Archiv

60 Jahre "Kunst im Untergrund"
Plakate als politischer Kommentar

1958 startete die Aktion "Kunst im Untergrund" im U-Bahnhof der Linie U2 am Berliner Alexanderplatz. Dort aufgehängte Kunst-Plakate sollten irritieren, zum Nachdenken anregen - und im besten Fall Diskussionen anstoßen, sagte die Kunsthistorikerin Constanze Musterer im Dlf.

Constanze Musterer im Corsogespräch mit Juliane Reil |
    Bahnhof der Linie U2 am Berliner Alexanderplatz. Wartende Menschen, die 1998 einem großen Plakat mit dem Aufdruck "Reiz" am u-Bahn-Gleis gegenübersitzen.
    Bahnhof der Linie U2 am Berliner Alexanderplatz mit einer Plakat-Aktion von "Kunst im Untergrund" 1998 (neue Gesellschaft für bildende Kunst)
    "Kunst im Untergrund" - das ist im Fall der gleichnamigen Aktion aus Berlin tatsächlich wortwörtlich zu verstehen. Lange Jahre war der U-Bahnhof der Linie 2 am Berliner Alexanderplatz Ausstellungsort für Kunstplakate. Die erste Plakataktion 1958 stand im Zeichen der Weltfriedensbewegung.
    Inzwischen hat der Standort für die Ausstellung am Alex gewechselt. Seit 2008 werden die Flächen für die Plakate dort von der Stadt für Werbung genutzt. Die Kunst weicht abwechselnd auf andere Berliner U-Bahnhöfe aus. Seit 1991 betreut die Arbeitsgruppe "Kunst statt Werbung" in der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst diese Aktion. Die Kunsthistorikerin Constanze Musterer ist dort Mitglied.
    Kurzer Moment der Irritation
    Eigentlich hält man sich im U-Bahnhof an einer Station nur kurz auf. Deshalb überrascht die Idee, dass der Bahnsteig zum Ausstellungs mutiert. Man wartet dort nur wenige Minuten, bis die nächste Bahn kommt. Das sei aber gerade das Spannende, sagte Musterer im Dlf. Der Passant ist unterwegs und erlebt einen kurzen Moment der Irritation.
    Der Alexanderplatz liegt geographish exponiert, in der Mitte des Berlins. Gleichzeitig wird die Kunst unter der Erde - hinter dem U-Bahn-Gleis gezeigt. Diesen Ort habe man bewusst gewählt, wie Musterer erklärte, weil es 1958 sozusagen die Schnittstelle zwischen dem Ost - und Westdeutschland war - auch wenn damals die Mauer noch nicht stand.
    Die Plakate seien immer politischer Kommentar gewesen, niemals war die Kunst reiner Selbstzweck. Man habe den Anspruch gehabt, zum Nachdenken anzuregen und im besten Fall Diskussionen anzustoßen."Kunst im Untergrund" habe immer versucht über das Symbolhafte hinauszugehen.
    Wir haben noch länger mit Constanze Musterer gesprochen - hören Sie hier die Langfassung des Corsogesprächs
    Oberirdisch mehr Wirkungskraft
    In der DDR sei die Freiheit kritischer Äußerungen auf den Plakaten eingeschränkter gewesen, sagte Musterer. Nach der Wende wurden die Plakatflächen in der U2 vom Alex als Werbeflächen genutzt. Die Aktion "Kunst im Untergrund" wurde verdrängt und sporadisch an anderen unterschiedlichen U-Bahnhöfen gezeigt. Das hätte das Projekt verändert, so Musterer, vor allem das Format. Die Kunst sei nicht nur als Plakat gezeigt worden, sondern teilweise auch oberirdisch. Auf diese Weise hätte die Kunst auch vielmehr in die Gesellschaft reinwirken können, betonte Musterer.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
    Am 27.09.18 gibt es die nächste Ausstellung in der Haltestelle der U5 am Berliner Alexanderplatz zum Thema "Wohnraum".