Die einflussreichen Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat von Volkswagen hatten auf den Tisch gehauen: Im Stammwerk Wolfsburg waren in den vergangenen zehn Jahren 27 Prozent aller Produktionsstellen abgebaut worden. Gleichzeitig hatte der Konzern an ausländischen Standorten vor allem in Osteuropa 80 000 neue Arbeitsplätze geschaffen. Um in der Konkurrenz mit Billiglohnländern in den deutschen Fabriken bestehen zu können, hat sich der kreative VW-Personalvorstand Peter Hartz das Modell 5000 mal 5000 ausgedacht. 5000 neue Mitarbeiter sollen zum Einheitslohn von 5000 Mark oder 2535 Euro Grundlohn beweisen, dass es sich auch in Deutschland betriebswirtschaftlich rechnet, neue Industriearbeitsplätze zu schaffen, Globalisierung hin oder her. Alle Stellen sind sozial abgesichert, gut bezahlt und ausschließlich mit Arbeitslosen besetzt.
In den Fabrikhallen der Auto 5000 Gesellschaft in Wolfsburg wird unter Hochdruck gearbeitet. Bis Anfang Oktober muss die Produktionslinie für den Touran stehen, wie der neue Siebensitzer von Volkswagen heißt. Mehr als 170 000 Quadratmeter messen die riesigen Fertigungshallen, durch die uns Katharina Thieme von der Pressestelle führt.
"Das sind die Hallen neun, zehn und elf, hier wurde vorher der Polo produziert und das wird jetzt umgerüstet auf unseren Wagen. Ab Oktober wird das Auto in Serie gefertigt, bis dahin wird alles fertig sein. Das hier ist die Lackiererei, jetzt gehen wir Richtung Karosseriebau und hinten ist die Endmontage gewesen."
Eine Viertel Million Polo wurden hier gefertigt, bevor die Produktion aus Wolfsburg ins spanische VW-Werk nach Pamplona verlegt wurde. Auch der Lupo und der Tuareg sind ins billigere Ausland abgewandert. Beim VW-Betriebsrat schrillten die Alarmglocken. In der Beschäftigungspolitik hatte der Konzern Vorbildliches geleistet, nachdem Anfang der 90er Jahre durch die Umverteilung von Arbeit durch die sogenannte VW-Woche 30 000 Stellen gerettet wurden. Die konkrete Arbeitspolitik zum Beispiel am Band oder auch die Gruppenarbeit hatte der größte europäische Autobauer über diese Erfolge aber vernachlässigt. Vor drei Jahren überraschte der VW-Personalchef Peter Hartz dann die Öffentlichkeit damit, dass der Konzern 5000 Arbeitslose mit einem Einheitslohn von 5000 Mark einstellen will. 3500 Stellen sollen in Wolfsburg und später dann 1500 neue Arbeitsplätze im Transporterwerk Hannover geschaffen werden. Damit will VW beweisen, sagt der Betriebsrat der 5000er Gesellschaft Bernd Osterloh,
"......dass es möglich ist, an einem hochindustrialisierten Standort wie Deutschland auch Arbeitsplätze neu zu schaffen gegen die Billiglohnkonkurrenz von Polen, Tschechien oder der Slowakei. Wir bilden am Standort Wolfsburg eine neue Gesellschaft ab, die Auto 5000 GmbH, wo andere Wettbewerber in Regionen gehen, wo es Zuschüsse gibt, VW verzichtet hier auf Zuschüsse, um auch zu beweisen, dass es mit den Tarifverträgen der IG Metall möglich ist, am Standort Deutschland im Westen Fahrzeuge zu produzieren, an denen man auch noch was verdient."
Wer sich für das Projekt interessiert, kann über das Internet leicht Kontakt aufnehmen. Wer keinen eigenen Computer hat oder damit nicht umgehen kann, kann in jedem Arbeitsamt ein Gerät benutzen und sich auch dort schulen lassen. Seit März haben mehr als 1,4 Millionen Interessierte die Seite angeklickt, 26 000 arbeitslose Männer und Frauen haben sich bereits konkret beworben, obwohl nur 5000 eingestellt werden. Der größte Teil der Bewerber kommt aus einem Umkreis von etwa 100 Kilometern rund um Wolfsburg, aus den Großräumen Braunschweig, Helmstedt, Salzgitter aber auch aus Magdeburg, Salzwedel oder Stendal in Sachsen Anhalt. Dabei achtet die 5000er Gesellschaft nicht darauf, ob jemand einen Gesellenbrief hat und damit über die formale Qualifikation verfügt. : Um die Motivation der Bewerber zu testen, hat die 5000 Gesellschaft ein aufwendiges Auswahlverfahren entwickelt. Am Computer werden reine Wissensfragen gestellt , aber auch das mechanisch- technische Verständnis abgefragt, in einem Fertigungstest müssen die Bewerber zudem zeigen, dass sie nicht zwei linke Hände haben. In Gruppen- und Rollenspielen wird schließlich die Teamfähigkeit getestet. Nur wer eine bestimmte Punktzahl erreicht, wird zum Abschlussinterview eingeladen. Bei der Auswahl der Bewerber hat der Betriebsrat ein Mitspracherecht, sagt Andreas Heim von der Mitarbeitervertretung, der das Verfahren äußerst gerecht findet.
"Weil jeder die gleiche Chance hat. Jeder in dieser Republik oder auch darüberhinaus hat die gleiche Chance über einen Internettest, ohne dass man den Menschen, das Gesicht, die Stimme kennt, die Bewerbung abzugeben und ich denke das ist doch eine sehr große Chancengleichheit."
Für die Jobs bei der 5000 Gesellschaft haben sich neben arbeitslosen Kraftfahrzeugmechanikern, Metallern oder Elektrikern auch Friseurinnen oder Konditoren beworben. Das entscheidende ist nicht die Formalqualifikation, sondern die Lernfähigkeit und die Lernbereitschaft. Jeder Bewerber, der den Test bestanden hat, wird vom Arbeitsamt drei Monate lang für die sogenannte allgemeine Industrietauglichkeit qualifiziert. Danach werden die neuen Mitarbeiter sechs Monate lang durch die 5000er Gesellschaft auf ihre speziellen Aufgaben in der Produktion vorbereitet.
Während einer kleinen Feierstunde haben die ersten Mitarbeiter bereits aus der Hand von Geschäftsführer Schreiner ihren Arbeitsvertrag erhalten. Rund 200 Bewerber hat die Auto 5000 Gesellschaft bislang fest eingestellt. Weitere 270 befinden sich in der Qualifikation. Bis Mai nächsten Jahres sollen alle 3500 Beschäftigten an Bord sein, bis dahin können sich interessierte Arbeitslose weiter bewerben. Dennoch soll mit der Produktion schon im Oktober begonnen werden. Die eingearbeiteten Kräfte lernen dann ihre neue Kollegen und Kolleginnen nach und nach an. Mit den bisher eingestellten neuen Mitarbeitern hat Schreiner gute Erfahrungen gemacht. Alle sind sehr leistungsfähig, sagt der Geschäftsführer, auch wenn nur 13 Prozent über eine Formalqualifikation verfügen würden.
"Ich glaube dass wir ein politisches Signal aussenden können, was da heißt, das Potenzial von Arbeitslosen, die wir haben, ist größer, als nur diejenigen, die formal qualifiziert sind für eine Tätigkeit in der Industrie, heißt Elektriker und Metaller. 87 Prozent der Arbeitslosen gehören nicht zu dieser Zielgruppe. Wenn wir uns ein bisschen anstrengen, dann gelingt es uns mit intelligenten Konzepten in der Bundesrepublik Deutschland solche Menschen in Tätigkeiten zu bringen, und zwar derart, dass wir einen Wettbewerbsvorteil dadurch haben."
Großer Wert wird in der Auto 5000 Gesellschaft auf Team-Arbeit gelegt. Ganz ohne Spezialisten geht es allerdings nicht. Deshalb kommen zu den 3500 Beschäftigten, die bis Mai eingestellt werden, noch etwa 150 Meister und Facharbeiter dazu. In der Sprache der 5000er Fabrik sind das Betriebsingenieure und sogenannte Fachtalente. Sie unterstützen die angelernten Talente und helfen in kniffligen Situationen aus. Um die Teamarbeit so gut es geht zur Geltung zu bringen, gibt es in der Hierarchie lediglich diese drei Stufen.
In der Fabrik haben die ersten Probeläufe für die Produktion bereits begonnen. Betriebsingenieur Gunnar Sattler ist im Mai eingestellt worden. Der 31jährige Elektromeister aus Salzwedel war von Arbeitslosigkeit bedroht, deshalb war er froh, dass er den Job bekommen hat.
"Ich bin hier eingesetzt als Betriebingenieur im Fertigungsabschnitt drei im Erdgeschoss bei den Anbauteilen. Da betreu ich die Anlage, koordinier die Mitarbeiter, momentan den Anlauf, Teileversorgung, Inbetriebnahme der Anlagen und zum Teil auch schon Autos bauen. Wir sind momentan ständig in der Personalzuführung, wir fluktuieren stark in der Zahl, momentaner Stand sind 14 Mitarbeiter. Die Teams sind noch nicht komplett ausgebildet, wir führen momentan ein Team, was dann gesplittet wird auf die entsprechende Größe."
Jeder Mitarbeiter muss 38 Wochenstunden in der Fabrik anwesend sein. Darin enthalten sind drei Stunden Qualifizierung, von denen VW aber nur eineinhalb Stunden bezahlt. Gunnar Sattler ist dennoch froh über das Angebot.
"Dieses lebenslange Lernen ist natürlich ne wunderbare Sache, ne einzigartige Sache, habe ich so noch nirgendwo gesehen, man hat ständig die Möglichkeit, sich an die neuen Dinge, die hier ständig auftreten, anzupassen und natürlich auch sich selber zu verbessern ständig."
Friedhelm Langemann aus Braunschweig war eineinhalb Jahre arbeitslos. Jetzt ist der Vater von zwei zwölf und 15 Jahre alten Söhnen als Anlagenführer im Karosseriebau eingesetzt. Er hatte sich bei vielen Firmen vorgestellt, doch mit 46 Jahren hatte er bisher keine Chance.
"Ich sage mal, ich hab mich wirklich reingehängt bei der Auto 5000, ich habe da richtig eine Chance gesehen und habe gesagt, das oder keins mehr, ich habs geschafft ich bin am Ziel meiner Träume."
Als gelernter Elektromechaniker gilt Langemann in der 5000er Gesellschaft als sogenanntes Fachtalent. In Absprache mit dem Betriebsingenieur betreut er die angelernten Talente in den Teams.
"Ich bekomme zur Zeit 2053 Euro, das ist die Qualifizierungszeit bis November, ab dann, wenn der unbefristete Arbeitsvertrag beginnt, bekomme ich 2535 Euro. Im ersten Jahr liegen wir brutto bei 32 000 Euro, im zweiten Jahr wird das 34 000 Euro betragen und im dritten Jahr wird das wohl bei 35 000 Euro liegen. "
Zuschläge für Samstagsarbeit gibt es nicht, auch Weihnachts- und Urlaubsgeld werden nicht extra bezahlt. Nicht anfreunden kann sich das Fachtalent mit dem Einheitslohn.
"Persönlich sag ich mal sind es ja verschiedene Arbeitsplätze mit verschiedenen Strukturen, es verdient jeder das Gleiche, ich finde es eigentlich ungerecht, wenn ich eine Verantwortung trage und praktisch das gleiche bekomme wie jemand, der keine Verantwortung trägt, finde ich das uns gegenüber, die Verantwortung tragen, ungerecht."
Neu an dem Modell ist auch das sogenannte Programmentgeld. Wenn alle 3500 Mitarbeiter eingestellt sind, müssen sie pro Tag in einem Drei-Schicht-Betrieb 1000 mängelfreie Autos vom Typ Touran bauen. Jede Schicht muss etwa 330 Autos beisteuern. Wird dieses Soll in der vorgegebenen Arbeitszeit nicht geschafft, muss das ganze Team die Vorgabe unentgeldlich nacharbeiten. Dafür sind etwa 30 bis 60 Minuten Nacharbeit pro Schicht vorgesehen.
"Ich muss sehen, dass ich in meiner Anlage alles reibungslos laufen lasse, wenn ich einen Fehler einbaue, ist der nächste Arbeitsplatz davon gestört, der hat Wartezeiten und kann nicht weiterarbeiten, so hängt ein Arbeitsplatz von dem anderen ab. Man muss sich auf die Kollegen verlassen können. Der Druck wird erst kommen, wenn wir die Serie anfahren, dann kommt es drauf an, dass du genug Erfahrung gesammelt hast, dass du auch deine Stückzahl, die Qualität fahren kannst."
Die 21jährige Erzieherin Melanie Nietschke aus Bernrode bei Königslutter ist als sogenanntes Talent eingestellt worden. Sie ist im Finish eingesetzt und poliert die Autos noch mal, bevor sie ausgeliefert werden.
"Das ist ein gesicherter Arbeitsplatz, gesicherte Zukunft, gesichertes Einkommen, wo kriegt man das heute noch, das ist ja ne Lebensperspektive, wenn man so einen Job hat. Es ist einfach lockerer, es ist nicht so zäh, wir sind halt mehr unsere eigenen Chefs. Es macht schon Spaß, das ist ein lockereres Arbeitsverhältnis."
Um in der Konkurrenz mit den Billiglohnländern bestehen zu können, bekommen die Arbeitslosen mit einem Einheitslohn von 5000 Mark oder 2535 Euro rund 20 Prozent weniger als die VW-Beschäftigten, die nach dem Haustarifvertrag bezahlt werden. Doch diese Einsparung reicht nicht aus, sagt Geschäftsführer Schreiner. Vielmehr müsse die gesamte Produktionskette überprüft werden.
"Wir müssen alle Prozesse des Automobilbaus von der Entwicklung bis zum Vertrieb völlig neu gestalten, alle Kostenpotenziale, die es da gibt, erschließen, dass sie als Wettbewerbsfaktoren für uns nutzbar werden. Wir werden hier eine Technik installieren, die ein solches Konzept überhaupt ermöglicht und damit entsteht hier eine Fabrik, die sich ganz deutlich von anderen Fabriken unterscheidet, hier folgt erstmalig die Technik der Organisation und nicht die Organisation der Technik, wie das normalerweise der Fall ist."
Um den Bau des neuen Autos zu erleichtern, sind die Varianten des Touran drastisch reduziert worden. Auch die Fahrzeug-Logistik wurde völlig neu organisiert. Teure Umwege und Lagerkosten werden eingespart, weil die Kundenwünsche direkt mit der Produktion abgestimmt werden. Situationen, dass man den Kunden in Italien hat und das Auto in Belgien steht, wird es künftig nicht mehr geben, sagt Harald Schomburg, der in der 5000 GmbH für den Vertrieb und das Marketing zuständig ist.
"Diesen Dissens haben wir aufgenommen und gesagt, wie können wir die Verteilfunktion für die Fahrzeuge so neu strukturieren, dass wir die Kundennachfrage zentral auffangen und dann erst verteilen, das ist der Grundgedanke, dem wir folgen werden, dort gibt es ganz erhebliche Einsparpotenziale, natürlich nicht ohne dass wir vorher das Fahrzeug so lean strukturiert haben, weil sie ansonsten nie den gleichen gemeinsamen Nenner finden."
Während die Auto-5000 Gesellschaft mit ihrem innovativen Modell bundesweit eine gute Presse hat, wird das Projekt bei VW hausintern von vielen skeptisch betrachtet. In einer Betriebsversammlung äußern viele VW-Beschäftigte Bedenken.
"Dass das Arbeitsplätze zweiter Klasse werden, man muss sehen, was dabei herauskommt . Dass die Löhne vielleicht nicht so steigen werden, dass sie vielleicht mit der Zeit angeglichen werden an die Löhne der 5000er Arbeiter, wenn die Arbeitslosen eingestellt werden, dass dann die Löhne angeglichen werden, das wär auf jeden Fall ne Sauerei. Ich weiß nicht, ob das so toll ist, wenn 5000 Leute Arbeit bekommen, aber unter diesen Bedingungen, wie VW sich das vorstellt, die Arbeitszeit ist extrem hoch, die erwarten sehr viel Leistung von den Leuten, die von den Leuten, die neben ihnen arbeiten, nicht erwartet werden."
Der neue VW-Chef Bernd Pischetsrieder lässt sich durch solche Kritik nicht irritieren. Schließlich geht es um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie.
"Das Schaffen von Industriearbeitsplätzen in Deutschland hängt entscheidend damit zusammen, dass das, was wir hier in Deutschland besser können als in anderen Ländern, ne bessere Ausbildung, bessere Infrastruktur, bessere Vernetzung in den Systemen, in der Zusammenarbeit zwischen den Menschen und auch der Sozialpartnerschaft eben nutzen und das bedarf auch anderer Industriearbeitsorganisation als die überkommene ist und die auch bei VW - von der übrigen Industrie ganz zu schweigen- in vielen Werken noch vorhanden ist, das ist das, was geändert werden muss und von dem Nukleus also auch geändert wird."
Auch die Wissenschaft beobachtet das Projekt aufmerksam. Professor Michael Schumann vom Soziologischen Forschungsinstitut an der Universität Göttingen hält das Modell beschäftigungspolitisch für wegweisend. Der alte Taylorismus, dass die Einen arbeiten und die Anderen denken, werde hier nicht länger verfolgt, sagt der Sozialwissenschaftler. Hier werden die Arbeiter zu Arbeitsexperten, sie sind genauso mitsprachefähig und können ihre Ideen mit einbringen.
"Ich schätze das als einen zukunftsweisenden Weg ein, insbesondere in der Debatte um die Ergebnisse der Hartz-Kommission, denn ich gehe tatsächlich davon aus, dass wir in unserer Industrie viele hunderttausend Arbeitsplätze haben, die nicht besetzt werden. In dem Moment, wo ich dann diese Person, sei es durch Mithilfe der Qualifizierung des Arbeitsamtes, sei es durch die Qualifizierung, die ich dann im Unternehmen passgenau gemacht habe, wenn ich die Person habe, werde ich sie auch nicht mehr hergeben und dann werde ich auch sehr gerne bereit sein, sie in ein Normalarbeitsverhältnis zu übernehmen."
Das 5000er Modell ist genau wie die VW Woche aus der Not heraus geboren. Wurden Anfang der 90er Jahre bei VW 30 000 Stellen durch die Vier-Tage-Woche gerettet, so soll mit dem Projekt 5000 mal 5000 langfristig der Industriestandort Deutschland gesichert werden. Entwickelt wurden beide Projekte von VW-Personalchef Peter Hartz. Der 60jährige Automanager ist sich durchaus bewusst, dass VW mit dem 5000 er Modell in eine neue Arbeitswelt startet und dabei die Industriearbeit in Deutschland revolutioniert, sagt er am Rande einer Betriebsversammlung kurz und knapp.
" Weil Sie aus Arbeitern Unternehmer machen und gleichzeitig die Disposition, die Ausführung und die Umsetzung in eine Hand geben."
Hartz ist überzeugt, dass das 5000er Modell sich betriebswirtschaftlich rechnet. Sein Wunsch ist es, das Projekt auch zu einem politischen Erfolgsmodell zu machen.
"Dass es Schule macht und dass wir damit außer aus Marktgründen nie mehr ein Auto außerhalb von Deutschland produzieren müssen."
Der Markterfolg von VW liegt zu einem guten Teil auch darin begründet, dass es zwischen Mitarbeitervertretung und Vorstand des früheren Staatskonzerns von Anfang an einen kurzen Draht gegeben hat. Der Betriebsratsvorsitzende Klaus Volkert hat maßgeblich Einfluss genommen, um das 5000 er Modell umzusetzen.
"Es sind ja nicht die Lohnstrukturen, hier in der Automobilindustrie liegen die bei 14,7 Prozent, wir tun ja immer so. als wenn man die Löhne runterschrauben muss, dann ist der Standort Deutschland gerettet, wir werden hier den Beweis antreten, das ist hier nicht der Fall. Mit 5000 Mark Monatseinkommen ist das ein anständiger Lohn für diesen Standort Deutschland und wir werden den Beweis antreten, dass damit Geld verdient werden kann, wenn die Wettbewerbsfähigkeit vorangetrieben wird und endlich mal an die Dinge herangegangen wird, wo man immer glaubt, es ist nur der Lohn und die Lohnnebenkosten."
Die 5000er Gesellschaft, die völlig eigenständig innerhalb des VW-Konzerns arbeitet, versteht sich als Versuchslabor. Bewähren sich die 5000er Elemente wie Gruppenarbeit, Qualifizierung während der Arbeitszeit oder auch das neue Vertriebssystem, könnte das der Konzern übernehmen, sagt Geschäftsführer Schreiner.
"VW hat sich das vorgenommen, das auch auf andere Projekte zu übertragen vielleicht sogar ganz und gar zu übertragen, wir sind da in der Diskussion. Der Dr. Pischetsrieder, der hier sicher mit Dr. Hartz zusammen die beiden sind, die das Gesamtprojekt nach vorne treiben, haben gesagt, das ist für uns ein riesiges Pilotprojekt und wir wollen gucken, was wir da übertragen können bei Volkswagen, ich glaube fünf bis zehn Jahre weiter wird das alles selbstverständlich sein, das so zu tun .Natürlich auch andere Industrien haben mit uns Kontakt aufgenommen, Stahlindustrie, Chemische Industrie aber auch im Bereich Stein, Beton, die geguckt haben, was macht ihr da, können wir da etwas von lernen. "
In den Fabrikhallen der Auto 5000 Gesellschaft in Wolfsburg wird unter Hochdruck gearbeitet. Bis Anfang Oktober muss die Produktionslinie für den Touran stehen, wie der neue Siebensitzer von Volkswagen heißt. Mehr als 170 000 Quadratmeter messen die riesigen Fertigungshallen, durch die uns Katharina Thieme von der Pressestelle führt.
"Das sind die Hallen neun, zehn und elf, hier wurde vorher der Polo produziert und das wird jetzt umgerüstet auf unseren Wagen. Ab Oktober wird das Auto in Serie gefertigt, bis dahin wird alles fertig sein. Das hier ist die Lackiererei, jetzt gehen wir Richtung Karosseriebau und hinten ist die Endmontage gewesen."
Eine Viertel Million Polo wurden hier gefertigt, bevor die Produktion aus Wolfsburg ins spanische VW-Werk nach Pamplona verlegt wurde. Auch der Lupo und der Tuareg sind ins billigere Ausland abgewandert. Beim VW-Betriebsrat schrillten die Alarmglocken. In der Beschäftigungspolitik hatte der Konzern Vorbildliches geleistet, nachdem Anfang der 90er Jahre durch die Umverteilung von Arbeit durch die sogenannte VW-Woche 30 000 Stellen gerettet wurden. Die konkrete Arbeitspolitik zum Beispiel am Band oder auch die Gruppenarbeit hatte der größte europäische Autobauer über diese Erfolge aber vernachlässigt. Vor drei Jahren überraschte der VW-Personalchef Peter Hartz dann die Öffentlichkeit damit, dass der Konzern 5000 Arbeitslose mit einem Einheitslohn von 5000 Mark einstellen will. 3500 Stellen sollen in Wolfsburg und später dann 1500 neue Arbeitsplätze im Transporterwerk Hannover geschaffen werden. Damit will VW beweisen, sagt der Betriebsrat der 5000er Gesellschaft Bernd Osterloh,
"......dass es möglich ist, an einem hochindustrialisierten Standort wie Deutschland auch Arbeitsplätze neu zu schaffen gegen die Billiglohnkonkurrenz von Polen, Tschechien oder der Slowakei. Wir bilden am Standort Wolfsburg eine neue Gesellschaft ab, die Auto 5000 GmbH, wo andere Wettbewerber in Regionen gehen, wo es Zuschüsse gibt, VW verzichtet hier auf Zuschüsse, um auch zu beweisen, dass es mit den Tarifverträgen der IG Metall möglich ist, am Standort Deutschland im Westen Fahrzeuge zu produzieren, an denen man auch noch was verdient."
Wer sich für das Projekt interessiert, kann über das Internet leicht Kontakt aufnehmen. Wer keinen eigenen Computer hat oder damit nicht umgehen kann, kann in jedem Arbeitsamt ein Gerät benutzen und sich auch dort schulen lassen. Seit März haben mehr als 1,4 Millionen Interessierte die Seite angeklickt, 26 000 arbeitslose Männer und Frauen haben sich bereits konkret beworben, obwohl nur 5000 eingestellt werden. Der größte Teil der Bewerber kommt aus einem Umkreis von etwa 100 Kilometern rund um Wolfsburg, aus den Großräumen Braunschweig, Helmstedt, Salzgitter aber auch aus Magdeburg, Salzwedel oder Stendal in Sachsen Anhalt. Dabei achtet die 5000er Gesellschaft nicht darauf, ob jemand einen Gesellenbrief hat und damit über die formale Qualifikation verfügt. : Um die Motivation der Bewerber zu testen, hat die 5000 Gesellschaft ein aufwendiges Auswahlverfahren entwickelt. Am Computer werden reine Wissensfragen gestellt , aber auch das mechanisch- technische Verständnis abgefragt, in einem Fertigungstest müssen die Bewerber zudem zeigen, dass sie nicht zwei linke Hände haben. In Gruppen- und Rollenspielen wird schließlich die Teamfähigkeit getestet. Nur wer eine bestimmte Punktzahl erreicht, wird zum Abschlussinterview eingeladen. Bei der Auswahl der Bewerber hat der Betriebsrat ein Mitspracherecht, sagt Andreas Heim von der Mitarbeitervertretung, der das Verfahren äußerst gerecht findet.
"Weil jeder die gleiche Chance hat. Jeder in dieser Republik oder auch darüberhinaus hat die gleiche Chance über einen Internettest, ohne dass man den Menschen, das Gesicht, die Stimme kennt, die Bewerbung abzugeben und ich denke das ist doch eine sehr große Chancengleichheit."
Für die Jobs bei der 5000 Gesellschaft haben sich neben arbeitslosen Kraftfahrzeugmechanikern, Metallern oder Elektrikern auch Friseurinnen oder Konditoren beworben. Das entscheidende ist nicht die Formalqualifikation, sondern die Lernfähigkeit und die Lernbereitschaft. Jeder Bewerber, der den Test bestanden hat, wird vom Arbeitsamt drei Monate lang für die sogenannte allgemeine Industrietauglichkeit qualifiziert. Danach werden die neuen Mitarbeiter sechs Monate lang durch die 5000er Gesellschaft auf ihre speziellen Aufgaben in der Produktion vorbereitet.
Während einer kleinen Feierstunde haben die ersten Mitarbeiter bereits aus der Hand von Geschäftsführer Schreiner ihren Arbeitsvertrag erhalten. Rund 200 Bewerber hat die Auto 5000 Gesellschaft bislang fest eingestellt. Weitere 270 befinden sich in der Qualifikation. Bis Mai nächsten Jahres sollen alle 3500 Beschäftigten an Bord sein, bis dahin können sich interessierte Arbeitslose weiter bewerben. Dennoch soll mit der Produktion schon im Oktober begonnen werden. Die eingearbeiteten Kräfte lernen dann ihre neue Kollegen und Kolleginnen nach und nach an. Mit den bisher eingestellten neuen Mitarbeitern hat Schreiner gute Erfahrungen gemacht. Alle sind sehr leistungsfähig, sagt der Geschäftsführer, auch wenn nur 13 Prozent über eine Formalqualifikation verfügen würden.
"Ich glaube dass wir ein politisches Signal aussenden können, was da heißt, das Potenzial von Arbeitslosen, die wir haben, ist größer, als nur diejenigen, die formal qualifiziert sind für eine Tätigkeit in der Industrie, heißt Elektriker und Metaller. 87 Prozent der Arbeitslosen gehören nicht zu dieser Zielgruppe. Wenn wir uns ein bisschen anstrengen, dann gelingt es uns mit intelligenten Konzepten in der Bundesrepublik Deutschland solche Menschen in Tätigkeiten zu bringen, und zwar derart, dass wir einen Wettbewerbsvorteil dadurch haben."
Großer Wert wird in der Auto 5000 Gesellschaft auf Team-Arbeit gelegt. Ganz ohne Spezialisten geht es allerdings nicht. Deshalb kommen zu den 3500 Beschäftigten, die bis Mai eingestellt werden, noch etwa 150 Meister und Facharbeiter dazu. In der Sprache der 5000er Fabrik sind das Betriebsingenieure und sogenannte Fachtalente. Sie unterstützen die angelernten Talente und helfen in kniffligen Situationen aus. Um die Teamarbeit so gut es geht zur Geltung zu bringen, gibt es in der Hierarchie lediglich diese drei Stufen.
In der Fabrik haben die ersten Probeläufe für die Produktion bereits begonnen. Betriebsingenieur Gunnar Sattler ist im Mai eingestellt worden. Der 31jährige Elektromeister aus Salzwedel war von Arbeitslosigkeit bedroht, deshalb war er froh, dass er den Job bekommen hat.
"Ich bin hier eingesetzt als Betriebingenieur im Fertigungsabschnitt drei im Erdgeschoss bei den Anbauteilen. Da betreu ich die Anlage, koordinier die Mitarbeiter, momentan den Anlauf, Teileversorgung, Inbetriebnahme der Anlagen und zum Teil auch schon Autos bauen. Wir sind momentan ständig in der Personalzuführung, wir fluktuieren stark in der Zahl, momentaner Stand sind 14 Mitarbeiter. Die Teams sind noch nicht komplett ausgebildet, wir führen momentan ein Team, was dann gesplittet wird auf die entsprechende Größe."
Jeder Mitarbeiter muss 38 Wochenstunden in der Fabrik anwesend sein. Darin enthalten sind drei Stunden Qualifizierung, von denen VW aber nur eineinhalb Stunden bezahlt. Gunnar Sattler ist dennoch froh über das Angebot.
"Dieses lebenslange Lernen ist natürlich ne wunderbare Sache, ne einzigartige Sache, habe ich so noch nirgendwo gesehen, man hat ständig die Möglichkeit, sich an die neuen Dinge, die hier ständig auftreten, anzupassen und natürlich auch sich selber zu verbessern ständig."
Friedhelm Langemann aus Braunschweig war eineinhalb Jahre arbeitslos. Jetzt ist der Vater von zwei zwölf und 15 Jahre alten Söhnen als Anlagenführer im Karosseriebau eingesetzt. Er hatte sich bei vielen Firmen vorgestellt, doch mit 46 Jahren hatte er bisher keine Chance.
"Ich sage mal, ich hab mich wirklich reingehängt bei der Auto 5000, ich habe da richtig eine Chance gesehen und habe gesagt, das oder keins mehr, ich habs geschafft ich bin am Ziel meiner Träume."
Als gelernter Elektromechaniker gilt Langemann in der 5000er Gesellschaft als sogenanntes Fachtalent. In Absprache mit dem Betriebsingenieur betreut er die angelernten Talente in den Teams.
"Ich bekomme zur Zeit 2053 Euro, das ist die Qualifizierungszeit bis November, ab dann, wenn der unbefristete Arbeitsvertrag beginnt, bekomme ich 2535 Euro. Im ersten Jahr liegen wir brutto bei 32 000 Euro, im zweiten Jahr wird das 34 000 Euro betragen und im dritten Jahr wird das wohl bei 35 000 Euro liegen. "
Zuschläge für Samstagsarbeit gibt es nicht, auch Weihnachts- und Urlaubsgeld werden nicht extra bezahlt. Nicht anfreunden kann sich das Fachtalent mit dem Einheitslohn.
"Persönlich sag ich mal sind es ja verschiedene Arbeitsplätze mit verschiedenen Strukturen, es verdient jeder das Gleiche, ich finde es eigentlich ungerecht, wenn ich eine Verantwortung trage und praktisch das gleiche bekomme wie jemand, der keine Verantwortung trägt, finde ich das uns gegenüber, die Verantwortung tragen, ungerecht."
Neu an dem Modell ist auch das sogenannte Programmentgeld. Wenn alle 3500 Mitarbeiter eingestellt sind, müssen sie pro Tag in einem Drei-Schicht-Betrieb 1000 mängelfreie Autos vom Typ Touran bauen. Jede Schicht muss etwa 330 Autos beisteuern. Wird dieses Soll in der vorgegebenen Arbeitszeit nicht geschafft, muss das ganze Team die Vorgabe unentgeldlich nacharbeiten. Dafür sind etwa 30 bis 60 Minuten Nacharbeit pro Schicht vorgesehen.
"Ich muss sehen, dass ich in meiner Anlage alles reibungslos laufen lasse, wenn ich einen Fehler einbaue, ist der nächste Arbeitsplatz davon gestört, der hat Wartezeiten und kann nicht weiterarbeiten, so hängt ein Arbeitsplatz von dem anderen ab. Man muss sich auf die Kollegen verlassen können. Der Druck wird erst kommen, wenn wir die Serie anfahren, dann kommt es drauf an, dass du genug Erfahrung gesammelt hast, dass du auch deine Stückzahl, die Qualität fahren kannst."
Die 21jährige Erzieherin Melanie Nietschke aus Bernrode bei Königslutter ist als sogenanntes Talent eingestellt worden. Sie ist im Finish eingesetzt und poliert die Autos noch mal, bevor sie ausgeliefert werden.
"Das ist ein gesicherter Arbeitsplatz, gesicherte Zukunft, gesichertes Einkommen, wo kriegt man das heute noch, das ist ja ne Lebensperspektive, wenn man so einen Job hat. Es ist einfach lockerer, es ist nicht so zäh, wir sind halt mehr unsere eigenen Chefs. Es macht schon Spaß, das ist ein lockereres Arbeitsverhältnis."
Um in der Konkurrenz mit den Billiglohnländern bestehen zu können, bekommen die Arbeitslosen mit einem Einheitslohn von 5000 Mark oder 2535 Euro rund 20 Prozent weniger als die VW-Beschäftigten, die nach dem Haustarifvertrag bezahlt werden. Doch diese Einsparung reicht nicht aus, sagt Geschäftsführer Schreiner. Vielmehr müsse die gesamte Produktionskette überprüft werden.
"Wir müssen alle Prozesse des Automobilbaus von der Entwicklung bis zum Vertrieb völlig neu gestalten, alle Kostenpotenziale, die es da gibt, erschließen, dass sie als Wettbewerbsfaktoren für uns nutzbar werden. Wir werden hier eine Technik installieren, die ein solches Konzept überhaupt ermöglicht und damit entsteht hier eine Fabrik, die sich ganz deutlich von anderen Fabriken unterscheidet, hier folgt erstmalig die Technik der Organisation und nicht die Organisation der Technik, wie das normalerweise der Fall ist."
Um den Bau des neuen Autos zu erleichtern, sind die Varianten des Touran drastisch reduziert worden. Auch die Fahrzeug-Logistik wurde völlig neu organisiert. Teure Umwege und Lagerkosten werden eingespart, weil die Kundenwünsche direkt mit der Produktion abgestimmt werden. Situationen, dass man den Kunden in Italien hat und das Auto in Belgien steht, wird es künftig nicht mehr geben, sagt Harald Schomburg, der in der 5000 GmbH für den Vertrieb und das Marketing zuständig ist.
"Diesen Dissens haben wir aufgenommen und gesagt, wie können wir die Verteilfunktion für die Fahrzeuge so neu strukturieren, dass wir die Kundennachfrage zentral auffangen und dann erst verteilen, das ist der Grundgedanke, dem wir folgen werden, dort gibt es ganz erhebliche Einsparpotenziale, natürlich nicht ohne dass wir vorher das Fahrzeug so lean strukturiert haben, weil sie ansonsten nie den gleichen gemeinsamen Nenner finden."
Während die Auto-5000 Gesellschaft mit ihrem innovativen Modell bundesweit eine gute Presse hat, wird das Projekt bei VW hausintern von vielen skeptisch betrachtet. In einer Betriebsversammlung äußern viele VW-Beschäftigte Bedenken.
"Dass das Arbeitsplätze zweiter Klasse werden, man muss sehen, was dabei herauskommt . Dass die Löhne vielleicht nicht so steigen werden, dass sie vielleicht mit der Zeit angeglichen werden an die Löhne der 5000er Arbeiter, wenn die Arbeitslosen eingestellt werden, dass dann die Löhne angeglichen werden, das wär auf jeden Fall ne Sauerei. Ich weiß nicht, ob das so toll ist, wenn 5000 Leute Arbeit bekommen, aber unter diesen Bedingungen, wie VW sich das vorstellt, die Arbeitszeit ist extrem hoch, die erwarten sehr viel Leistung von den Leuten, die von den Leuten, die neben ihnen arbeiten, nicht erwartet werden."
Der neue VW-Chef Bernd Pischetsrieder lässt sich durch solche Kritik nicht irritieren. Schließlich geht es um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie.
"Das Schaffen von Industriearbeitsplätzen in Deutschland hängt entscheidend damit zusammen, dass das, was wir hier in Deutschland besser können als in anderen Ländern, ne bessere Ausbildung, bessere Infrastruktur, bessere Vernetzung in den Systemen, in der Zusammenarbeit zwischen den Menschen und auch der Sozialpartnerschaft eben nutzen und das bedarf auch anderer Industriearbeitsorganisation als die überkommene ist und die auch bei VW - von der übrigen Industrie ganz zu schweigen- in vielen Werken noch vorhanden ist, das ist das, was geändert werden muss und von dem Nukleus also auch geändert wird."
Auch die Wissenschaft beobachtet das Projekt aufmerksam. Professor Michael Schumann vom Soziologischen Forschungsinstitut an der Universität Göttingen hält das Modell beschäftigungspolitisch für wegweisend. Der alte Taylorismus, dass die Einen arbeiten und die Anderen denken, werde hier nicht länger verfolgt, sagt der Sozialwissenschaftler. Hier werden die Arbeiter zu Arbeitsexperten, sie sind genauso mitsprachefähig und können ihre Ideen mit einbringen.
"Ich schätze das als einen zukunftsweisenden Weg ein, insbesondere in der Debatte um die Ergebnisse der Hartz-Kommission, denn ich gehe tatsächlich davon aus, dass wir in unserer Industrie viele hunderttausend Arbeitsplätze haben, die nicht besetzt werden. In dem Moment, wo ich dann diese Person, sei es durch Mithilfe der Qualifizierung des Arbeitsamtes, sei es durch die Qualifizierung, die ich dann im Unternehmen passgenau gemacht habe, wenn ich die Person habe, werde ich sie auch nicht mehr hergeben und dann werde ich auch sehr gerne bereit sein, sie in ein Normalarbeitsverhältnis zu übernehmen."
Das 5000er Modell ist genau wie die VW Woche aus der Not heraus geboren. Wurden Anfang der 90er Jahre bei VW 30 000 Stellen durch die Vier-Tage-Woche gerettet, so soll mit dem Projekt 5000 mal 5000 langfristig der Industriestandort Deutschland gesichert werden. Entwickelt wurden beide Projekte von VW-Personalchef Peter Hartz. Der 60jährige Automanager ist sich durchaus bewusst, dass VW mit dem 5000 er Modell in eine neue Arbeitswelt startet und dabei die Industriearbeit in Deutschland revolutioniert, sagt er am Rande einer Betriebsversammlung kurz und knapp.
" Weil Sie aus Arbeitern Unternehmer machen und gleichzeitig die Disposition, die Ausführung und die Umsetzung in eine Hand geben."
Hartz ist überzeugt, dass das 5000er Modell sich betriebswirtschaftlich rechnet. Sein Wunsch ist es, das Projekt auch zu einem politischen Erfolgsmodell zu machen.
"Dass es Schule macht und dass wir damit außer aus Marktgründen nie mehr ein Auto außerhalb von Deutschland produzieren müssen."
Der Markterfolg von VW liegt zu einem guten Teil auch darin begründet, dass es zwischen Mitarbeitervertretung und Vorstand des früheren Staatskonzerns von Anfang an einen kurzen Draht gegeben hat. Der Betriebsratsvorsitzende Klaus Volkert hat maßgeblich Einfluss genommen, um das 5000 er Modell umzusetzen.
"Es sind ja nicht die Lohnstrukturen, hier in der Automobilindustrie liegen die bei 14,7 Prozent, wir tun ja immer so. als wenn man die Löhne runterschrauben muss, dann ist der Standort Deutschland gerettet, wir werden hier den Beweis antreten, das ist hier nicht der Fall. Mit 5000 Mark Monatseinkommen ist das ein anständiger Lohn für diesen Standort Deutschland und wir werden den Beweis antreten, dass damit Geld verdient werden kann, wenn die Wettbewerbsfähigkeit vorangetrieben wird und endlich mal an die Dinge herangegangen wird, wo man immer glaubt, es ist nur der Lohn und die Lohnnebenkosten."
Die 5000er Gesellschaft, die völlig eigenständig innerhalb des VW-Konzerns arbeitet, versteht sich als Versuchslabor. Bewähren sich die 5000er Elemente wie Gruppenarbeit, Qualifizierung während der Arbeitszeit oder auch das neue Vertriebssystem, könnte das der Konzern übernehmen, sagt Geschäftsführer Schreiner.
"VW hat sich das vorgenommen, das auch auf andere Projekte zu übertragen vielleicht sogar ganz und gar zu übertragen, wir sind da in der Diskussion. Der Dr. Pischetsrieder, der hier sicher mit Dr. Hartz zusammen die beiden sind, die das Gesamtprojekt nach vorne treiben, haben gesagt, das ist für uns ein riesiges Pilotprojekt und wir wollen gucken, was wir da übertragen können bei Volkswagen, ich glaube fünf bis zehn Jahre weiter wird das alles selbstverständlich sein, das so zu tun .Natürlich auch andere Industrien haben mit uns Kontakt aufgenommen, Stahlindustrie, Chemische Industrie aber auch im Bereich Stein, Beton, die geguckt haben, was macht ihr da, können wir da etwas von lernen. "