"Es gab eine Menge zu tun, viel Knete flog durch die Gegend, und all die schönen Frauen zu deinen Diensten. Im Chicago der 20er-Jahre hatte ein Musiker einen fast gottähnlichen Status."
Das schrieb mit Anfang zwanzig Louis Armstrong, als er 1923 seinem Mentor King Oliver nach Norden gefolgt war. In New Orleans, wo er am 4. August 1901 geboren wurde, war er als uneheliches Kind im ärmsten Viertel der Stadt aufgewachsen – "unter Kirchgängern, Spielern, Gaunern, kleinen Zuhältern, Dieben, Prostituierten und einem Haufen Kinder", erinnerte er. Doch dann:
"Man bot mir die Chance, die Musik zu spielen, die ich wirklich spielen wollte. Und das waren alle Arten von Musik, von Jazz bis zu Walzern."
Es sind die frühesten Tondokumente des größten Jazzmusikers des 20. Jahrhunderts. Satchmo, wie er sich selbst gerne nannte, hat den Jazz zwar nicht erfunden, wurde aber einer seiner einflussreichsten Protagonisten.
Die Musiker stehen anfangs im Halbkreis um einen großen Trichter, der ihre Vibrationen auf eine Maschine überträgt, die in dicke heiße Wachsscheiben geritzt werden. Wie durch einen Türspion nehmen wir schemenhaft Gestalten wahr: um zu erahnen, wie sie in Wirklichkeit klangen.
"Potato Head Blues" von 1927 gilt als Meilenstein, eines der größten Soli eines Jazzmusikers auf Schallplatte. Im Film "Manhattan" zählt Woody Allen die Platte zu den Kostbarkeiten, die (Zitat) "das Leben lebenswert machen". Und Armstrong selbst: "Ich konnte immer härter und länger blasen, ohne zu ermüden. Mein Spezialfach wurde das hohe Register, und ich begann meine hohen C´s immer öfter einzusetzen."
Der erste Jazzmusiker, der mit seiner Stimme improvisierte
Armstrong erfand den Jazzgesang. "Heebie Jeebies" ist ihm fast missglückt, als die Welt zum ersten Mal die Stimme eines schwarzen Jazzmusikers erlebt, der improvisiert: "Ich ließ den Zettel mit dem Text fallen – mitten im Song. Wollte aber nicht stoppen und die Aufnahme verderben, sie lief doch so wunderbar."
Wie viele Autodidakten hatte Louis Armstrong sich eine falsche Mundhaltung angewöhnt: Weil er schief das Metallstück der Trompete gegen den Mund presste, ruinierte es seine Lippen.
Louis Armstrong veränderte das Leben vieler Musiker, die, wie der Bandleader Artie Shaw es ausdrückte, "besessen waren von der Idee, etwas zu erfinden, das nur ihnen selbst gehörte": "Ich arbeite mit zwei Bands, einer auf der Bühne und einer in meinem Kopf. Wenn sie auf der Bühne gut klingen, okay, spiel‘ ich mit ihnen. Wenn nicht, drehe ich die Lautstärke hoch für die Band in meinem Kopf."
Mainstream-Entertainer für die weiße Mittelschicht
Satchmo wird vor allem durch zahlreiche TV-Auftritte zum Mainstream-Entertainer für die weiße Mittelschicht. Was der Workaholic singt oder spielt, verwandelt er in Meisterwerke. "Mack the Knife" erinnerte ihn an das Milieu, das er als Kind in New Orleans erlebt hatte.
Sein dubioser weißer Manager Joe Glaser soll Armstrong den Mob vom Hals halten. Nach dem Tod der beiden hieß es, Glaser habe zeitlebens über Strohmänner hohe Summen ans Organisierte Verbrechen für seinen Weltstar abgeführt: "Es war harte gottverdammte Arbeit, Mann. Ich fühle mich, als hätte ich 20.000 Jahre in Fliegern und auf der Schiene verbracht, es hat an mir gezehrt."
Am 6. Juli 1971 starb Louis Armstrong, der strahlendes Licht ins Dunkel seiner Zeit gebracht hatte: "Ich und mein Horn, wir kennen uns. Wir wissen, was wir können. Wenn ich da reinblase, ist es, als wären ich und mein Horn ein und dasselbe Ding."