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575. Todestag von Filippo Brunelleschi
Der Architekt als Verkörperung des humanistischen Künstlerideals

Als Filippo Brunelleschi am 15. April 1446 in Florenz starb, bahrte man ihn im Dom auf – unter der mächtigen Kuppel, die er selbst konstruiert und nach 16 Jahren vollendet hatte. Heute gilt der Architekt als einer der vielseitigsten und einflussreichsten Künstler der Renaissance.

Von Jochen Stöckmann |
    Ein schwarz- schwarz-weiß Foto im Hochformat zeigt eine Marmor-Porträt-Büste des italienischen Architekten Filippo Brunelleschi Boden Shelley in Toga und mit Kapuze
    Marmor-Büste des italienischen Architekten Filippo Brunelleschi im Seitenschiff des Doms von Florenz (picture-alliance / akg-images)
    Dem Dom von Florenz fehlt die krönende Kuppel, seit Jahrzehnten schon, als 1418 Filippo Brunelleschi ein spektakuläres Projekt vorlegt. Der gelernte Goldschmied und anerkannte Bildhauer verspricht, die klaffende, 45 Meter breite Lücke im Dach der Kathedrale zu schließen. Und zwar mit einer neuartigen Kuppel und ohne das übliche Stützgerüst. Diese Hilfskonstruktion besteht aus Holz – kommt also in der waldarmen Toskana teuer zu stehen. Deshalb sind die Florentiner Bauherren begierig auf technische Details. Doch Brunelleschi zögert:
    "Ein kleines Modell hätte er zeigen können, wollte es aber nicht, weil er die geringe Einsicht der Obermeister, den Neid der Künstler und den Wankelmut der Bürger kannte, von denen einer diesen, ein anderer jenen begünstigte, wie es ihnen gefiel."

    Das legendäre Ei des Brunelleschi

    Giorgio Vasari, Künstlerbiograf der Renaissance, sieht den Architekten in der Zwickmühle: 1377 in Florenz geboren und aufgewachsen, versteht es der Sohn eines Notars recht gut, die Honoratioren seiner Heimatstadt für sich einzunehmen. Um sie jedoch vollends zu überzeugen, müsste er seine Pläne offenlegen. Damit aber wären sie auch für die Konkurrenz, die eifersüchtigen Künstlerkollegen zugänglich.
    Also schlägt Brunelleschi einen Wettstreit vor: Dombaumeister soll derjenige werden, der das scheinbar Unmögliche vollbringt und ein Ei auf einem Marmortisch aufstellt. Alle Künstler scheitern. Als letzter tritt Brunelleschi an, berichtet Vasari:
    "Er nahm das Ei zierlich in die Hand, drückte die Spitze ein und stellte es aufrecht hin. Alle anderen Künstler lärmten und riefen, so hätten sie es auch gekonnt. Doch Brunelleschi erwiderte lachend: ,Ihr würdet auch wissen, wie die Kuppel zu wölben sei, wenn ihr meine Zeichnung oder das Modell gesehen hättet.‘"
    Brunelleschi erhält den Auftrag – und präsentiert seinen Entwurf: Eine eiförmige Kuppel, wesentlich höher als das römische Pantheon, aus zwei Schalen, die sich gegenseitig stützen. Für zusätzliche Stabilität sorgt das Mauerwerk im Fischgrätverband. Soweit die Theorie.
    Ein Farbfoto zeigt das Panorama von Florenz mit mit rotziegelten Dächern. Die Hügel der Toskana im Hintergrund Davor die Kuppel des Doms un dem Campanile
    Das Panorama von Florenz mit Filippo Brunelleschis Hauptwerk: die Kuppel des Doms, Kathedrale Santa Maria del Fiore (picture alliance / blickwinkel/ McPHOTO /M. Gann)

    Brunelleschi als Bauleiter

    Bewähren muss sie sich auf der Baustelle, wo Brunelleschi in den folgenden
    16 Jahren Hunderte von Handwerkern dirigiert. Maurer und Steinmetze, Zimmerleute, Schmiede, Bleigießer, Böttcher und Wasserträger laufen unter seiner Anleitung zur Höchstform auf.
    "Er selbst ging nach der Brennerei, wo die Backsteine gestrichen wurden, und suchte sie mit aller Sorgfalt selbst aus. Und er gab den Steinmetzen Modelle von Holz oder Wachs oder in der Eile nur aus Rüben geschnitten, um danach zu arbeiten."
    Aus der Praxis heraus, durch genaue Beobachtung einzelner Arbeitsschritte, verbessert Brunelleschi die Bautechnik, entwickelt neuartige Kräne und Lastenaufzüge. Selbst den Details antiker Ruinen, skizziert bei einer Studienreise nach Rom, entlockt dieser Baumeister nützliches Wissen, wie Vasari berichtet:
    "Er zeichnete alle Arten von Schnitten, Verkeilungen und Verzahnungen, und weil er bei allen runden Steinen auf der unteren Seite ein Loch gewahrte, entdeckte er, dass dies zu einem Eisen diente, das wir die Steinzange nennen. Er erneuerte diese Erfindung und führte ihren Gebrauch wieder ein."

    Entdecker der Zentralperspektive

    Nicht in der Studierstube, sondern auf Plätzen und Straßen macht Brunelleschi eine bahnbrechende Entdeckung:
    "Er beschäftigte sich viel mit Perspektive, bis er eine vollkommen richtige Methode fand: ihre Ableitung vom Grundriß, Aufriß und Durchschnitt durch die Sehpyramide. Diese Zeichnungen erweckten den Geist anderer Künstler, die sich sofort diesem Studium widmeten."
    Am 27. Juni 2020 wurden auf dem Markusplatz in Venedig, Italien, die ersten Schirme aufgespannt, die den Platz vor dem Lokal abdecken werden, das vergrößert wurde, um die sichere Anordnung der Tische gemäß den Sicherheitsvorschriften zum Coronavirus zu ermöglichen. Die ersten Decken wurden vor dem Caffè Florian aufgestellt.
    Macht und Schönheit in der Kulturgeschichte Italiens
    talien ist ein Sehnsuchtsland der Deutschen. Doch was meinen wir, wenn wir emphatisch "Italien" sagen, was ist die berühmte "Italianita" eigentlich? Der Historiker Volker Reinhardt hat nun eine voluminöse, und gut geschriebene Kulturgeschichte Italiens vom Jahr 1000 bis heute vorgelegt.
    Mit der Zentralperspektive markiert Brunelleschi den Beginn der Renaissance. Seinen Zeitgenossen gilt er als handwerklicher Virtuose und intelligenter Techniker mit poetischer Erfindungsgabe. Damit verkörpert Filippo Brunelleschi das humanistische Künstlerideal. Als der Architekt am 15. April 1446 stirbt, wird er unter der Kuppel, seiner Kuppel, aufgebahrt und bekommt ein Ehrengrab in der Krypta des Doms.