Tutanchamuns Grab 1922. Es sind atmosphärische Schilderungen von Sternstunden der Archäologie wie diese, die „Götter, Gräber und Gelehrte“ zu einem der erfolgreichsten deutschen Bücher des 20. Jahrhunderts machten. 1962 verkündete der Verleger stolz:

 „Es besteht Anlass, dass Du Dich erhebst, mein Lieber!“
„Warum so feierlich?“
„Unser beider Buch hat eine Million Auflage überschritten.“
„Eine Million? Das ist ein Grund zur Feierlichkeit.“
„Ja, in der Tat, wir müssen sofort ein Gläschen Sekt trinken. Das ist, lieber Kurt, in der Geschichte des Rowohlt-Verlages jedenfalls ein völlig einmaliges, noch nie erlebtes Ereignis!“
Als C. W. Ceram am 12. April 1972 im Alter von nur 57 Jahren starb, gab es Vorschläge, seinen Todestag zum National-Trauertag zu erklären.
Der 1915 geborene Tischlersohn hatte eine erstaunliche Karriere gemacht. Mit 16 begann er in Berlin eine Buchhändlerlehre und schrieb bald Filmkritiken für das berühmte Feuilleton des "Berliner Börsen-Courier". Seine Karriere setzte sich auch nach 1933 erfolgreich fort. Nachdem er im Krieg seine Fronterlebnisse veröffentlicht hatte, wurde er zur Propagandatruppe versetzt. Zu seinem Schicksalsthema - der Archäologie - kam er angeblich in der Kriegsgefangenschaft:
"Ich hatte natürlich kunsthistorische Studien betrieben und war auch an Archäologie interessiert, aber doch sehr als Laie. Da fiel mir im Jahre 1945 in der Gefangenschaft ein Buch in die Hände, das ohne Umschlag war, es enthielt aber offensichtlich, so zerfleddert es war, Reiseberichte aus dem Orient."

Als Rowohlt-Cheflektor durchgestartet

In Wirklichkeit hatte Marek aber schon als Soldat in Rom nach archäologischem Material gesucht – wahrscheinlich für die NS-Propaganda. Denn die Nazis wollten sich, indem sie antike Stätten vor alliierten Bomben schützten, zu Rettern abendländischer Kultur stilisieren. Nach dem Krieg ging Marek als Journalist nach Hamburg, wo ihn 1946 der Verleger Ernst Rowohlt zum Cheflektor machte. Und hier begann die Erfolgsgeschichte seines Lebenswerks „Götter, Gräber und Gelehrte“. Als das Buch 1949 nach vier Jahren Arbeit fertig war, bot er es Rowohlt unter dem Pseudonym C. W. Ceram an. Denn er fürchtete, ihm als bekanntem Journalisten würde man ein solches Fachbuch nicht abnehmen:
„Ich ging eines Tages zu Rowohlt und sagte: hier ist ein Buch von einem gewissen Ceram, das müssen wir bringen. Der sagte, taugt es denn was? Natürlich, sagte ich, sonst würde ich es nicht vorschlagen. So, sagte er, worüber geht es denn? Ich sagte, das ist ein Roman über die Geschichte der Archäologie. Da sagt er, Mensch, das will doch kein Mensch wissen.“

Hollywood verfilmte „Götter, Gräber und Gelehrte“

Angeblich hatte er bis kurz vor Drucklegung nicht verraten, dass er der Autor war. Ceram hat das Buch immer zum Überraschungserfolg stilisiert, in Wirklichkeit sollte das aufwendig gestaltete und beworbene Werk den Rowohlt-Verlag aus finanzieller Not retten. Aber es war weniger ein Buch über die Archäologie als vielmehr über die Entdeckungen antiker Stätten - spannend und filmisch erzählt nach Art von Schatzsucher-Abenteuern. Sogar ein Hollywood-Film wurde nach dem Buch gedreht – „Das Tal der Könige“

Entlastender Blick auf vergessene Grausamkeiten früherer Reiche

Für den Erfolg gab es auch zeitspezifische Gründe. In der Archäologie konnte man deutsche Großtaten bewundern, die von der NS-Zeit unbelastet waren. Und den Nachkriegs-Deutschen lieferte Ceram Entlastung, wenn er von untergegangen Reichen erzählte, deren Ruhm bis heute weiterlebe, deren Untaten aber längst vergessen seien – wie etwa der Bau der Pyramiden:

„Das Stöhnen der Sklaven ist erloschen, das Pfeifen der Peitschen vom Nilwind verschluckt, der Geruch des Schweißes verlebt. Was blieb, ist das ungeheure Werk.“

Den Nachkriegsdeutschen das Welterbe ins Haus geliefert

„Götter, Gräber und Gelehrte“ wurde auch international zum Bestseller, sogar in den USA. Allerdings mit Textänderungen – zum Beispiel dort, wo Ceram den Untergang Nazi-Deutschlands verharmlosend mit dem Niedergang des antiken Ägypten oder Hitler als Stadtplaner mit Kaiser Augustus verglich. In den Fünfzigerjahren zog Ceram in die USA, kurz vor seinem Tod 1972 gelang ihm mit einem Sachbuch über nordamerikanische Hochkulturen erneut ein Weltbestseller. Zu seinem Erfolg trug wohl bei, dass sich bei ihm alte Denkmuster mit neuer Weltläufigkeit verbanden – nach zwölf Jahren Germanenkult brachte er den Deutschen das kulturelle Erbe der Welt ins Haus. „Götter, Gräber und Gelehrte“ blieb bis in die Achtzigerjahre ein Bestseller und verschaffte C. W. Ceram einen Ruhm, der heute verblasst ist.