Archiv

50. Todestag von Louis Armstrong
Wie "Satchmo" zum größten Jazzmusiker des 20. Jahrhunderts wurde

Louis Armstrong machte Jazz zur Solisten-Kunst. Ventiliert durch TV und Radio wurde das Genie aus dem Armenviertel von New Orleans zu einer Jahrhundertfigur der US-Popkultur. Als Armstrong aka "Satchmo" am 6. Juli 1971 starb, hatte er 50 Jahre Jazz-Geschichte geschrieben.

Von Karl Lippegaus |
    Der US-amerikanische Jazz-Trompeter Louis Armstrong, aufgenommen während eines Auftritts in der Jahrhunderthalle Höchst im Jahr 1965. Amerika feiert am 4.7.2000 den 100. Geburtstag des legendären Jazzmusikers. Dabei wissen die Fans von «Satchmo», dass die Feiern eigentlich um 13 Monate zu früh kommen. «The King of Jazz» wurde in Wirklichkeit am 4. August 1901 geboren, hatte aber eigenmächtig seinen Geburtstag auf den Unabhängigkeitstag verschoben. Das größte Memorial-Konzert für Armstrong findet nach einer internationalen Flottenparade zum Unabhängigkeitstag auf dem Hudson-River in New York statt.
    Louis Armstrong 1955 in der Jahrhunderthalle Höchst (dpa)
    "Es gab eine Menge zu tun, viel Knete flog durch die Gegend, und all die schönen Frauen zu deinen Diensten. Im Chicago der 20er-Jahre hatte ein Musiker einen fast gottähnlichen Status."
    Das schrieb mit Anfang zwanzig Louis Armstrong, als er 1923 seinem Mentor King Oliver nach Norden gefolgt war. In New Orleans, wo er am 4. August 1901 geboren wurde, war er als uneheliches Kind im ärmsten Viertel der Stadt aufgewachsen – "unter Kirchgängern, Spielern, Gaunern, kleinen Zuhältern, Dieben, Prostituierten und einem Haufen Kinder", erinnerte er. Doch dann:
    "Man bot mir die Chance, die Musik zu spielen, die ich wirklich spielen wollte. Und das waren alle Arten von Musik, von Jazz bis zu Walzern."
    Das Gebäude wurde um 1850 an der Ecke Conti Street und Dauphine Streets gebaut. Ehemals befand sich hier das Rotlichtmillieu von New Orleans. Das Gebäude beherbergte auch schon einen Blumenladen, ein Frisörgeschäft und 1885 befand sich hier eine Opiumhöhle, die von chinesischen Brüdern geleitet wurde. Heute befindet sich dort ein Restaurant mit Bar, das den Namen "Déjà vu" besitzt. 
    New Orleans Rotlichtviertels Storyville - Wiege des Jazz
    Vor etwa 120 Jahren wurde in New Orleans der Jazz geboren. Etwa zur gleichen Zeit entstand in der Hafenstadt ein legaler Bordellbezirk namens Storyville. Aber die verruchte Einrichtung hatte viele Gegner.
    Es sind die frühesten Tondokumente des größten Jazzmusikers des 20. Jahrhunderts. Satchmo, wie er sich selbst gerne nannte, hat den Jazz zwar nicht erfunden, wurde aber einer seiner einflussreichsten Protagonisten.
    Die Musiker stehen anfangs im Halbkreis um einen großen Trichter, der ihre Vibrationen auf eine Maschine überträgt, die in dicke heiße Wachsscheiben geritzt werden. Wie durch einen Türspion nehmen wir schemenhaft Gestalten wahr: um zu erahnen, wie sie in Wirklichkeit klangen.
    "Potato Head Blues" von 1927 gilt als Meilenstein, eines der größten Soli eines Jazzmusikers auf Schallplatte. Im Film "Manhattan" zählt Woody Allen die Platte zu den Kostbarkeiten, die (Zitat) "das Leben lebenswert machen". Und Armstrong selbst: "Ich konnte immer härter und länger blasen, ohne zu ermüden. Mein Spezialfach wurde das hohe Register, und ich begann meine hohen C´s immer öfter einzusetzen."

    Der erste Jazzmusiker, der mit seiner Stimme improvisierte

    Armstrong erfand den Jazzgesang. "Heebie Jeebies" ist ihm fast missglückt, als die Welt zum ersten Mal die Stimme eines schwarzen Jazzmusikers erlebt, der improvisiert: "Ich ließ den Zettel mit dem Text fallen – mitten im Song. Wollte aber nicht stoppen und die Aufnahme verderben, sie lief doch so wunderbar."
    Wie viele Autodidakten hatte Louis Armstrong sich eine falsche Mundhaltung angewöhnt: Weil er schief das Metallstück der Trompete gegen den Mund presste, ruinierte es seine Lippen.
    Louis Armstrong veränderte das Leben vieler Musiker, die, wie der Bandleader Artie Shaw es ausdrückte, "besessen waren von der Idee, etwas zu erfinden, das nur ihnen selbst gehörte": "Ich arbeite mit zwei Bands, einer auf der Bühne und einer in meinem Kopf. Wenn sie auf der Bühne gut klingen, okay, spiel‘ ich mit ihnen. Wenn nicht, drehe ich die Lautstärke hoch für die Band in meinem Kopf."

    Mainstream-Entertainer für die weiße Mittelschicht

    Satchmo wird vor allem durch zahlreiche TV-Auftritte zum Mainstream-Entertainer für die weiße Mittelschicht. Was der Workaholic singt oder spielt, verwandelt er in Meisterwerke. "Mack the Knife" erinnerte ihn an das Milieu, das er als Kind in New Orleans erlebt hatte.
    Der amerikanische Jazz-Trompeter und Sänger Louis Armstrong spielt Trompete
    Eine Lange Nacht über Louis "Satchmo" Armstrong
    Louis Armstrong war der erste Weltstar der populären Musik, vor Elvis Presley, vor den Beatles, den Rolling Stones, Michael Jackson, Madonna oder Rihanna. Weil er "zur rechten Zeit am rechten Ort war"
    Sein dubioser weißer Manager Joe Glaser soll Armstrong den Mob vom Hals halten. Nach dem Tod der beiden hieß es, Glaser habe zeitlebens über Strohmänner hohe Summen ans Organisierte Verbrechen für seinen Weltstar abgeführt: "Es war harte gottverdammte Arbeit, Mann. Ich fühle mich, als hätte ich 20.000 Jahre in Fliegern und auf der Schiene verbracht, es hat an mir gezehrt."
    Ein Saxofonspieler.
    JazzFacts - Wie man Zugang zum Jazz findet
    Jazz war einst eine Popmusik, nach der die ganze Welt tanzte. Doch manchen fällt der Zugang zu dieser Musik schwer. Der amerikanische Musikhistoriker und Pianist Ted Gioa hat mit seinem Buch "How to listen to jazz" eine Anleitung geschaffen.
    Am 6. Juli 1971 starb Louis Armstrong, der strahlendes Licht ins Dunkel seiner Zeit gebracht hatte: "Ich und mein Horn, wir kennen uns. Wir wissen, was wir können. Wenn ich da reinblase, ist es, als wären ich und mein Horn ein und dasselbe Ding."