Brexit, Krisen und immer wieder neue Streitigkeiten trüben die Feierlaune. Trotzdem oder gerade deshalb will sich die EU jetzt bemühen, 60 Jahre nach ihren Anfängen ein Zeichen des Zusammenhalts zu setzen. Das vor dem EU-Austritt stehende Großbritannien nimmt an den Feierlichkeiten nicht teil. Die britische Premierministerin Theresa May will kommenden Mittwoch den offiziellen Antrag für den Austritt ihres Landes aus der Gemeinschaft stellen.
"Agenda von Rom" heißt das dreiseitige Papier, das Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre 26 EU-Kollegen in Rom unterschreiben wollen. Die Erklärung soll das Versprechen auf Frieden und Wohlstand erneuern, mit dem die Gründerväter Europas 1957 starteten - und einen Ausblick auf die "beispiellosen Herausforderungen" geben, die es zu meistern gilt. Dazu zählt die EU "regionale Konflikte, Terrorismus, wachsenden Migrationsdruck, Protektionismus sowie soziale und wirtschaftliche Ungleichheit".
Mit ihrer Erklärung will sich die Staatengemeinschaft auf ihre Stärken besinnen, optimistisch in eine gemeinsame Zukunft blicken und die Leitlinien für die kommenden zehn Jahre abstecken. Vier Bereiche werden hevorgehoben, in denen die EU mehr leisten will:
- Die innere und äußere Sicherheit
- Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion
- Ein sozial gerechteres Europa
- Ein stärkeres Europa in der Welt mit mehr gemeinsamem Einsatz für Sicherheit und Verteidigung
Zugleich will die EU offen bleiben für die beitrittswilligen Länder Europas, die die Werte der Gemeinschaft respektieren und unterstützen wollen. In einer vorigen Version hatte es noch geheißen, dass die Beitrittskandidaten die Werte "vollständig" teilen müssten. Die EU hat in der neuen Formulierung offenbar einen Mittelweg gesucht, um den Ländern des Westbalkan nicht zu suggerieren, dass es neue Hürden für ihren Beitritt gebe.
Eine Kompromisserklärung
Einigkeit ist ein Schlüsselwort in der Erklärung - doch allzu einig wirkte die EU zuletzt nicht. Die "Agenda von Rom" ist ein Kompromiss, in den vergangenen Wochen wurde zum Teil heftig darüber gestritten. Vor allem über die Idee eines "Europa der zwei Geschwindigkeiten". Die Idee: Wenn nicht alle EU-Länder ein Projekt mittragen, dürfen trotzdem andere schonmal anfangen.
Die Befürworter, darunter Deutschland, sehen das als Rezept, die oft endlosen Debatten auf EU-Ebene etwas abzukürzen, Blockierer auszubremsen und die Gemeinschaft handlungsfähiger zu machen. Polen und andere Mitglieder im Osten verstehen den Vorschlag als Drohung, sie abzuhängen - politisch wie finanziell.
In der Erklärung steht jetzt eine sehr weiche Formulierung: "Wir handeln gemeinsam, wenn nötig unterschiedlich in Tempo und Intensität, und bewegen uns dabei in dieselbe Richtung."
Auch mit Griechenland musste bis zuletzt um eine Einigung gerungen werden. Die Regierung in Athen hatte wegen eines Streits über die Reformauflagen der internationalen Geldgeber damit gedroht, die Abschlusserklärung zu blockieren. Der Streit konnte letztlich entschärft werden.
Demonstrationen zum Jubiläum
Begleitet werden die Feierlichkeiten in Rom von Demonstrationen. Die Sicherheitskräfte in Rom sind vor dem Gipfeltreffen in höchster Alarmbereitschaft. Vier Demonstrationszüge und mehrere Kundgebungen von EU-Gegnern und -Befürwortern sind angemeldet, bis zu 30.000 Menschen werden erwartet. Es sei nicht ausgeschlossen, dass sich gewaltbereite Mitglieder des sogenannten Schwarzen Blocks aus dem In- und Ausland darunter mischten, hieß es bei der Polizei. Nach dem Anschlag von London wurde das Konzept noch einmal überarbeitet.
Das Zentrum von Rom um den Veranstaltungsort am Kapitolshügel wurde zur Sicherheitszone erklärt. Autos und Fußgänger dürfen am Samstag nicht in die Sperrzone. Für Unmut bei vielen Römern sorgte, dass die Demonstrationszüge dicht beieinander liegen. Geschäftsleute äußerten Sorge vor Vandalismus.
Die Römischen Verträge
Unterzeichnet wird die Erklärung in der "Sala degli Oriazi e Curiazi" auf dem Römischen Kapitol. Es ist derselbe Saal, in dem die Vertreter der sechs Gründerstaaten (Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg, Belgien und die Niederlande) am 25. März 1957 ihre Unterschriften unter den Vertrag über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, den Euratom-Vertrag und ein Abkommen über gemeinsame Institutionen setzten. Damit begann das Zusammenwachsen Europas als Wirtschafts- und Wertegemeinschaft mit derzeit 28 Staaten.
Inzwischen steckt die Union wegen des Brexits und vielfältiger Streitigkeiten in der Krise. Extremisten propagieren ein Ende der EU, unter anderem in Frankreich, wo Ende April die Präsidentschaftswahl beginnt.