"Es gibt Diskussionsbedarf", stellte Moderator Philipp May zu Beginn der Podiumsrunde fest: Diskussionsbedarf darüber, ob die Spitzensportreform von Bundesinnenministerium und DOSB in die richtige Richtung geht. Ist die von den Architekten der Reform ausgegebene Zielvorgabe nach "mehr Medaillen" die richtige Zielvorgabe?
Was zählt, ist der Erfolg?
Ja, ist sie - davon zeigte sich im Verlauf der Podiumsdiskussion nicht nur Gerhard Böhm überzeugt, der als Abteilungsleiter Sport im Bundesinnenministerium maßgeblich an der Ausarbeitung der Spitzensportreform beteiligt war. Denn auch die Mehrheit der Athleten wolle vor allem eins, sagte Gerhard Böhm: erfolgreich sein. Mit der Reform wolle man diesen Athleten "unterstützend unter die Arme greifen und das System so bauen, damit das bestmöglich funktioniert."
Dirk Schimmelpfennig, als Vorstand Leistungssport beim DOSB ebenfalls einer der Urheber der Spitzensportreform ergänzte: "Der Athlet steht in deser Reform ganz eindeutig im Fokus." Denn die Reform solle den Sportlern, die talentiert sind, ermöglichen, "ihr Maximum zu entwickeln - ohne Doping." Es gehe darum, "erfolgreich zu sein und den Sport in seiner Vielfalt abzubilden."
Kritik an rückwärtsgewandtem Geist der Spitzensportreform
Eine Sichtweise, der Sportjournalist Robert Kempe vehement widersprach, da sich die Reform in seinen Augen zu stark auf die Förderung der Sportarten konzentriere, die Medaillen versprechen - statt breit zu fördern. Kempe kritisierte in diesem Zusammenhang auch scharf die seiner Meinung nach veraltete und rückwärts gewandte Denkweise, die hinter einer solchen Sportförderung stehe: "Dass nämlich der Sport immer noch deswegen gefördert wird, weil er Deutschland national oder international repräsentiert."
Die Angst, aus der Förderung zu fallen
Sportarten, die nicht die gewünschten Medaillen bringen, müssen damit rechnen, dass ihnen Fördermittel abgezogen werden. Eine Befürchtung, die auch Henning Lambertz, Chefbundestrainer der deutschen Schwimmer, äußerte. Die Schwimmer haben zuletzt nicht die erwünschten Medaillenerfolge erzielt.
Auch Max Hartung kritisierte die starke Fokussierung auf Medaillen in der geplanten Spitzensportreform: "Wir sind auf jeden Fall dankbar für eine Förderung, die so ausgerichtet ist, dass wir erfolgreich sein können", erklärte der Säbelfechter und Athletensprecher, "aber nicht um jeden Preis."
Trainern fehlt die Planungssicherheit
Max Hartung betonte, dass ihm und seinen Sportlerkollegen neben dem Erfolg auch andere Werte wichtig seien: "Fair Play zum Beispiel, dass man eben nicht dopt." Sollten nicht auch Sportarten gefördert werden, in denen nicht so viele oder vielleicht auch gar keine Medaillen erreicht werden können? Max Hartung beantwortete diese Frage klar mit "Ja" und fügte hinzu: "Ich glaube, dass viele Punkte noch nicht ganz zu Ende diskutiert sind in der Reform und dass sich jetzt in der Ausgestaltung zeigen und beweisen muss, dass diese Reform tatsächlich den Athleten im Fokus hat."
Und nicht nur das: "Eigentlich müsste auch der Trainer im Mittelpunkt stehen", ergänzte Henning Lambertz. "Denn auch der geht oftmals mit 2500 Euro brutto im Monat nach Hause bei 60 Stunden Arbeit." Der Schwimmbundestrainer kritisierte zudem, dass die Verträge für Trainer im deutschen Sportsystem oft zu kurzfristig seien - was die Planungssicherheit erschwere.
Journalist Robert Kempe forderte mehr Transparenz beim DOSB und bei der Sportföderung ein. "Es gibt in Deutschland keinen, der einem sagen kann, wieviel Geld in den Sport investiert wird."
Am Ende ein Volk von Rodlern und Bahnradfahrern
Gerhard Böhm verteidigte wiederum die generelle Offenheit der Reform: "Wir stellen uns wirklich vor, dass wir die Einstufungen in die Cluster, das was ein Verband bekommt und warum er es bekommt und warum er es nicht bekommt, dass wir das öffentlich machen."
Moderator Philipp May zeichnete zum Schluss ein Szenario das durch die Spitzensportreform drohen könnte: "Am Ende führt dieses System doch dazu, dass wir ein Volk von Rodlern, Eisschnellläufern vielleicht und Bahnradfahern werden, weil dort der internationale Wettberwerb wesentlich einfacher ist."
Eine These die keiner der anwesenden Podiumsgäste wirklich entkräften konnte. Die deutsche Sportlandschaft könnte in ein paar Jahren deutlich weniger vielfältig sein.