"Ich, Jakob Fugger, Bürger zu Augsburg, bekenne mit diesem Brief, (…) der armen Leute Häuser am Kappenzipfel als Stiftung zu vollenden und die Nachfahren auf ewig mit der Vollstreckung zu verpflichten."
Als der wohl reichste Mann im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, der Augsburger Kaufmann Jakob Fugger, am 23. August 1521 diese Erklärung verfasst, will er nicht nur Wohnraum für bedürftige Bürger seiner Stadt schaffen. Er besiegelt damit einen Generationenvertrag, mit dem er auch seine Nachfahren in die Pflicht nimmt, zwei Kirchengemeinden finanziell zu unterstützen und die Fuggerei, wie die heute noch bestehende älteste Sozialsiedlung der Welt nach ihrem Begründer genannt wird, auf ewig zu erhalten:
"Warum die Fuggerei so aktuell ist"
"Damals wie heute war das Allerwichtigste, was man bieten konnte, ein Dach über dem Kopf. Und das sehen wir heute genauso dringend wieder, wo die Mieten so stark in die Höhe gegangen sind, dass sich viele Menschen die Miete eigentlich nicht mehr leisten können. Und das ist mit ein Grund, warum die Fuggerei so aktuell ist, weil wir eben dieses Dach über dem Kopf bieten."
Wie eine Zeitreise in spätmittelalterliche Dorfidylle
So Maria Elisabeth Gräfin Thun-Fugger, die Vorsitzende des Seniorats der Fuggerei. Das Gremium, das mit Nachfahren der beiden Brüder des kinderlosen Jakob Fugger besetzt ist, entscheidet über Finanzierung, Instandhaltungsmaßnahmen und darüber, wer eine der begehrten Fuggerei-Wohnungen beziehen darf.
Ein Besuch in der Fuggerei ist wie eine Zeitreise in eine spätmittelalterliche Dorfidylle. Eine Kirche, an den Straßenzügen ockergelbe Häuser mit grünen Fensterläden und grünen Eingangstüren aus Holz. Die Dächer mit roten Schindeln gedeckt. Viele Parterrewohnungen haben kleine Gärten. Zentraler Punkt der schmucken Siedlung ist ein Springbrunnen. Wer hier wohnen will, muss Augsburger, katholisch und bedürftig sein. So hat es Jakob Fugger verfügt.
"Das ist zum einen eine religiöse Intension gewesen, ein Werk der Barmherzigkeit und auch die Überzeugung, dafür einen ewigen Dank zu empfangen. Und es war die Motivation, etwas gegen die offenkundige soziale Not zu tun, die in Augsburg in dieser Zeit sehr groß war."
Soziale Hilfe nicht nur als Almosen verstanden
Sagt Historiker Dietmar Schiersner. Durch starkes Anwachsen der Bevölkerung herrscht in Augsburg akute Wohnungsnot. Zudem gibt es eine Wirtschaftsflaute, von der Handwerker und Kaufleute betroffen sind. Ihnen möchte Jakob Fugger eine Perspektive und günstigen Wohnraum bieten, erklärt Professor Schiersner. Hinzu komme "der wirklich innovative Gedanke, diese soziale Hilfe nicht nur als ein Almosen zu verstehen, sondern den Bedürftigen, aufzuhelfen und wieder auf die eigenen Füße zu helfen."
Mietfrei für dreimal täglich beten
Lediglich einen Rheinischen Gulden verlangt Jakob Fugger von seinen Mietern - im Jahr! Dafür sollen sie dreimal täglich für ihn und seine Nachfahren beten. Diesem Wunsch kommen auch die meisten der 150 Menschen, die heute in den 67 Häusern der Fuggerei leben, gerne nach, denn auch sie wohnen äußerst günstig: 88 Cent beträgt die Jahreskaltmiete. Damals wie heute eine rein symbolische Summe, denn die Fuggerei-Stiftung finanziert sich hauptsächlich aus der Fuggerschen Forstwirtschaft. Eine weitere wichtige Einnahmequelle sind die Eintrittsgelder, denn die historische Siedlung ist eine Touristenattraktion, sagt Gräfin Thun-Fugger:
"Die Leute können es teilweise gar nicht glauben, dass es eben kein Museumsdorf ist, sondern eine lebende Siedlung mit echten Menschen, die wirklich auch persönliche Schicksale haben.
"Die Leute können es teilweise gar nicht glauben, dass es eben kein Museumsdorf ist, sondern eine lebende Siedlung mit echten Menschen, die wirklich auch persönliche Schicksale haben.
Selbst schwerste Zeiten überstanden
Pünktlich um 22 Uhr werden die Tore der Fuggerei geschlossen. Deren Bewohner dürfen natürlich kommen und gehen, wann sie möchten, müssen aber dem Torwächter einen kleinen Obolus entrichten. Lebendige Tradition und Teil der Geschichte der Fuggerei, die selbst schwerste Zeiten überlebt hat. Auch die Bomben des Zweiten Weltkriegs, erzählt die Gräfin:
"Ja, das ist natürlich das Verdienst der Generation meines Vaters, meiner beiden Onkel, die nach der Zerstörung, und Augsburg und die Fuggerei waren ja zu 80 Prozent zerstört, den Beschluss gefasst haben, noch im Bunker: Wir bauen die Fuggerei wieder auf."